Soziale Ungleichheit verhindert Potenzialentfaltung in der frühen Kindheit

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Handlungsempfehlungen für Kitas als begabungsförderliche Bildungsorte.

Kitas sind der erste Bildungsort für alle Kinder, auch hochbegabte, die dort ein Recht auf Förderung und gute Bildung haben. Doch welchen Einfluss hat soziale Ungleichheit auf das Erkennen und Entfalten von Begabungen? Um mehr über dieses bisher wenig erforschte Thema zu erfahren, hat die Karg-Stiftung eine wissenschaftliche Expertise beauftragt. Deren Erkenntnisse haben Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Praxis und Politik auf der Fachtagung „Karg Spotlight Kita“ diskutiert. Mit konkreten Handlungsempfehlungen will die Karg-Stiftung Kitas Hilfestellung leisten, sich zu allseits begabungsförderlichen Bildungsorten weiterzuentwickeln.

Nach wie vor wird eine Hochbegabung weniger bei Kindern vermutet, die aus einkommensarmen Familien kommen oder die einen Migrationshintergrund haben. Auch Mädchen werden in ihren kognitiven Fähigkeiten oft unterschätzt. Häufig heißt es, Mädchen sind fleißig, Jungs sind begabt. Diese Art von stereotypen Vorstellungen halten sich hartnäckig. „Jedes Kind hat das Recht auf Entfaltung seiner Begabungen – aber noch immer verhindert soziale Ungleichheit in Deutschland Potenzialentfaltung von Kindern, und zwar von Anfang an. Es muss mehr getan werden für Begabungsgerechtigkeit in der frühen Bildung! Denn je früher Begabungen von Kindern erkannt werden, umso besser sind die Startchancen für ihren weiteren Bildungsverlauf. Kitas als erste Bildungsorte sind dabei von entscheidender Bedeutung. Für eine Weiterentwicklung des Feldes, bedarf es wissenschaftlicher Expertise, in diesem Bereich ausgebildeter Fachkräfte und des politischen und gesellschaftliche Willens, das Thema anzupacken“, so Dr. Nadine Seddig, Leiterin des Ressorts Kita in der Karg-Stiftung.

Was sagt die Forschung?

Zu der Frage, wie sich soziale Ungleichheit in der frühen Kindheit auswirkt, wenn es um besonders Begabte geht, liegen bislang kaum valide wissenschaftliche Ergebnisse vor. Um diese Lücke zu schließen, hat die Karg-Stiftung eine Expertise bei Professorin Dr. Claudia Mähler und Professor Dr. Peter Cloos vom Kompetenzzentrum Frühe Kindheit Niedersachsen (Universität Hildesheim) beauftragt. Unter dem Titel „Hochbegabung und soziale Ungleichheit in der frühen Kindheit“ beleuchten die Psychologin und der Erziehungswissenschaftler darin Aspekte von früher Hochbegabung und Bildungsgerechtigkeit in inklusiven Settings. Ab Mitte November wird die Expertise als open access Publikation bei Beltz Juventa erscheinen und auf allen gängigen Repositorien zur Verfügung stehen.

Fachtagung Karg Spotlight Kita

Bereits vorab konnten über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am 19.09.2022 auf der kostenlosen Online-Fachtagung Karg Spotlight Kita von der Expertise und ‚Good Practice‘ Beispielen profitieren. Das Video der Tagung steht ab sofort auf unserem Youtube-Kanal zur Verfügung. Die Autorin und der Autor stellten zentrale Ergebnisse ihrer Studie vor und diskutierten diese mit Bettina Lamm (nifbe), Larissa Zeinert (Elbkinder Hamburg) und Miriam Zeleke (Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Kinder und Jugendrechte).

Einblicke in die Praxis gaben die Kitas Hanna Lucas aus Wedel, das CJD Familienzentrum für inklusive Begabungsförderung aus Hannover und das Haus für frühe Bildung – Hans-Georg Karg Kita aus Nürnberg. Katja Irle (Hessischer Rundfunk) führte durch die Tagung, die unter dem Titel stand: „Begabungsgerechtigkeit in der frühen Kindheit: Wie soziale Ungleichheit Potenzialentfaltung verhindert – und was wir dagegen tun können“. Ziel des Tages war es, voneinander zu lernen und gemeinsam konkrete Handlungsempfehlungen für Kitas zu diskutieren.

Handlungsempfehlungen für Kitas als begabungsförderliche Bildungsorte

Welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sich Kitas zu allseits begabungsförderlichen Bildungsorten entwickeln können, hat die Karg-Stiftung kurz und knapp in 9 Empfehlungen zusammengestellt. Diese sollen helfen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis zu überführen. Entscheidend für den Wandlungsprozess ist der politische Wille, sich des Themas entschlossen anzunehmen und Kitas finanziell so auszustatten, dass ausreichend personelle und räumliche Ressourcen für die professionelle Arbeit zur Verfügung stehen.

Fachkräfte sollten sich bereits in ihrer Ausbildung oder ihrem Studium mit der frühen Hochbegabung in Verbindung mit sozialer Ungleichheit beschäftigen. Außerdem erhöht der multiprofessionelle Austausch die Qualität der pädagogischen Arbeit und der Aufbau von begabungsförderlichen Netzwerken unterstützt sowohl die Fachkräfte als auch die Familien. So lässt sich die begabungsgerechte Förderung von Kindern in den Kita-Alltag integrieren und wird nicht mehr als Zusatzaufgabe, sondern als Selbstverständlichkeit angesehen.

Die Handlungsempfehlungen finden Sie hier.

Eine Pressemeldung der Karg-Stiftung.

Über die Karg-Stiftung
Unser Auftrag ist die Förderung des hochbegabten Kindes in Kita, Schule und Beratung. Nah am Menschen und dem Bildungsalltag suchen wir gute Ideen und begleiten praxisnah in der Begabtenförderung. Wir klären den Bedarf, knüpfen Netzwerke und entwickeln Konzepte. Wir beraten, informieren und qualifizieren in der Begabtenförderung. Gemeinsam mit Politik, Wissenschaft und Praxis schaffen wir so ein allseits gerechtes Bildungssystem. Denn dieses ermöglicht auch Kindern und Jugendlichen mit hohem intellektuellem Potenzial die Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Die Karg-Stiftung, von dem Unternehmer Hans-Georg Karg und seiner Frau Adelheid Karg 1989 errichtet, ist verlässliche Partnerin und treibende Kraft der Begabten-förderung in Deutschland.

Sabine Wedemeyer
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Lyoner Straße 15
60528 Frankfurt am Main
T +49 69 874 027-27
M +49 160 90 98 49 16
E-Mail: sabine.wedemeyer@karg-stiftung.de
www.karg-stiftung.de
www.fachportal-hochbegabung.de

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Alx
1 Jahr zuvor

Ich bin persönlich der Meinung, dass hochbegabte Kinder nicht in den Regelkindergarten oder in die Regelschule gehen sollten.

Es bräuchte eigene Institutionen, die den Bedürfnissen dieser Kinder gerecht werden.

Dazu gehören auch hochbegabte Erzieher und Lehrer.

Carsten60
1 Jahr zuvor

Wie immer: was nun konkret mit den als „begabt“ erkannten Kindern geschehen soll, wie sie (anders als die anderen) zu behandeln sind, davon steht nichts da. Man versucht der „Gretchenfrage“ auszuweichen: Soll man die Kinder trennen oder soll man alle in heterogenen Lerngruppen zusammen lassen? Dass es begabten Kinder guttut, mit ihresgleichen zusammenzukommen, das kann man öfter mal lesen. Andererseits gilt jede Art von „Segregation“ als schlecht. Und zu der Frage nach der sozialen Herkunft der dann tatsächlich als „begabt“ festgestellten Kinder erfährt man auch nichts. Was sagt dazu die Statistik? Gibt’s die überhaupt?

Alx
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Die Statistik ist die Gaußsche Normalverteilung um den Mittelwert.
Die Abweichung zu betrachten macht eigentlich nur dann Sinn, wenn der Mittelwert der Erhebung aus den geteilten Rahmenbedingungen erhoben wird.

Hochbegabung ist wenn der IQ mindestens 2 Standardabweichung über dem Durchschnitt liegt.
Analog dazu ist ein IQ mindestens 2 Standardabweichungen unter dem Durchschnitt Diagnosekriterium für geistige Behinderung.

Davon ausgehend dass Lehrer als Akademiker im Mittel etwa bei 110 liegen, kann man schon ausgehen, dass der Intelligenzunterschied zwischen geistiger Behinderung und Lehrer in nicht wenigen Fällen so groß ist, wie zwischen Durchschnittsschülern und geistig beeinträchtigen Schülern.

Zur Veranschaulichung:
Würde man einen durchschnittlichen Schüler auf die Förderschule schicken, dann wäre dieser so unterfordert wie ein hochbegabtes Kind in der Regelklasse.

Da kann man jetzt sagen: das ist aber so inklusiv…
Aber der hochbegabte Schüler langweilt sich, resigniert und wird Verhaltensauffälligkeiten zeigen statt sein Potential zu entfalten.

Dabei ist es übrigens völlig unerheblich ob Migrationshintergrund oder nicht, der IQ wird im Vergleich zu unserer Population bestimmt.

Ganz wichtig auch:
Der IQ ist kein Maß für den Wert eines Menschen.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alx

„… dass Lehrer als Akademiker im Mittel etwa bei 110 liegen …“
Diese Argumentation macht nur Sinn, wenn die Akademiker insgesamt eine klare Minderheit sind. Tatsächlich haben wir schon eine Hochschulzugangs-berechtigungsquote von 55 % oder mehr. Das bedeutet: Wenn die alle Examen machen würden, hätten wir in einem Jahrgang notwendigerweise (!) Akademiker mit einem IQ von unter 100, vermutlich wären auch Lehrer darunter. Es können bei der (symmetrischen) Gaußschen Normalverteilung einfach nicht 55 % über dem Durchschnitt liegen. Manche Politiker verstehen das nicht, und das ist dann ein Teil der Absurdität der Situation: Plötzlich soll eine Mehrheit überdurchschnittlich sein. Genau deshalb empfiehlt Elsbeth Stern von der ETH Zürich auch eine Studierendenquote von nur 20 %. Das ist nicht meine Idee (falls ich mal wieder hier als reaktionärer Extremist gescholten werden sollte).
Ich hatte in meinem Beitrag übrigens gar nicht vom IQ gesprochen, das war davon unabhängig. Begabung kann sich wohl auch anders äußern, aber in der Regel sollte wohl die kognitive Begabung mit Intelligenz einhergehen.