MÖNCHENGLADBACH. Haben die beiden wegen des Tods der diabeteskranken Schülerin Emily auf Studienfahrt angeklagten Lehrerinnen tagelang Hinweise von Mitschülern ignoriert, dass es dem Mädchen zunehmend schlecht gehe? Vor dem Landgericht Mönchengladbach stehen Aussagen gegen Aussagen.
Eine der beiden Lehrerinnen, die sich wegen des Tods der damals 13-jährigen Emily während einer Studienfahrt in London vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten müssen, hat – nach zunächst einer nur knappen Erklärung – eine umfassende Aussage angekündigt und dabei Einblicke in ihre Gefühlswelt gegeben. „Das war das Schlimmste, was ich je miterlebt habe. Ich werde die Bilder nie vergessen“, sagte die 34-Jährige laut einem Bericht der „Rheinischen Post“. Sie wolle eine umfassende Aussage machen und sich äußern, kündigte sie für die nächsten Prozesstage an.
Sie sei seit dem Tod Emilys „am Boden zerstört“ und habe psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen. „Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an diese Fahrt denke. Ich weiß nicht, wie ich den Beruf noch ausüben kann.“ An den Vater Emilys gewandt, der als Nebenkläger als Prozess verfolgt, sagt sie: „Es tut mir unfassbar leid, dass Emily verstorben ist.“
Statt einer Einlassung zur Sache hatten die Lehrerinnen am ersten Prozesstag lediglich vorgefertigte Erklärungen abgelesen. Dabei sprachen sie weder den Namen der Verstorbenen aus, noch zeigten sie Reue oder entschuldigten sich. Der Vorsitzende Richter kritisierte die Stellungnahmen als „seltsam“. Er betonte: „Als Lehrer würde ich sagen: „Thema verfehlt.“ Eine Staatsanwältin bemängelt darüber hinaus, dass ein Satz bislang nicht gefallen sei: „Unter meiner Aufsicht ist ein Kind ums Leben gekommen.“ Die 34-Jährige entschuldigte ihre Erklärung nun mit dem Ratschlag ihres Verteidigers, bei ihrer Aussage keine Gefühle zu zeigen. Dies könne als Anmaßung den Eltern gegenüber verstanden werden, habe er erklärt.
Nach übereinstimmender Aussage der damals 13- bis 14-jährigen Mitschüler wurde den beiden angeklagten Lehrerinnen, neben der 34-Jährigen eine heute 60 Jahre alte Pädagogin, bereits am Abend der Anreise die erste Information über Emilys Zustand herangetragen – und in den folgenden Tagen seien immer wieder Hinweise über deren deutliche Verschlechterung gegeben worden. „Ohne Resonanz“, sagte eine heute 19-Jährige vor Gericht aus, wie die „Rheinische Post“ berichtet. Stattdessen sei eine Mitschülerin angewiesen worden, mit Emily auf dem Zimmer zu bleiben, während die Lehrer die übrigen Schüler auf Ausflüge begleitet hätten.
„Es ist traurig, dass man uns vorwirft, uns nicht um Emily gekümmert zu haben“
Zum Informationsverhalten der Schüler berichten beide Lehrerinnen übereinstimmend, dass es auf der Fahrt lediglich eine Mitteilung von zwei Schülerinnen gegeben habe, dass ihnen „übel vom chinesischen Essen“ sei. Eine davon sei Emily gewesen, sie hätte dann mit einer zweiten Schülerin auf dem Zimmer bleiben dürfen. Bei abendlichen Zimmerkontrollen um 21 und 23 Uhr sei den vier mitreisenden Lehrern jedoch nichts aufgefallen, was auf eine Erkrankung hingedeutet hätte. Weitere Meldungen der Schüler über den Zustand Emilys habe es nicht gegeben. Warum die Aussagen der Schüler so abweichen, kann sich die 60-jährige Pädagogin nicht erklären: „Es ist traurig, dass man uns vorwirft, uns nicht um Emily gekümmert zu haben.“
Die Staatsanwaltschaft klagt die zwei Lehrerinnen wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen an. Sie sollen sich laut Anklage über die Diabeteserkrankung der Schülerin nicht ausreichend informiert, während der mehrtägigen Studienfahrt Symptome einer akuten Überzuckerung nicht rechtzeitig erkannt und aufgrund dessen eine ärztliche Behandlung zu spät veranlasst haben. Im Fall eines Schuldspruchs reicht das Strafmaß bei fahrlässiger Tötung von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft.
Um die juristische Aufarbeitung des komplexen Verfahrens wird seit Jahren gerungen. Der Vater des Mädchens setzte mehrfach eine Wiederaufnahme durch. Die Ermittlungen gegen zunächst vier Lehrkräfte waren von der Staatsanwaltschaft im März 2021 eingestellt, aber nach einer Intervention des Vaters wieder aufgenommen worden. News4teachers
