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Lehrermangel: Berlins neue Bildungssenatorin setzt auf Autonomie der Schulen bei Einstellungen – GEW: fatal!

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BERLIN. Angesicht des Lehrkräftemangels hat Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) entschieden, dass die Schulen in der Bundeshauptstadt ab sofort neue Lehrkräfte wieder eigenverantwortlich einstellen dürfen. Zuletzt hatte die Schulaufsicht bestimmte Obergrenzen für Einstellungskontingente bei der Neubesetzung von Stellen festgelegt. Bei Neueinstellungen mussten Schulleitungen sich nach den Vorgaben der Verwaltung richten. „Nun gilt bei den Einstellungen wieder das Prinzip der autonomen Schule“, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Die GEW hält den Schritt für fatal.

Was nützt die Freiheit, Lehrkräfte selbst einstellen zu können – wenn es keine Lehrkräfte gibt? Foto: Shutterstock

Laut einem Schreiben der Senatorin an die Schulleitungen dürfen alle Schulen wieder bis zu 100 Prozent an Einstellungen vornehmen. Zuvor war nur eine Einstellung bis 96,3 Prozent möglich – mit  dem Ziel, die Bewerberinnen und Bewerber gleichmäßiger zu verteilen. Viele Stellenangebote vor allem in den Bezirken Neukölln, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Spandau waren zuvor abgelehnt worden.

Günther-Wünsch schreibt: „Angesichts des deutschlandweit anhaltenden Fachkräftemangels werden auch die Rahmenbedingungen, unter denen wir gemeinsam das kommende Schuljahr vorbereiten müssen, einmal mehr herausfordernd. Denn wir alle wissen: Eine schnelle und einfache Lösung für den jahrelang gewachsenen, strukturellen Lehrkräftemangel gibt es nicht, und viele Maßnahmen brauchen Zeit, um ihre volle Wirkung zu entfalten.“

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„Vor allem an Schulen in nicht nachgefragten Bezirken werden ausgebildete Lehrkräfte versuchen, in vermeintlich besseren Schulen und Bezirken unterzukommen”

Allerdings sei die Mangelsituation an den Schulen unterschiedlich ausgeprägt. „Vor dem Hintergrund ist es mir ein besonderes Anliegen, Ihnen Instrumente an die Hand zu geben, mit denen Sie möglichst passgenau der Situation an Ihrer Schule begegnen können“, erklärt sie. Und weiter: „Deshalb habe ich entschieden, ab sofort auf eine Steuerung im Rahmen der Einstellungskontingente zu verzichten. Das bedeutet, dass Sie auf Grundlage der Verwaltungsvorschriften für die Zumessung von Lehrkräften an öffentlichen Berliner Schulen pädagogisches Personal an Ihren Schulen einstellen können.“

Heißt konkret: „In Vorbereitung des Schuljahres 2023/24 wird es möglich sein, im
Zuge struktureller Umwandlungen nunmehr auch Logopäden, Ergotherapeuten,
Musiktherapeuten, Lerntherapeuten und pädagogische Assistenzen einzustellen. Daneben arbeiten wir derzeit intensiv daran, die Möglichkeiten der Personalkostenbudgetierung zu optimieren und vorbehaltlich der Herstellung der haushälterischen Voraussetzungen insbesondere ab dem Start des Doppelhaushaltes 2024/25 auch auf das weitere pädagogische Personal auszuweiten.“

Die GEW und ihre Vereinigung der Berliner Schulleitungen (VBS) kritisieren die Entscheidung. Damit werde auf die gleichmäßige Steuerung der Lehrkräfteverteilung auf alle Bezirke verzichtet. „Die plötzliche Kehrtwende stellt zahlreiche Schulen vor erhebliche Probleme. Es ist zu befürchten, dass bereits erfolgte Zusagen einzelner Lehrkräfte nun wieder zurückgezogen werden. Vor allem an Schulen in nicht nachgefragten Bezirken werden ausgebildete Lehrkräfte versuchen, in vermeintlich besseren Schulen und Bezirken unterzukommen. Die Schulleitungen an den betroffenen Schulen stehen dann vor der schier ausweglosen Situation, überhaupt einen geordneten Schulbetrieb im nächsten Schuljahr vorzubereiten“, kritisiert Nuri Kiefer, Vorsitzender der Berliner Schulleitungen in der Berliner GEW, und spricht von „fatalen Folgen der Entscheidung“.

„Es muss alles dafür getan werden, insbesondere die Schulen, die mit großen Herausforderungen konfrontiert sind, zu unterstützen“

„Wenn an den Schulen in sogenannten sozialen Brennpunkten die ausgebildeten Bewerber*innen wieder abspringen, wird die Schere zwischen sehr gut und sehr schlecht ausgestatteten Schulen weiter auseinandergehen. Dadurch wird die Bildungsbenachteiligung weiter verstärkt. Viele Schüler*innen werden im kommenden Schuljahr noch schlechtere Lernbedingungen vorfinden“, betont Karin Petzold, Leiterin des Vorstandbereiches Schule der GEW in der Bundeshauptstadt. „Es muss alles dafür getan werden, insbesondere die Schulen, die mit großen Herausforderungen konfrontiert sind, zu unterstützen. Dazu gehört auch, dort prioritär Verwaltungsleitungen und Assistent*innen einzustellen, um die dort arbeitenden Pädagog*innen zu entlasten“, fordert Petzold.

Die GEW und die VBS fordern die Senatsbildungsverwaltung dazu auf, gemeinsam zügig an einem Personalsteuerungskonzept zu arbeiten. „Wir brauchen in allen Bezirken und an allen Schulen gut ausgebildete Lehrkräfte“, unterstreicht Kiefer. Außerdem müssten die Betroffenen bei solchen Veränderungen beteiligt und frühzeitig informiert werden.

Günther-Wünsch verweist unterdessen auf die Dimension des Problems. Sie schreibt: „Unter dem Lehrkräftemangel leiden alle – Schulleiterinnen und Schulleiter, Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern. Die Folgewirkungen für Handwerk und Unternehmen, Wirtschaft und Verwaltung, Wissenschaft und Verbände oder auch Ehrenamt wiederum gehen weiter über den Bildungsbereich hinaus. Was über viele Jahre als Problem entstanden ist, wird nicht über Nacht korrigiert werden können. Aber Sie haben in mir eine Senatorin, die fest gewillt ist, die richtigen Prioritäten zu setzen und anzupacken. Dabei setze ich auch auf Ihr herausragendes Engagement, Ihre praxisnahen Vorschläge und ein
konstruktives gemeinsames Vorgehen.“ News4teachers

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