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“Ich bin sehr für den Klimawandel”: Was die Affäre Döpfner mit der Bildung in Deutschland zu tun hat

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BERLIN. Was hat die Affäre Döpfner mit der Bildung in Deutschland zu tun? Wer genau hinschaut, wird feststellen: eine Menge. Der Axel-Springer-Verlag verdient Geld damit, Wissenschaftsfeindlichkeit zu schüren. Umso besser, wenn dabei Lehrkräfte mit in den Dreck gezogen werden können. Eine Analyse von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.

Einer der mächstigsten Medienmacher in Deutschland: Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner. Foto: Axel Springer SE / Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0

Es sind sechs knappe Absätze, und sie wurden am Samstagabend zu später Stunde auf der Website der Bild-Zeitung veröffentlicht: Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner hat für konzerninterne Chat-Nachrichten um Entschuldigung gebeten, in denen er sich – unter anderem – abfällig über die Menschen aus Ostdeutschland geäußert hat. In dem kurzen Beitrag „in eigener Sache“ schrieb der Medienhaus-Chef und -Großaktionär: „Ich bitte um Entschuldigung dafür, dass ich mit meinen Worten viele gekränkt, verunsichert oder verletzt habe.“

Als Beispiel führt er selber an: „‘Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten.‘ Das ist verletzend. Und wörtlich genommen natürlich Quatsch. „Die“ Ossis gibt es nicht. Und selbstverständlich sind sie nicht ­entweder rechts- oder linksradikal. Der Ärger darüber, dass in Thüringen und anderswo so viele entweder Linke oder AfD wählen, verleitete mich zur polemischen Übertreibung.“

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„Daraus kann man viele Lehren ziehen. Das habe ich getan. Eine davon bleibt die Idee von der ‚Gedankenfreiheit‘“

Dann rechtfertigt sich der Springer-Chef so: „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – mir gelingt es nicht immer, private Nachrichten im korrekten Ton zu schreiben. Wenn ich wütend oder sehr froh bin, wird mein Handy zum Blitzableiter. Ich schicke dann manchmal Menschen, ­denen ich sehr vertraue, Worte, die ‚ins Unreine‘ gesagt oder getippt sind. Weil ich davon ausgehe, dass der Empfänger weiß, wie es gemeint ist. Und weil ich mir nicht vorstellen kann oder will, dass jemand diese Worte an Dritte ­weitergibt. Das ist nun aber geschehen. Daraus kann man viele Lehren ziehen. Das habe ich getan. Eine davon bleibt die Idee von der ‚Gedankenfreiheit‘.“

Gedankenfreiheit? Dummerweise, und das unterschlägt der Verlagsleiter, waren es keineswegs nur private Stammtisch-Plaudereien, um die es hier geht. Adressaten der SMS waren offensichtlich Untergebene – nämlich diejenigen, die für das Tagesgeschäft der Springer-Großmedien „Bild“ und „Welt“ zuständig waren und die Kommandos wie „Please Stärke die FDP“ (Fehler im Original) durchaus als Dienstanweisungen auffassen konnten.  Und es offensichtlich auch taten: Die meisten der Tiraden, die aus Döpfners Handy-Korrespondenz in den vergangenen Jahren bekannt wurden – und die sich gegen Musliminnen und Muslime, Corona-Schutzmaßnahmen und Klimaschutzpolitik richteten –, lassen sich problemlos in der publizistischen Linie der Verlagsorgane ausmachen.

Und hier kommt die Bildung ins Spiel: Döpfner verdient Geld damit, Menschen gegen die Wissenschaft aufzuhetzen (um sich dann darüber zu mokieren, dass diese Menschen Wissenschaftsfeinde wie die von der AfD wählen – was für ein Zynismus). Auch gegen Lehrkräfte wird insbesondere in „Bild“ gerne Stimmung gemacht. Die Corona-Krise bot willkommene Anlässe.

Sollten Schulen und Kitas umgehend wieder komplett öffnen? War die Schließung der Bildungseinrichtungen überhaupt nötig? Der Streit darum wurde ab 2021 immer erbitterter geführt – angetrieben von „Bild“. Die Redaktion hatte sich (offensichtlich auf Drängen Döpfners, der die Corona-Schutzmaßnahmen in einer internen Nachrichten an den Chefredakteur als „den neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ bezeichnet hatte) zum Ziel gesetzt, schnelle Schul- und Kitaöffnungen um jeden Preis durchzusetzen. Und dafür schien jedes mediale Mittel recht zu sein.

„Fragwürdige Methoden – Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch! Wie lange weiß der Star-Virologe schon davon?“

Eines davon: Lehrer zu verleumden. „Schüler und Eltern klagen: Corona-Chaos an unseren Schulen“, so titelte die „Bild“-Zeitung in ihrem Online-Auftritt. Eine „Schock-Umfrage“ habe ergeben, dass digitaler Unterricht in Deutschland praktisch nicht existiere. Für Lehrer gelte das Prinzip „Freizeit geht vor!“. News4teachers recherchierte nach. Ergebnis: „Bild“ hatte die Ergebnisse der zitierten Umfrage schlicht ins Gegenteil verkehrt. Darin hieß es: „Trotzdem sehen Eltern mehrheitlich die Angebote der Schulen alles in allem positiv. Mehr als die Hälfte der Eltern (57 Prozent) sind mit der Art und Weise, wie die Schule ihrer Kinder das schulische Arbeiten zu Hause organisiert, grundsätzlich zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Fast zwei Drittel (62 Prozent) sind mit der Kommunikation der Schule in der aktuellen Situation zufrieden.“

Tiefpunkt der „Bild“-Kampagne war dann der Versuch, den Charité-Chefvirologen Prof. Christian Drosten in den Dreck zu ziehen, womit das Blatt allerdings böse auf dem Bauch landete. „Fragwürdige Methoden – Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch! Wie lange weiß der Star-Virologe schon davon?“, so titelte „Bild“ und drängte in der Folge auf sofortige weite Schulöffnungen.

Schnell wurde klar: Von einem Skandal konnte keine Rede sein. „Bild“ versuchte, eine wissenschaftliche Debatte um Details von Drostens Arbeit zu instrumentalisieren. In der Studie hatten er und sein Team gezeigt, dass infizierte Kinder dieselbe Virenlast tragen können wie Erwachsene. Dabei waren unter dem Druck, schnell Ergebnisse liefern zu müssen, recht grobe statistische Methoden angewendet worden, wie der Wissenschaftler selbst einräumte. Drosten überarbeitete die Untersuchung leicht – und hält bis heute an seinen Ergebnissen fest, die längst als gesichert gelten. „Bild“ hingegen wurde wegen unsauberen Zitaten und unbelegten Behauptungen vom Deutschen Presserat öffentlich gerügt.

Aktuell versucht der Axel-Springer-Verlag, Stimmung gegen den Klimaschutz zu machen – wofür Empörung über Aktionen der Letzten Generation geschürt wird. Umso besser, wenn dabei engagierte Lehrkräfte mit in den Dreck gezogen werden können. „Klima-Extremisten wollen unsere Kinder rekrutieren! Politik und Lehrerverband warnen vor der neuen Taktik“, so titelte „Bild“ unlängst.

Hintergrund: „Bild“ und „Welt“ behaupteten, dass die Letzte Generation mithilfe des Vereins Teachers for Future Vorträge in Schulen halten wolle, um Kinder und Jugendliche zu strafbaren Protestformen zu animieren – was die genannten Lehrkräfte umgehend dementierten. Allenfalls zu Diskussionsrunden, in denen die Methoden der Letzten Generation kritisch beleuchtet würden, seien Vertreterinnen und Vertreter eingeladen worden, hieß es. „Wir verurteilen diese Kampagne der Springerpresse aufs Schärfste“, so schreiben die Teachers for Future.

Mathias Döpfner wird darüber nur müde lächeln. Wie hatte er in einer seiner Handy-Nachrichten geschrieben? „Ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen.“ News4teachers / mit Material der dpa

„Inzidenz-Starrsinn“: Wie „Bild“ im Vorfeld des Bund-Länder-Gipfels Stimmung für offene Kitas und Schule macht – mit Erfolg

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