WASHINGTON. Eine Bundesrichterin hat dem Vorhaben der Regierung von US-Präsident Trump, ausländische Studierende von der Eliteuniversität Harvard auszuschließen, vorerst einen Riegel vorgeschoben. Eine von der Richterin verhängte vorläufige einstweilige Verfügung hindert die Regierung daran, der Universität zu verbieten, weiterhin über ein spezielles Bundesprogramm Studierende aus dem Ausland aufzunehmen. Die Empörung über das Vorgehen der US-Regierung ist gleichwohl groß.
Die Universität hatte nur wenige Stunden vor der Entscheidung der Richterin Klage gegen den Schritt der US-Regierung vor einem Bundesgericht eingereicht. Darin warf sie der Regierung von US-Präsident Donald Trump vor, die Hochschule mit einer rechtswidrigen Vergeltungsmaßnahme unter Druck setzen zu wollen. Richterin Allison D. Burroughs kam zu dem Schluss, dass die Eliteuniversität nachgewiesen habe, dass die Anordnung der Regierung einen «unmittelbaren und irreparablen Schaden» für Harvard bedeute. Burroughs hatte nach der Einreichung der Klage sofort eine Anhörung angeordnet.
Die Entscheidung der Richterin dürfte allerdings nur der erste Schritt in einem langen Rechtsstreit sein. Es handelt sich hierbei nicht um ein finales Urteil. Ob sich die Trump-Regierung an die Anordnung hält, gilt nicht nur deshalb als ungewiss. «In anderen Fällen hatte sich die Regierung über Gerichtsentscheidungen hinweggesetzt, selbst über solche des Obersten US-Gerichts. Rechtsexperten warnen deshalb vor einer Aushöhlung der Gewaltenteilung und einer Verfassungskrise in den USA», so schreibt etwa der «Spiegel».
International stößt das Vorgehen der US-Regierung auf scharfe Kritik – auch in Deutschland. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Walter Rosenthal, warf den USA einen «massiven Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit» vor. Das Vorgehen der US-Regierung sei «sehr besorgniserregend«, sagte Rosenthal der Nachrichtenagentur AFP. «Der freie Zugang zu akademischen Institutionen ist Kern des Selbstverständnisses wissenschaftlicher Einrichtungen.»
«Ich hoffe sehr, dass die US-Regierung diese Entscheidung auch wieder rückgängig machen wird, weil sie wirklich fatal ist»
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) nannte die Entscheidung aus Washington fatal. «Das ist vor allem für die junge Generation eine ganz dramatische Entwicklung», sagte Bär in Brüssel am Rande einer Sitzung der EU-Forschungsminister. «Ich hoffe sehr, dass die US-Regierung diese Entscheidung auch wieder rückgängig machen wird, weil sie wirklich fatal ist.» Man sei in Europa jetzt langsam der alleinige Hotspot der Wissenschaftsfreiheit.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sprach von einem «schweren Schlag» und erklärte: «Der uneingeschränkte internationale Austausch gehört zum Wesenskern der Kunstfreiheit und des Fortschritts in Kunst und Kultur. Ohne ihn droht eine geistige Verzwergung, die uns alle ärmer macht.» Die Bundesregierung setze weiter auf Austausch und Diskurs.
Das Auswärtige Amt in Berlin kündigte Gespräche mit den USA darüber an, welche Auswirkungen die angekündigte Abweisung von Ausländern an der Universität auf deutsche Studierende haben werde. Man nehme das als dringende Angelegenheit wahr und werde die Erwartung zum Ausdruck bringen, dass deren Belange und Interessen angemessen berücksichtigt würden, sagte ein Sprecher. In Harvard ist demnach eine dreistellige Anzahl Deutscher eingeschrieben, genauere Zahlen nannte der Sprecher nicht. Zwischen 8.000 und 9.000 Deutsche studieren einer Übersicht des Statistischen Bundesamts zufolge jedes Jahr insgesamt in den USA.
Das US-Heimatschutzministerium hatte am Donnerstag angekündigt, Harvard die Genehmigung für die Aufnahme ausländischer Studierender zu entziehen. Ausländer, die dort eingeschrieben sind, müssten an eine andere Universität wechseln oder verlören ihren Aufenthaltsstatus (News4tachers berichtete). Nach Angaben von Harvard sind an der Universität in Cambridge an der US-Ostküste aktuell rund 6.800 Menschen aus anderen Ländern eingeschrieben.
Der Schritt der US-Regierung hat eine längere Vorgeschichte und ist Teil eines anhaltenden Konflikts zwischen verschiedenen Universitäten und der Regierung von Präsident Donald Trump. Diese begründet ihr Vorgehen mit propalästinensischen Protesten an den Hochschulen. Harvard geht laut Heimatschutzministerium nicht entschieden genug gegen Antisemitismus auf dem Campus vor. Tatsächlich dürfte die Regierung die Proteste gegen Israels Vorgehen im Gaza-Streifen lediglich als Vorwand nutzen, um politisch unliebsame Institutionen unter Druck zu setzen. Insbesondere als links geltende Universitäten geraten zunehmend ins Visier geraten – etwa wegen Programmen zur Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit, die auf den Abbau historischer Benachteiligung von Schwarzen, Frauen und anderen marginalisierten Gruppen abzielen.
«Wir wollen jetzt kämpfen um die internationalen Talente, die nach anderen Standorten suchen als etwa in den USA»
Der Schritt der US-Regierung gegen die weltweit renommierte Universität löste bei Ex-Gesundheitsminister, Harvard-Absolvent und -Gastdozent Karl Lauterbach Kopfschütteln aus. Er sagte der «Rheinischen Post», die Angriffe der Trump-Regierung seien «forschungspolitischer Suizid». «Wenn ausgerechnet die wichtigsten und leistungsstärksten Universitäten absichtlich geschwächt werden, legt man die Axt an bei einem der bedeutendsten Pfeiler für die amerikanische Wirtschaft», fügte der SPD-Politiker hinzu.
Unzählige Unternehmen in den USA profitierten von dem Wissen, das Harvard-Absolventen mitbrächten. «Viele ausländische Harvard-Absolventen bleiben ja in den USA nach dem Studium», sagte Lauterbach, der seit dieser Woche den Forschungsausschuss des Bundestages leitet.
Vor dem Hintergrund der Ereignisse wird in Deutschland nun verstärkt über die mögliche Anwerbung ausländischer Nachwuchswissenschaftler diskutiert. Die Regierungspartner Union und SPD hatten schon in ihrem Koalitionsvertrag ein «1.000-Köpfe Programm» zur Gewinnung internationaler Talente vereinbart. Darauf verwies Forschungsministerin Bär.
Für Studierende und Forschende aus dem Ausland müssten Deutschland und Europa «ein sicherer Hafen» sein, sagte die CSU-Politikerin. Auch die EU-Kommission plant ein 500-Millionen-Euro-Paket, das unter anderem Stipendien für Spitzenforscher finanzieren soll. Zwar könne man vielleicht nicht «eins zu eins» Gehälter wie in den USA bieten. Dafür sei das Leben in Deutschland deutlich günstiger – und dass Forschende hier frei forschen und lehren könnten, sei «unbezahlbar», sagte Bär.
Der CDU-Forschungs- und Digitalpolitiker Thomas Jarzombek – inzwischen Staatssekretär im neuen Bundesdigitalministerium – sagte, gerade im Bereich Künstliche Intelligenz und Digitalisierung böten deutsche Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen Top-Bedingungen. «Wir wollen jetzt kämpfen um die internationalen Talente, die nach anderen Standorten suchen als etwa in den USA.»
Die für das Thema zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Misbah Khan, forderte von der Bundesregierung ein «ambitioniertes Anwerbeprogramm». «Deutschland hat jetzt die Aufgabe, mit seinen starken und freien Hochschulen den Wegfall der USA als Bildungsstandort zu kompensieren», sagte sie. News4teachers / mit Material der dpa
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