MÖNCHENGLADBACH. Gut dreieinhalb Jahre nach dem Tod einer zuckerkranken Schülerin bei einer Klassenfahrt hat das Landgericht Mönchengladbach die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen zwei Lehrerinnen abgelehnt. Das teilte ein Gerichtssprecher mit. Die Staatsanwaltschaft hatte die beiden Pädagoginnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen angeklagt, weil sie zu spät auf gesundheitliche Beschwerden der 13-Jährigen reagiert hätten. Nach Auffassung des Gerichts verletzten die Lehrerinnen zwar in mehrfacher Hinsicht ihre Aufsichtspflichten. Dies sei jedoch nicht Ursache für den Tod des Mädchens gewesen.
Nach dem Tod der 13-jährigen Schülerin auf einer Klassenfahrt in London nach extremer Überzuckerung 2019 hatte die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach wegen fahrlässiger Tötung mit einer Unterbrechung zweieinhalb Jahre lang ermittelt und dann im März 2022 Anklage erhoben. Mitschüler sollen bei dem Aufenthalt darauf hingewiesen haben, dass es dem zuckerkranken Mädchen nicht gut gehe. Die begleitenden Lehrkräfte sollen sich zu spät um die Schülerin gekümmert haben – so lauteten die Vorwürfe.
«Die Bemühungen der Kinder, einen Lehrer ausfindig zu machen, schlugen am Donnerstag fehl»
Der Anwalt des Vaters der verstorbenen Schülerin hatte bereits 2019 Anzeige aufgrund der Schilderungen von Mitschülerinnen gegen die insgesamt vier begleitenden Lehrkräfte erstattet. Demnach hatte sich die 13-Jährige bereits am Ankunftstag nach dem Essen übergeben. «Die Bemühungen der Kinder, einen Lehrer ausfindig zu machen, schlugen am Donnerstag fehl», sagte der Anwalt seinerzeit. Als sich das Mädchen ständig weiter übergab, halfen ihm die Kinder zur Toilette und stellten schließlich einen Eimer hin, als die Mitschülerin immer schwächer wurde, wie der Jurist erklärte.
Am nächsten Morgen seien dann mehrere Kinder zu den Lehrern gegangen und hätten die Lage geschildert. Niemand habe nach dem Mädchen geschaut. «Die Kinder haben sich bemüht, selber damit fertig zu werden.» Sie sollten in Absprache mit einer Lehrerin auf die 13-Jährige aufpassen. Erst Samstagvormittag soll dann eine Lehrerin bei der kranken Schülerin erschienen sein – weil die Abreise bevorstand. Da sei das Mädchen so schwach gewesen, dass es sich nicht mehr selbst aufrichten konnte, sagte der Anwalt. Erst dann sei ein Rettungswagen bestellt worden.
Das Mädchen starb nach seinen Angaben am Sonntag um 14 Uhr im Krankenhaus. Der Anwalt wirft den Lehrkräften «Nachlässigkeit, die großen Schaden angerichtet hat», vor. In Unterlagen für die Klassenfahrt sei vermerkt gewesen, dass das Mädchen Diabetikerin Typ 1 war. Sie trug dauerhaft eine Insulinpumpe.
«Inwieweit das zutrifft und wie sich der Sachverhalt tatsächlich gestaltet, ist Gegenstand der Ermittlungen», erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft damals. Die stellte das Verfahren dann aber zunächst ein. Dass das Mädchen an Diabetes Typ I litt, war zwar in der Schulakte vermerkt. Den beschuldigten Lehrkräften sei aber nicht nachzuweisen gewesen sei, dass sie von der Krankheit des Mädchens Kenntnis gehabt hätten.
Auf Bestreben des Vaters wurden die Ermittlungen dann doch wieder aufgenommen. Nach erneuten Zeugenbefragungen und Nachermittlungen kam die Staatsanwaltschaft dann zu dem Ergebnis, dass vor Antritt der Klassenfahrt die chronischen Krankheiten der Schüler hätten abgefragt werden müssen. Dazu wären sie aber gemäß einem Erlass des Schulministeriums verpflichtet gewesen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ seinerzeit berichtete. Gegen die anderen beiden Lehrkräfte sei das Verfahren erneut eingestellt worden.
«Aufgrund der Gesamtumstände war eine medizinische Notfallindikation für einen Laien zumindest nicht sicher feststellbar»
Der Vater glaubte laut Bericht, seine Tochter hätte gerettet werden können, wenn ihr damals in London rechtzeitig geholfen worden wäre. «An Diabetes stirbt man doch nicht», so wird er zitiert, «nur wenn einem keiner hilft». Auch ein medizinisches Gutachten habe ergeben, dass der Tod der Schülerin vermeidbar gewesen wäre, wenn ihre Ketoazidose früher ärztlich behandelt worden wäre. Jetzt stellte das Gericht allerdings fest: Aufgrund der Gesamtumstände sei eine medizinische Notfallindikation für einen Laien zumindest nicht sicher feststellbar gewesen. Deshalb: Kein Prozess. News4teachers / mit Material der dpa
