BERLIN. Bund und Länder haben sich auf Eckpunkte zum Digitalpakt 2.0 geeinigt – nach einem praktisch zweijährigen Stillstand bei den Verhandlungen. Dies bestätigte KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot. „Mit dieser Einigung haben wir einen wichtigen Verhandlungserfolg erzielt – im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen. Sie profitieren von besseren Rahmenbedingungen für das Lehren und Lernen in der digitalen Welt“, so schreibt sie auf Linkedin. Wie die Sozialdemokratin durchblicken ließ, wurde die Übereinkunft, die noch in dieser Woche beim Treffen der Bildungsminister formell besiegelt werden soll, durch das Ausscheiden der FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger aus dem Amt der Bundesbildungsministerin möglich.
„Die Einigung auf eine Absichtserklärung zum Digitalpakt 2.0 war dringend notwendig. Der Digitalpakt 2.0 wird zweifelsohne ein zentraler Baustein sein, um die digitale Transformation in unseren Schulen in Zeiten des Wandels zu gestalten, aber auch nicht der einzige“, so Streichert-Clivot. „Ich freue mich, dass wir durch konstruktive und ergebnisorientierte Gespräche – insbesondere nach dem Wechsel der Spitze im Bundesministerium für Bildung und Forschung – zu einem gemeinsamen guten Ergebnis gekommen sind.“
„Wer die Technologien der Zukunft nicht beherrscht, wird von ihnen beherrscht“
Hintergrund: Stark-Watzinger, stellvertretende Vorsitzende der FDP, hatte in zwei Jahren Verhandlungen keinerlei Kompromissbereitschaft gegenüber den Ländern erkennen lassen und auf einseitig formulierte Maximalforderungen (wie eine Fortbildungsverpflichtung für Lehrkräfte) gepocht. Mit der Berufung des Grünen-Politikers Cem Özdemir zum Kurzzeit-Bildungsminister änderte sich das Gesprächsklima schlagartig. „Ich bin dankbar, dass ich mich mit meinen Verhandlern aus den Ländern auf Eckpunkte für den Digitalpakt 2.0 einigen konnte“, so machte Özdemir dann in einer Rede am Wochenende auf dem Parteitag der baden-württembergischen Grünen in Reutlingen die Einigung öffentlich. „Unser Anspruch“, so Özdemir, „muss nicht weniger als der mündige digitale Bürger sein, denn, wer die Technologien der Zukunft nicht beherrscht, wird von ihnen beherrscht.“
„Die nun vorliegende Absichtserklärung von Bund und Ländern ist ein starkes Signal“, so meint nun Streichert-Clivot. „Sie ist eine gute Beratungsgrundlage für die kommende Bildungsministerkonferenz in Berlin. Sie unterstreicht die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern für die Schulen, Schulgemeinschaften und Schulträger. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir uns auf klare Kompromisslinien einigen konnten – insbesondere bei den Finanzierungsanteilen und Anrechnungen.“
Und weiter: „Ein Schwerpunkt liegt dabei auf dem ersten Handlungsstrang, der die Investitionen in die Infrastruktur betrifft. Gleichzeitig bleibt die föderale Kompetenzordnung gewahrt. Der Bund verzichtet auf die verpflichtende Festschreibung von Lehrerfortbildungen und erkennt die vielfältigen Maßnahmen der Länder zur Schul- und Unterrichtsentwicklung an. Das ist ein wichtiger Schritt, der die föderale Bildungspolitik stärkt und die Zuständigkeiten der Länder respektiert. Für den Erfolg des Digitalpakts 2.0 wird es entscheidend sein, die Umsetzung bürokratiearm auszugestalten. Hier ziehen wir wichtige Lehren aus dem ersten Digitalpakt.“
Dem Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda liegt die Übereinkunft vor. Er nennt in seinem Blog als wesentliche Punkte:
- Der Bund finanziert 2,5 Milliarden Euro über eine Laufzeit von sechs Jahren bis 2030. Die Länder sollen – offiziell – den gleichen Betrag drauflegen, so dass von einem Gesamtvolumen von fünf Milliarden Euro die Rede ist.
- Ein Großteil der Länderfinanzierung soll allerdings über eine Anrechnung bereits laufender und geplanter Ländermaßnahmen auf die Ziele des Digitalpakts 2.0 eingebracht werden. Daraus ergibt sich laut Wiarda bei den zusätzlichen Mitteln über die ganze Laufzeit „eher ein 20 zu 80“ als Verhältnis der Anteile von Ländern und Bund.
- Die Mittel werden nach dem Königssteiner Schlüssel – nicht nach Bedarf – an die Bundesländer verteilt.
- Ein vorzeitiger Maßnahmebeginn zum 1. Januar ist beabsichtigt, was bedeutet: Die Länder können ab dann auf eigenes Risiko in die Vorfinanzierung gehen.
- Die Länder verpflichten sich zu einem weiteren qualitativen und quantitativen Ausbau der Qualifizierungsangebote an Lehrkräfte und Schulleitungen – eine Fortbildungsverpflichtung, wie von Stark-Watzinger gefordert, soll es aber nicht geben.
Die ehemalige Bundesbildungsministerin, die nun über den Wiedereinzug der FDP in den Bundestag (und damit ein Abgeordnetenmandat) zittern muss, schimpft aus dem Hintergrund. Auf der Plattform „X“ kommentiert sie: „Die Einigung zum Digitalpakt 2.0 ist leider eine vertane Chance. Die Länder steuern kaum frisches Geld bei, verpflichtende Lehrerfortbildungen wurden gestrichen und zentrale Reformen wie die bedarfsorientierte Mittelverteilung bleiben aus. Das ist zu wenig.“ Weiter schreibt die Ex-Ministerin: „Die ICILS-Studie hat doch gezeigt: Über 40 Prozent der Achtklässler scheitern an grundlegenden digitalen Aufgaben. Während die Ausstattung der Schulen besser wird, nehmen die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler ab. Geld zu verteilen ist einfach. Doch es hätte so viel mehr gebraucht. Unsere Schülerinnen und Schüler hätten verdient, dass Bund und Länder mit dem Digitalpakt 2.0 entschlossen gegensteuern. Stattdessen: Minimalkompromiss. Das wird der Größe der Herausforderung nicht gerecht.“
Und: „Zwar ist gut, dass die von mir verhandelten 2,5 Milliarden Euro verwendet werden. Doch es ist bitter, dass nicht mehr geleistet wurde und Reformen ausbleiben. Damit bleibt der Digitalpakt 2.0 hinter seinen Möglichkeiten zurück – und die Defizite in den Klassenzimmern bestehen.“
„Die Erfahrungen der vergangenen Monate, ja Jahre, haben gezeigt, dass guter Wille allein noch keinen Abschluss bedeutet“
Bleibt ein Vorbehalt: Die künftige Bundesregierung muss der Vereinbarung zustimmen und sie im Haushalt mit Mitteln unterlegen. Der Philologenverband gibt sich deshalb auch noch zurückhaltend. „Die Erfahrungen der vergangenen Monate, ja Jahre, haben gezeigt, dass guter Wille allein noch keinen Abschluss bedeutet“, erklärt die Bundesvorsitzende Prof. Susanne Lin-Klitzing. Das mag stimmen (auch wenn man durchaus unterstellen kann, dass es gerade an gutem Willen ja bislang gemangelt hat – zumindest auf Seiten Stark-Watzingers, wie News4teachers berichtete).
Wichtig allerdings: An der Einigung über die Eckpunkte war die Schleswig-Holsteinische Bildungsministerin Karin Prien maßgeblich beteiligt. Sie ist Sprecherin der unionsgeführten Kultusministerien – und stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU. News4teachers