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Social Media erst ab 16? Bürger befürworten Altersgrenze, Lehrerverband dagegen

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BERLIN. Eine breite Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland spricht sich für ein Mindestalter beim Zugang zu sozialen Medien wie TikTok oder Instagram aus – das geht aus einer aktuellen Umfrage hervor. Während viele Politikerinnen und Politiker sich zuletzt ähnlich geäußert haben, hält der Deutsche Lehrerverband wenig davon.

Braucht es eine Altersgrenze für soziale Medien? Symbolfoto: Shutterstock

Mehr als 70 Prozent der Menschen in Deutschland wünschen sich ein Mindestalter für den Zugang zu sozialen Medien. Darauf verweist eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. Demnach gaben 57 Prozent der Befragten an, ein Mindestalter von 16 Jahren für die Nutzung sozialer Medien zu befürworten, 16 Prozent sprachen sich sogar für ein Mindestalter von 18 Jahren aus. Fünfzehn Prozent der Befragten gaben an, dass es aus ihrer Sicht keiner Altersbeschränkung für den Zugang zu sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Tiktok bedürfe. An der Online-Umfrage beteiligten sich zwischen dem 13. und 16. Juni 2.018 Menschen. Ein großer Teil von ihnen (915) war 55 Jahre alt oder älter.

Größte Zustimmung zu Altersgrenze bei Menschen mittleren Alters

Dabei war die Zustimmung zu einer Altersgrenze für den Zugang zu sozialen Netzwerken unter den 35- bis 44-Jährigen mit 80 Prozent am größten. Die niedrigste Zustimmung für eine solche Maßnahme gab es mit einem Befürworter-Anteil von 65 Prozent unter den 18- bis 24-Jährigen.

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Das Thema Altersgrenze für Social Media ist Gegenstand aktueller politischer Diskussionen. So spricht sich etwa der Deutsche Lehrerverband (DL) klar gegen eine solche Altersgrenze aus. Verbandspräsident Stefan Düll nannte die Idee einer gesetzlichen Altersbegrenzung «realitätsfern und auch nicht sinnvoll». Zwar sei der Wunsch, Kinder zu schützen, verständlich, sagte er der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten». «Aber Facebook, Instagram und Tiktok sind Teil einer Realität, in der junge Menschen lernen müssen, sich zurechtzufinden. Verbote helfen da nicht weiter», so Düll.

Stattdessen komme es laut DL-Präsident darauf an, Kinder zu einem klugen Umgang mit dem Internet zu erziehen. Hier seien Eltern und die Schulen gefordert. Kinder und Jugendliche hätten zudem ein Recht auf Information. «Es kann uns gefallen oder nicht: Aber wenn sie sich zum Beispiel über Politik informieren, geschieht das oft über Social Media», sagte Düll.

Politikerinnen und Politiker plädieren für klare Altersgrenze

Im Kontrast dazu steht insbesondere Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) – bis vor Kurzem noch Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz: Sie fordert eine klare, effektive Altersgrenze für Social Media mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche besser vor Stress, Mobbing und dem Verlust ihrer Privatsphäre zu bewahren (News4teachers berichtete). «Kinder und Jugendliche brauchen Schutz statt Selbstdarstellungsdruck», so die SPD-Politikerin. Erste Erfahrungen – auch in anderen Ländern – deuteten darauf hin, dass sich eine solche Einschränkung positiv auf Kinder und Jugendliche in Schulen auswirke. Dort gebe es dann «weniger Mobbing, mehr Konzentration, sozialeres Miteinander», erklärte Hubig. Auch Eltern sieht sie durch eine gesetzlich verankerte Regel entlastet – sie müssten nicht täglich über die Online-Aktivitäten ihrer Kinder diskutieren.

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) fordert gegenüber der Boulevardzeitung „Bild“ ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige. Er begründet das mit der Schutzpflicht des Staates angesichts von Gewalt, Pornografie und Fake News. „Die Kinder werden da massiv überfordert. Eltern haben keine Möglichkeit mehr, überhaupt herauszufinden, was ihre Kinder alles über sich ergehen lassen müssen“, so Günther.

„Das ist keine Einschränkung der Freiheit, sondern genau das Gegenteil.“

Die Folgen des ungehemmten Konsums sind aus Sicht des CDU-Politikers gravierend: „Wir stellen ein immer empathieloseres Verhalten fest und wir müssen uns nicht wundern, dass es stärker zu Gewaltexzessen unter jungen Menschen kommt.“ Das sei nur über eine stärkere Reglementierung der sozialen Medien in den Griff zu bekommen. „Das ist keine Einschränkung der Freiheit, sondern genau das Gegenteil.“ Ein weiteres Risiko seien die falschen Schönheitsideale, die auf den Plattformen präsent seien und „immer stärker zu Essstörung“ führten.

Unterstützung erhalten Hubig und Günther von Bundesbildungs- und -familienministerin Karin Prien (CDU). Sie will sich nicht auf eine fixe Altersgrenze festlegen, betont aber die Notwendigkeit, Kinder im Umgang mit sozialen Netzwerken besser zu schützen. «Wenn es nicht gelingt, Kinder, vor allem kleinere, jüngere Kinder, ohne übermäßige Bildschirmnutzung aufwachsen zu lassen, dann hat die Gesellschaft insgesamt versagt und die Kinder im Stich gelassen», sagte die CDU-Politikerin im Deutschlandfunk. «Ich glaube, wir müssen uns bewusst machen, dass wir über massive gesundheitliche psychische Störungen und Gefahren für Kinder und Jugendliche sprechen.»

Prien ist für eine gesetzlich verankerte Altersverifikation bei der Nutzung von Tiktok, Instagram und weiteren Anwendungen. «Sie würden ja bei vergleichbaren Themen wie Alkohol oder Drogen auch nicht sagen, wenn Kinder mit acht oder zehn oder zwölf Jahren nicht in der Lage sind, damit verantwortlich umzugehen, dann braucht man sie nicht verbieten, sondern dann ist das eine Frage des verantwortlichen Umgangs.» Soziale Medien und Handys hätten ein enormes Suchtpotenzial.

Bislang keine verlässlichen Schutzmechanismen im Netz

Bislang fehlen verlässliche Kontrollmechanismen beim Zugang zu sozialen Netzwerken. Auch wenn einige Dienste wie Instagram oder Tiktok in ihren Nutzungsbedingungen etwa ein Mindestalter von 13 Jahren festlegen, gibt es keine konsequente Überprüfung, ob das auch eingehalten wird. Die Altersverifikation wird häufig stiefmütterlich behandelt. Was auch zu einem weiteren Ergebnis der aktuellen Yougov-Umfrage passt: Einer Mehrheit der Befragten (60 Prozent) sind demnach keine Kontrollmechanismen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in sozialen Medien bekannt.

Auf die Frage, wie bisherige Kontrollmechanismen bewertet werden, gab eine Mehrheit von 61 Prozent an, dass diese «eher nicht» oder «überhaupt nicht» ausreichend seien. Nur drei Prozent halten die bisherigen Alterskontrollen – etwa über ein aufploppendes Fenster mit Altersabfrage – für «voll und ganz ausreichend». Zwölf Prozent gaben an, den Status quo «eher ausreichend» zu finden. Fast ein Viertel der Befragten (24 Prozent) machte zu diesem Punkt allerdings keine Angaben.

Politische Handlung gefordert

Auch die Plattform Jugendschutz.net mahnte jüngst wieder strengere Regeln zur Altersüberprüfung im Netz an. Der Leiter der Kommission für Jugendmedienschutz, Marc Jan Eumann, sagte, dass es zur Altersprüfung im Netz bereits Dutzende Angebote gebe. Wer Jugendliche im Netz ernsthaft schützen wolle, könne dies längst tun. Über die Betreiber sagte er: «Ich habe keinen Zweifel, dass sie alles machen können. Sie tun es nur nicht, wenn es ihr Geschäftsmodell gefährdet.» Hier müsse die Politik klar durchgreifen. Die Betreiber hätten genügend Zeit gehabt, die Aufgabe ernst zu nehmen. Das hätten sie bislang nicht. News4teachers / mit Material der dpa

“Gefahr für unsere Demokratie”: Kultusministerin will Kindern TikTok und Co. verbieten – bald Thema in der KMK?

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