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Bundesland erschwert Zugang zum Gymnasium, um dem Handwerk mehr Nachwuchs zu verschaffen – ist das sinnvoll?

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MAGDEBURG. Der Fachkräftemangel in Deutschland wächst sich aus. Insbesondere das Handwerk macht massiven Druck auf die Politik, für mehr Berufsnachwuchs zu sorgen. In Sachsen-Anhalt hat das jetzt Konsequenzen: Der Zugang zum Gymnasium soll erschwert werden, um die Sekundarschulen zu stärken. Macht das Sinn? Denn auch akademische Professionen sind auf junge Menschen angewiesen – nicht zuletzt der Lehrerberuf (ohne den es auch keine gut gebildeten Schülerinnen und Schüler für das Handwerk gäbe).

Die Schülerströme sollen umgeleitet werden – hin zum Handwerk. Foto: Shutterstock

In Sachsen-Anhalt gilt, was in den meisten anderen Bundesländern auch gilt: dass nämlich Eltern dem Votum der Lehrer beim Wechsel ihrer Kinder von der Grundschule auf eine weiterführende Schule nicht folgen müssen. Das Verfahren soll nun modifiziert werden – auf Drängen der CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff.

Bei einer Klausurtagung hatte die Fraktion beschlossen, sich für eine verbindliche Schullaufbahn-Empfehlung einsetzen zu wollen, wie Fraktionsvorsitzender Guido Heuer erklärte. Das Projekt stehe zwar nicht im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und FDP, sei aber eine „Herzensangelegenheit“, so Heuer. Wir wollen das Niveau der Sekundarstufe deutlich stärken.“ Das Handwerk suche dringend Nachwuchs. Am häufigsten würden handwerkliche Berufe von Jugendlichen ergriffen, die nach der 10. Klasse von der Schule abgingen, begründete der Fraktionschef den Vorstoß.

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Das Ergebnis der daraufhin folgenden Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP sieht nun so aus: Eine verbindliche Empfehlung soll es zwar auch künftig nicht geben, in der dritten Klasse soll mit den Eltern aber eine verpflichtende Lernberatung stattfinden. Die angepasste Empfehlung soll dann im ersten Halbjahr in der vierten Klasse auf den schulischen Leistungen in Deutsch, Mathe und Sachunterricht beruhen. Dort soll der Notendurchschnitt nicht über 2,33 liegen. „Dabei ist die Note Vier in einem der genannten Fächer ein Ausschlusskriterium“, heißt es im Beschluss der Koalition.

„Für uns als CDU-Fraktion ist es essenziell, die Sekundarschulen künftig zu stärken. Nur so können wir den akuten Fachkräftemangel im Handwerk und weiten Teilen unserer Wirtschaft bekämpfen“

Kinder, die keine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen, können dort an einem dreitägigen Probeunterricht und einem einheitlichen Leistungstest in den Kernfächern teilnehmen. Ziel sei es, Eltern und Kindern mit dem Verfahren zu helfen und die Sekundarschulen zu stärken, sagte CDU-Landeschef Sven Schulze. Hintergrund: Die Sekundarschule ist die Schulform in Sachsen-Anhalt, die nach der Jahrgangsstufe 10 endet und auf den Erwerb von Hauptschul- oder Realschulabschluss ausgerichtet ist.

CDU-Fraktionschef Heuer würdigt das Ergebnis: „Für uns als Fraktion ist es essenziell, die Sekundarschulen künftig zu stärken. Nur so können wir den akuten Fachkräftemangel im Handwerk und weiten Teilen unserer Wirtschaft bekämpfen.“  Mit der modifizierten Schullaufbahnempfehlung würden sowohl Schülerinnen und Schüler, als auch deren Eltern sensibilisiert, den bestmöglichen Bildungsweg einzuschlagen. Heuer: „Im Sinne unserer Kinder ist eine qualifizierte und ehrliche Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch ausgebildetes und erfahrenes Lehrpersonal notwendig, um die Anforderungen des Gymnasiums darzustellen.“

„Die Empfehlung der Grundschule, welche weiterführende Schule ein Kind besuchen sollte, ist eine wichtige pädagogische Hilfe für die Familien“

Offensichtlich war es die SPD, die durchgesetzt hat, auch weiterhin den Elternwillen als letzte Instanz gelten zu lassen. Die Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin Katja Pähle spricht von einem „anstrengenden Einigungsprozess“ und betont in einer Erklärung: Die Schullaufbahnempfehlung werde weiterentwickelt, bleibe aber eine Empfehlung.

Sie erklärt: „Die Empfehlung der Grundschule, welche weiterführende Schule ein Kind besuchen sollte, ist eine wichtige pädagogische Hilfe für die Familien. Die letzte Entscheidung treffen jedoch die Eltern, und das wird auch so bleiben. Aber die Schullaufbahnempfehlung soll aussagekräftiger werden.“ Für die Sozialdemokraten sei wichtig: „Es geht nicht darum, Kinder vom Besuch des Gymnasiums abzuschrecken. Auch ein späterer Wechsel ist möglich. Unser Land braucht dringend junge Leute mit guten Schulabschlüssen von allen Schulformen, auch mit der allgemeinen Hochschulreife!“

Nicht zuletzt, so ließe sich ergänzen, um Nachwuchs für den Lehrerberuf zu bekommen, der ohne Abiturientinnen und Abiturienten nicht auskommt: Auch Sachsen-Anhalt ist massiv vom Lehrermangel betroffen, der nach einem Gutachten im Auftrag der KMK noch mindestens 20 Jahre andauern wird (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

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