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Lehrermangel: Grundschule will Vier-Tage-Woche einführen – Kultusministerium bremst (und rüffelt die Schulleiterin öffentlich)

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Lehrermangel in Deutschland treibt Blüten. Eine Grundschule im niedersächsischen Wiefelstede wollte Medienberichten zufolge ab sofort eine Vier-Tage-Woche für mehr als 300 Schülerinnen und Schüler einführen. «Unsere Unterrichtsversorgung sieht sehr schlecht aus», schrieb die Schulleiterin in einem Elternbrief. Das Kultusministerium intervenierte nun allerdings – und hielt sich mit Kritik an der Schulleiterin nicht zurück.

Der Lehrermangel sorgt insbesondere in den Grundschulen für Probleme (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

«Wir sehen uns nicht in der Lage, alle Klassen gleichermaßen mit Unterricht zu versorgen», so heißt es in dem Elternbrief der Grundschule in Wiefelstede. Die Situation sei entstanden durch ein Unterrichtsverbot, das zwei schwangeren Lehrerinnen erteilt worden sei, so erkläuterte Schulleiterin Doris Tapken den Berichten zufolge. Diese dürften nicht in Präsenz arbeiten, weil sie sich mit Corona anstecken könnten. Außerdem falle eine weitere Lehrerin langfristig aus.

Am vergangenen Freitag teilte die Schulleitung den Berichten zufolge mit, dass von diesem Dienstag an ein Vertretungsplan in Kraft trete. Dieser sehe vor, dass pro Tag einer der Jahrgänge 2 bis 4 daheim bleiben müsse. Weil es im ersten Jahrgang fünf Klassen gebe, würden diese auf zwei Tage verteilt. Ein Betreuungsangebot für Kinder, die zu Hause sich sonst selbst überlassen blieben, solle es an der Schule geben – ausdrücklich aber keinen Unterricht. Unklar war zunächst, wie lange die Regelung gelten soll.

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«Die Überprüfung der Sachlage hat ergeben, dass Spielräume bestehen, um durchgängige Schulpräsenz an allen Wochentagen für alle Schuljahrgänge zu sichern»

Das niedersächsische Kultusministerium in Hannover teilte am Dienstag mit, dass es dazu nicht kommen solle. «Die Überprüfung der Sachlage hat ergeben, dass Spielräume bestehen, um durchgängige Schulpräsenz an allen Wochentagen für alle Schuljahrgänge zu sichern», hieß es in einer Stellungnahme des Ministeriums.

Der Ausfall von Unterrichtstagen soll mit mehreren Maßnahmen abgewandt werden: Der Stundenplan der Schule wird dem Ministerium zufolge umgestellt. Klassen lege man zusammen. Zudem kämen pädagogische Fachkräfte zum Einsatz und eine Feuerwehrlehrkraft werde kurzfristig eingestellt. Das zuständige Regionale Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück setze in Abstimmung mit der Schule die Vorhaben sofort um. «Die “Vier-Tage-Woche” ist damit vom Tisch», teilte der Sprecher mit.

Die Schulleiterin fing sich zudem einen öffentlichen Rüffel ein. «Gleichwohl war die getroffene Entscheidung, für einzelne Jahrgänge einen Unterrichtstag zu streichen, weder alternativlos, noch mit dem zuständigen Regionalen Landesamt für Schule und Bildung Osnabrück – und auch nicht mit dem Kultusministerium – abgestimmt», kritisierte der Sprecher. Weiter hieß es vom Ministerium, dass das Streichen ganzer Unterrichtstage insbesondere an Grundschulen grundsätzlich nicht vorgesehen sei. Vergleichbare Vorgehensweisen seien nicht bekannt.

«Wir verspielen gerade die Zukunft der kleinen Menschen, die unsere Gesellschaft später am Laufen halten»

Die neue Regelung hatte besonders bei Eltern für Empörung gesorgt. Der “Nordwest-Zeitung” (NWZ) sagte ein Elternvertreter: «Wir verspielen gerade die Zukunft der kleinen Menschen, die unsere Gesellschaft später am Laufen halten.» Zwar seien Lehrkräften, Schulleitung und die zuständige Sachbearbeiterin der Landesschulbehörde «engagiert und bei Rückfragen offen und freundlich», doch könne er nicht nachvollziehen, dass ein so lange existierende Problem auf dem Rücken der Schüler ausgetragen werde, heißt dem NWZ-Bericht nach. Die akute Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen hätten die Schülerinnen und Schüler bereits lange Zeit stark belastet, nun kämen weitere Einschränkungen hinzu, kritisierte der Elternsprecher.

Unlängst hatte der Landeselternrat Niedersachsen von einer «desolaten Lage» an den Schulen im Land gesprochen und Veränderungen gefordert. Die Unterrichtsversorgung an den niedersächsischen Schulen sank auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Statistik vor 20 Jahren, wie Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) vor kurzem bekannt gab (News4teachers berichtete). Der aus dem Verhältnis von Schülern und Lehrerstunden ermittelte Wert lag demnach zum Stichtag 8. September 2022 bei 96,3 Prozent (Vorjahr: 97,4 Prozent).

Die Unterrichtsversorgung gibt wieder, ob für die errechnete Zahl an Unterrichtsstunden genügend Lehrerinnen und Lehrer vorhanden sind. Werte von über 100 Prozent sind nötig, damit über das Pflichtangebot hinaus Lehrer für weitere Angebote oder etwa Vertretungsstunden zur Verfügung stehen. Der Landeselternrat regte angesichts der Personalnot an, Lehrkräfte für Schulen mit Hilfe sogenannter Headhunter zu gewinnen (News4teachers berichtete auch darüber)News4teachers / mit Material der dpa

Erste Bundesländer reagieren auf das KMK-Gutachten zum Lehrermangel: Teilzeit wird drastisch eingeschränkt

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