BOCA RATON. Die Gesellschaft wird grundsätzlich toleranter, aber kommen Botschaften von Körperakzeptanz und Toleranz bei Jugendlichen an? Was viele ahnen, bestätigt jetzt eine Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Florida Atlantic University. Überraschend: Die Mechanismen gelten für Jungen und Mädchen gleichermaßen.
Schülerinnen und Schüler, die nicht attraktiv sind, ebenso wie unsportliche Jugendliche, werden im Laufe des Schuljahres immer unbeliebter. Die zunehmende Marginalisierung wiederum führt zu mehr Einsamkeit und Alkoholmissbrauch. So lautet das Kernergebnis einer aktuellen Studie der Florida Atlantic University, an der 580 Mittelschüler im Alter zwischen 10 und 13 Jahren teilgenommen hatten. Vereinfacht gesagt, so die Autorinnen und Autoren, bestrafe die Peergruppe diejenigen, die keine angesehenen Eigenschaften wie gutes Aussehen oder Sportlichkeit aufweisen.
“Kinder, denen es an den von Gleichaltrigen geschätzten Eigenschaften mangelt, leiden unter einer Vielzahl von Anpassungsschwierigkeiten, von denen viele auf ihre sich verschlechternde Stellung in der Gruppe zurückzuführen sind”, so Psychologieprofessor Brett Laursen, leitender Autor der Untersuchung. Wachsende Unbeliebtheit sei der Schlüssel zum Verständnis, warum unattraktive und unsportliche Jugendliche Verhaltensprobleme entwickelten. „Von denjenigen, die im Laufe des Schuljahres begannen, sich zu berauschen, waren fast zwei Drittel überdurchschnittlich unbeliebt“, stellt Laursen fest.
Die Gefahren, die mit stigmatisierten Eigenschaften verbunden sind, waren für Jungen und Mädchen vergleichbar
Nicht bestätigen konnte die Studie Stereotype über geschlechtsspezifische Unterschiede bei Merkmalen, die für den Erfolg bei Gleichaltrigen wichtig sind. Jahrzehntelang seien Expertinnen und Experten davon ausgegangen, dass es für Jungen besonders problematisch sei, nicht sportlich zu sein, und dass für Mädchen besonders geringe Attraktivität problematisch sei.
Die Befragungsergebnisse zeigten aber, dass sich die soziale Kultur unter den Jugendlichen dahingehend gewandelt habe, dass die sozialen Sanktionen, die mit geringer Attraktivität oder geringer Sportlichkeit verbunden sind, nicht mehr geschlechtsspezifisch sind. Jungen und Mädchen unterschieden sich auch nicht in dem Ausmaß, in dem Unbeliebtheit und Anpassungsprobleme aus geringer Attraktivität und Unsportlichkeit resultierten. Mit zunehmender Unbeliebtheit nehmen auch die Probleme zu.
“Kinder, die nicht attraktiv sind, und Kinder, die nicht sportlich sind, werden mit der Zeit immer unbeliebter, was darauf hindeutet, dass sie die ‚Demütigungen der Machtlosigkeit‘ ertragen müssen, um in der Gruppe der Gleichaltrigen zu bleiben, eine Position, die sich schließlich auf das individuelle Wohlbefinden auswirkt”, formuliert Studienerstautorin Mary Page James. Unattraktiv zu sein, schade der Beliebtheit von Jungen ebenso wie der von Mädchen und unsportlich zu sein, trage bei Mädchen ebenso wie bei Jungen wesentlich zur geringen Beliebtheit bei. „Trotz der weitverbreiteten öffentlichen Botschaften über Körperakzeptanz ist die soziale Welt der Jugendlichen oft immer noch ziemlich unversöhnlich”, so die Psychologin.
An der Studie nahmen 580 Mittelschülerinnen und Mittelschüler im Alter zwischen 10 und 13 Jahren teil. Die Teilnehmer wurden gebeten, Klassenkameraden zu benennen, die am besten den folgenden Beschreibungen entsprechen: sportlich (“gut im Sport”), attraktiv (“wirklich gut aussehend”) und unbeliebt (“unbeliebt”). Außerdem gaben sie an, wie oft sie sich einsam fühlten und wie oft sie im letzten Monat Alkohol bis zum Rausch getrunken hatten.
Als eine Stärke ihrer Studie betrachten die Autorinnen und Autoren im Übrigen deren Replizierbarkeit. So habe sich das gleiche Muster von Assoziationen gezeigt, sowohl bei einer heterogenen Stichprobe von Jugendlichen aus einem großen Ballungsgebiet in Florida als auch bei einer homogenen Stichprobe von Jugendlichen aus einer kleinen Gemeinde in Litauen. (zab, pm)
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