DÜSSELDORF. Eine neue Pilotstudie der Vodafone Stiftung Deutschland in Zusammenarbeit mit der OECD zeigt, wie digitale Technologien das Lernen von Schülerinnen und Schülern beeinflussen und fördern können – vorausgesetzt, sie werden im Unterricht gezielt und kompetent eingesetzt. Regelmäßige Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in unterschiedlichen Fächern verbessert demnach die Ergebnisse bei digitalen Kompetenztests. Grundsätzlich halten 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler digitale Technologien für hilfreich beim Lernen. Manchmal stören sie aber auch.
„In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz und Digitalisierung auf dem Vormarsch sind, dienen digitale Hilfsmittel als Wissensbeschleuniger: Sie haben das Potential, Schüler:innen schneller voranzubringen, können aber auch das Gegenteil bewirken. Laut unserer aktuellen PISA-Studie sind fast ein Drittel aller Schüler:innen in deutschen Klassenzimmern durch digitale Medien abgelenkt. Wir wissen aber auch, dass digitale Technologien, wenn sie richtig eingesetzt werden, das individuelle Lernen fördern und es attraktiver und ansprechender gestalten können“, sagt Andreas Schleicher, Direktor für Bildung und Kompetenzen bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Er betont: „Unser Bericht wirft ein neues Licht auf das Potential digitaler Medien und wie die Digitalisierung das Lernen in deutschen Schulen positiv beeinflussen kann.“
In der Studie, die das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) in Kooperation mit der OECD durchführte, wurden Schülerinnen und Schüler mit Aufgaben der PISA-2025-Prototypen zum „Lernen in der digitalen Welt“ (LDW) konfrontiert. Damit sollen die Fähigkeiten der Schüler:innen beim Computational Thinking und die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen mit digitalen Werkzeugen zu erfassen.
Die insgesamt sechs Prototyp-Einheiten enthalten interaktive, 30-minütige Aufgaben, bei denen die Schülerinnen und Schüler lernen, ein digitales Werkzeug zu verwenden, um Programmier- und naturwissenschaftliche Probleme zu lösen. Ergebnis: Schülerinnen und Schüler, die regelmäßig digitale Technologien im Unterricht nutzen, erzielen bis zu 15 Prozent höhere Punktzahlen in den LDW-Aufgaben.
Weitere Ergebnisse:
- Die Integration von IKT ist besonders in den naturwissenschaftlichen Disziplinen und der Mathematik vorherrschend, wobei 46 bis 52 Prozent der Befragten angeben, dass ihre Lehrkräfte in diesen Fächern häufig IKT einsetzen, d. h. „in jeder Stunde“ oder „in den meisten Stunden“.
- Traditionelle Aktivitäten wie das Recherchieren von Informationen im Internet und die Erstellung von Dokumenten sind immer noch die deutlich häufigste Art der IKT-Nutzung, während kreative Problemlösungen wie Programmieren oder die Erstellung von Websites weiterhin nur eine geringe Rolle spielen.
- Gymnasiastinnen und Gymnasiasten werden im Unterricht signifikant öfter mit IKT konfrontiert als Jugendliche an anderen Schulformen: Während 57 Prozent der Gymnasiast:innen von einer häufigen Nutzung digitaler Technologien im Mathematikunterricht berichten, trifft dies auf weniger als 40 Prozent der Schüler:innen anderer Schulformen zu.
- Ein erheblicher Unterschied zeigt sich auch bei der regelmäßigen Nutzung von IKT in den Naturwissenschaften: Nur 42 Prozent der Nicht-Gymnasiast:innen nutzen digitale Technologie „in jeder Stunde“ oder „in den meisten Stunden“, im Gegensatz zu 62 Prozent der Gymnasiast:innen.
- Schülerinnen und Schüler berichten, dass Lehrkräfte ihre Klasse oft eigenständig mit digitalen Ressourcen arbeiten lassen. Dies geschieht „häufig“ bei 42 Prozent und „manchmal“ bei weiteren 41 Prozent der Befragten. Nur ein Viertel der Schülerinnen und Schüler erlebt, dass Lehrkräfte regelmäßig eingreifen, während sie mit IKT arbeiten, indem sie durch das Klassenzimmer gehen und Feedback geben.
- Lehrkräfte tendieren eher dazu, individuelle inhaltliche Unterstützung zu leisten (bei 20 Prozent der Schüler:innen häufig), als technische Unterstützung zu bieten (bei 13 Prozent häufig). Etwa die Hälfte der Schüler:innen (51 Prozent) gibt an, dass Lehrkräfte häufig mit der gesamten Klasse die Ergebnisse der Aktivitäten reflektieren. Seltener sind individuelle Nachbesprechungen durch Lehrkräfte.
- Insbesondere in den Naturwissenschaften führte eine von den Schülerinnen und Schülern wahrgenommene höhere Kompetenz der Lehrkräfte in IKT zu besseren Ergebnissen.
- Die Mehrheit der Schüler:innen äußert sich positiv über den Nutzen von IKT für ihre Schulaufgaben, wobei mehr als 70 Prozent bestätigen, dass IKT ihnen hilft, komplexere Konzepte zu verstehen und das Lernen interessanter zu gestalten. Ein bedeutender An teil (67 Prozent) stimmt auch zu, dass IKT die Wissensretention, also die Vertiefung, unterstützt.
- Obwohl negative Einstellungen zur IKT-Nutzung im Lernen bei den Befragten weniger verbreitet sind, ist anzumerken, dass etwa die Hälfte der Schüler:innen der Ansicht ist, dass Technologie gelegentlich mehr Probleme als Vorteile bringen kann. „Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Technologie die Aufmerksamkeit der gesamten Klasse stören oder aufgrund technischer Schwierigkeiten die Nutzung von IKT im Schulalltag zu einer frustrierenden Erfahrung machen kann“, so heißt es.
- Jungen sind zuversichtlicher in ihrer Fähigkeit, IKT zu nutzen und technologische Empfehlungen an andere auszusprechen, sowie in ihrer Fähigkeit, fortgeschrittenere Aktivitäten mit IKT durchzuführen – wie z. B. Programmieren oder Erstellen von Websites und Datenbanken.
- Andererseits fühlen sich Mädchen etwas sicherer beim Umgang sowie bei der Erstellung und Verarbeitung von digitalen Informationen in sozialen Medien: Zum Beispiel geben über 90 Prozent der Mädchen an, dass sie Fotos und andere digitale Medien bearbeiten können.
„Besonders die gezielte Weiterbildung von Lehrkräften jenseits des Faches Informatik und die kreative Einbettung in den normalen Fachunterricht sind entscheidend“
Die Erkenntnisse zu Jungen und Mädchen stehen im Einklang mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Nutzung digitaler Technologien zu Hause: Außerhalb der Schule geben mehr Mädchen als Jungen an, häufig IKT zu nutzen, um online zu lesen, Videos anzuschauen oder Recherchen durchzuführen. Umgekehrt nutzen Jungen häufiger IKT, um Simulationen durchzuführen, Modelle zu erstellen, zu programmieren sowie Daten zu sammeln und zu analysieren.
„Die Ergebnisse zeigen, dass digitale Technologien strategisch in den Schulalltag integriert werden müssen, um ihr volles Potenzial zu entfalten. Unsere Daten bestätigen, dass digitale Bildung ein Gamechanger sein kann – vorausgesetzt, sie wird gut umgesetzt. Das ist derzeit allerdings noch zu wenig der Fall. Besonders die gezielte Weiterbildung von Lehrkräften jenseits des Faches Informatik und die kreative Einbettung in den normalen Fachunterricht sind entscheidend“, meint Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung. News4teachers
Hier lässt sich die Studie herunterladen.
