BERLIN. Heute beginnen in Berlin die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD zur Bildung einer Koalition – und eine der führenden Ökonominnen in Deutschland, die Wirtschaftsweise Prof. Ulrike Malmendier, fordert von der künftigen Bundesregierung, stärker und verlässlich in Bildung zu investieren. „Wenn wir nicht endlich unsere Hausaufgaben machen, droht weitaus Schlimmeres als noch ein Jahr wirtschaftliche Stagnation“, sagt sie. Gut, dass bei den Sondierungen wenigstens eine ausgewiesene Bildungspolitikerin mitwirkt.
„Wenn wir nicht endlich unsere Hausaufgaben machen, droht weitaus Schlimmeres als noch ein Jahr wirtschaftliche Stagnation. Dann reden wir über wirtschaftlichen Abstieg“, so erklärt Malmendier mit Blick auf die ökonomischen und sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber dem „Spiegel“.
Und was muss jetzt passieren? Ihre Antwort: „Drei Dinge sind jetzt besonders wichtig. Erstens müssen wir die Wirtschaftsunion der EU nun endlich vollenden. Und ich meine: wirklich vollenden. Wir brauchen einen harmonisierten Binnenmarkt mit einheitlichen Normen und einen echten europäischen Kapitalmarkt. Nur als gemeinsamer großer Markt können die europäischen Länder Anschluss an das Wachstum der USA schaffen. Zweitens braucht es in Deutschland dringend langfristig orientierte Investitionen. Ich denke an einen großen Fonds für Infrastruktur und verbindliche Mindestausgaben für Bildung. Und drittens müssen alle EU-Staaten wesentlich mehr in ihre Verteidigung investieren – und das vor allem zusammen organisieren.“
Die Forderung Malmendiers nach mehr und verlässlicheren Bildungsausgaben fügt sich in das Jahresgutachten des Sachverständigenrats Wirtschaft – den sogenannten Wirtschaftsweisen –, der die jeweiligen Bundesregierungen berät und dem die in der US-Spitzenuniversität Berkeley lehrende Wissenschaftlerin angehört.
«Die Schuldenbremse stellt die notwendige Priorisierung zukunftsorientierter Ausgaben nicht sicher»
«In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten Versäumnisse in der Politik und in der Wirtschaft. Umso wichtiger ist es, die Modernisierung unseres Landes jetzt entschlossen voranzutreiben», sagte Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates, bei der Vorstellung des jüngsten Gutachtens. Der Staat müsse mehr investieren in wichtige Zukunftsvorhaben. Bisher seien in Deutschland öffentliche Ausgaben für Verkehrsinfrastruktur, Bildung und Verteidigung zu gering. «In allen drei Bereichen besteht ein hoher Nachholbedarf.»
Um den zu decken, müsse zunächst die Schuldenbremse gelockert werden. «Die Schuldenbremse zielt darauf ab, die Belastung zukünftiger Generationen durch eine zu hohe Staatsverschuldung zu verhindern. Zukünftige Generationen können jedoch ebenso durch zu niedrige zukunftsorientierte Ausgaben und unzureichende Instandhaltung der Infrastruktur belastet werden», erläuterte Sachverständigenrats-Mitglied Prof. Achim Truger. «Die Schuldenbremse stellt die notwendige Priorisierung zukunftsorientierter Ausgaben nicht sicher. Die Politik muss durch institutionelle Regeln dazu verpflichtet werden, ausreichende Mittel für zukunftsorientierte Ausgaben einzusetzen.»
Dass in Deutschland die zukunftsorientierten öffentlichen Ausgaben für Verkehrs-infrastruktur, Bildung und Verteidigung zu gering ausfallen, hat laut Sachverständigenrat System: Ursache ist demnach, dass die Politik tendenziell Maßnahmen und Ausgaben bevorzugt, die der derzeitigen Wählerschaft zugutekommen.
«Ein sinnvoller Indikator in der Bildung könnte beispielsweise ausgehend von Mindestausgaben pro Schülerin und Schüler definiert werden»
«Dagegen werden zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben, deren Nutzen erst langfristig eintritt, eher vernachlässigt. Institutionelle Vorkehrungen mit Bindungswirkung sollten absichern, dass ausreichende Mittel für zusätzliche investive Ausgaben aufgewendet werden, und zwar unabhängig von der konjunkturellen Lage. Diese Bindungswirkung kann über eine gesetzliche Verankerung erreicht werden. Die Ausgestaltung sollte auf die finanziellen Bedarfe, die administrativen Zuständigkeiten und die Anforderungen in den einzelnen Aufgabenfeldern abgestimmt werden», so schreiben die Wirtschaftsforscherinnen und Wirtschaftsforscher in ihrem Gutachten.
Und weiter: «Ein sinnvoller Indikator in der Bildung könnte beispielsweise ausgehend von Mindestausgaben pro Schülerin und Schüler definiert werden. Da diese Ausgaben größtenteils von den Ländern getragen werden, müssten angemessene Quoten auf dieser Ebene implementiert werden. Sie sollten länderspezifisch festgelegt werden, um regionale Unterschiede zu berücksichtigen, eine bundesweite Koordination wäre jedoch sinnvoll.»
Wie gut, dass wenigstens eine ausgewiesene Bildungspolitikerin bei den Sondierungen zwischen CDU/CSU und SPD mit dabei ist: Karin Prien, Bildungsministerin von Schleswig-Holstein und Vize-Vorsitzende der Bundes-CDU. News4teachers
Tschüss Schuldenbremse! Ökonomen (wie Hüther) fordern massive Investitionen in Bildung
