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Wie sinnvoll ist es, bei Lehrkräftemangel für kleinere Klassen zu streiken?

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BERLIN. Die GEW ruft zum Warnstreik an Berlins Schulen auf – mal wieder. Drei Tage lang fällt Unterricht aus, Prüfungen werden verschoben. Gefordert werden kleinere Klassen. Dass sich nach dem Ausstand dabei schnell etwas zum Guten ändert, ist allerdings kaum zu erwarten. Denn der Arbeitsmarkt hält keine unbeschäftigen Lehrkräfte parat. Deshalb rumort es auch in den Kollegien.

Viel Getöse – nichts dahinter? Foto: Shutterstock

In dem seit zwei Jahren schwelenden Konflikt um kleinere Klassen an Berlins Schulen verschärft die Gewerkschaft GEW ihre Gangart. Ab Dienstag ruft sie Lehrkräfte, Sozialpädagogen und Schulpsychologen erstmals zu einem dreitägigen Warnstreik auf – ähnliche Arbeitsniederlegungen in der Vergangenheit, der «Tagesspiegel» zählt bereits 13, dauerten einen oder zuletzt zwei Tage. Folge der neuerlichen Proteste ist Unterrichtsausfall an vielen Schulen. Zudem fallen Prüfungen aus.

Die GEW will das zahlenmäßige Verhältnis von Schülern zu Lehrkräften und damit die Klassengröße an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in einem «Tarifvertrag Gesundheitsschutz» verbindlich regeln. Im Juni 2021, also vor zwei Jahren, stellte sie die Forderung erstmals auf und ruft seither immer wieder zu Warnstreiks auf, um ihr Anliegen zu bekräftigen. «Mit einem Tarifvertrag hätten wir ein wirksames Instrument für eine nachhaltige Verbesserung der Personalsituation», erklärte der GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann.

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Senat lehnt Forderungen ab

Der neue schwarz-rote Senat sieht indes ebenso wie der alte rot-grün-rote keine Möglichkeit für die von der Gewerkschaft GEW geforderte tarifliche Regelung. Er verweist auf den aktuellen Lehrermangel und vor allem darauf, dass Berlin – wie alle anderen Bundesländer außer Hessen – der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) angehört. Ohne deren Zustimmung könne Berlin keine Tarifverhandlungen über die Klassengröße aufnehmen, und die TdL lehne solche Verhandlungen ab. Ein Berliner Alleingang sei nicht möglich, ohne den Rausschmiss aus der TdL zu riskieren.

Die GEW lässt dieses Argument nicht gelten. «Das ist nicht schlüssig», sagte Geschäftsführer Markus Hanisch am Montag. «Das Land Berlin kann handeln und hat das an anderer Stelle auch schon getan», sagte er und verwies zum Beispiel auf die sogenannte Berlin-Zulage, die Beschäftigte im Landesdienst bekommen. Bei der TdL habe Berlin das Anliegen überhaupt noch nicht vorgebracht.

Unterricht und Prüfungen fallen aus

Der Warnstreik hat Folgen für den Schulbetrieb. Wie heftig sie sind, hängt nicht zuletzt von der Streikbeteiligung ab. In Berlin gibt es rund 34.000 Lehrerinnen und Lehrer. Viele davon sind Angestellte und dürfen – anders als Beamte – streiken. An den bisherigen Warnstreiks beteiligten sich laut GEW zuletzt jeweils zwischen 2500 und 4000 Lehrkräfte. Von Dienstag bis Donnerstag rechnet sie Hanisch zufolge mit ähnlicher Resonanz.

Manche Schulen kündigten nach Angaben von Eltern an, an Streiktagen komplett zu schließen. In anderen wird durch eine Umorganisation Unterricht sichergestellt. Etliche Schulen bieten eine Notbetreuung der Schüler an.

«Wir gehen davon aus, dass der Unterricht weitgehend stattfinden wird und es gegebenenfalls eine Notbetreuung der Schülerinnen und Schüler gibt», sagte ein Sprecher der Bildungsverwaltung dazu. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit. «Sollte Ihr Kind an diesen drei Tagen zu Hause bleiben, werden diese nicht als Fehltage gewertet», heißt es in einem Brief einer Grundschule in Friedrichshain an die Eltern.

Kritik am Termin des Warnstreiks

Für Kritik sorgt, dass die GEW zu dem Ausstand in der Prüfungszeit aufruft. «Wir finden problematisch, dass der Warnstreik an Prüfungstagen stattfindet. Das ist unsolidarisch», sagte der Sprecher des Landesschülerausschusses, Paul Seidel. Für Schülerinnen und Schüler sei es schwierig, wenn mündliche Abiturprüfungen verschoben oder von anderen Lehrkräften als geplant abgenommen würden.

Das Anliegen des Warnstreiks unterstützt der Landesschülerausschuss indes. «Es ist richtig, dass für gute Bildung auch gestreikt wird», sagte Seidel. «Die Lehrkräfte machen das nicht nur für sich, sondern auch für die Schülerinnen und Schüler.»

Zum Thema Prüfungen hatte sich die GEW schon vor einigen Tagen geäußert. Man habe bei der Ansetzung des Warnstreiks versucht, möglichst wenig zentrale Prüfungstermine zu beeinträchtigen. Dezentrale Prüfungstermine ließen sich verschieben.

Unterstützung für GEW-Forderung

Der Landeselternausschuss stellt sich hinter die GEW-Forderung und den Warnstreik. «Wir sehen im Moment keinen anderen Weg», sagte der Vorsitzende Norman Heise. «Die Politik hat das Thema verschlafen.» Aus Sicht Heises hätte sie längst das Schulgesetz ändern oder andere Regelungen für kleinere Klassen finden können.

Die oppositionelle Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus unterstützt die Forderung der GEW nach kleineren Klassen ebenfalls. «Uns ist zugleich bewusst, dass dieses Vorhaben unter den aktuellen Bedingungen des Lehrkräfte- und Schulplatzmangels nicht sofort umsetzbar ist», erklärte die Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch. Gleichwohl arbeiteten viele Lehrkräfte an der Belastungsgrenze und brauchten rasch konkrete Entlastung. Maßnahmen dazu wolle die Fraktion nun erarbeiten.

… und Ablehnung

Wie der Berliner «Tagesspiegel» berichtet, haben auch etliche GEW-Mitglieder Zweifel am Kurs der Gewerkschaft. Aus zwei Gründen: Der bundesweite Lehrkräftemangel lässt eine  personalintensive Klassenverkleinerung utopisch erscheinen. Auch das Argument des Senats, die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) könne Berlin aufgrund der geforderten Sondervereinbarung hinauswerfen, verfängt. Der Berliner Lehrerverband erinnert daran, dass die Berliner Tarifbeschäftigten mit dem Rauswurf aus der TdL bereits einmal «bittere Erfahrungen gesammelt» hätten. Sie seien dann von der Einkommensentwicklung der anderen Bundesländer abgekoppelt worden und hätten «deutlich weniger Entgelt» gehabt, mahnte Verbandssprecher Ferdinand Horbat dem Bericht zufolge. News4teachers / mit Material der dpa

GEW gibt nicht auf: Über 3.000 Schulbeschäftigte streiken für kleinere Klassen

 

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