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Studie: Lehrkräfte schuften millionenfach unbezahlte Stunden – GEW fordert Arbeitszeiterfassung und Schutz vor Überlastung

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BERLIN. Jede Woche am Limit – und darüber hinaus: Berliner Lehrkräfte leisten laut einer neuen Studie, die die GEW begleitet und unterstützt hat, jährlich über zwei Millionen Stunden unbezahlte Mehrarbeit. Ein Drittel von ihnen überschreitet regelmäßig die gesetzliche Arbeitszeitgrenze. Teilzeit wird zur Notbremse gegen Überlastung. Die erstmals systematisch erhobenen Daten zeichnen ein alarmierendes Bild vom Schulalltag. Jetzt fordert die Gewerkschaft: Schluss mit der chronischen Überarbeitung – und her mit einer realistischen Arbeitszeiterfassung!

«Viele Lehrkräfte wählen Teilzeit, um die Aufgabenflut zu bewältigen.» (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Laut einer neuen Studie, die Wissenschaftler*innen der Georg-August-Universität Göttingen mit Unterstützung der GEW erstellt haben, arbeiten Berliner Lehrkräfte im empirischen Mittel rund 100 Stunden mehr pro Jahr als die für Berliner Beamt*innen und Angestellte mit einer 40-Stunden-Woche vorgesehenen 1.772 Stunden. Die laut Gewerkschaft erstmals für Berlin wissenschaftlich erhobenen Daten basieren auf einer umfassenden Erhebung der tatsächlichen Arbeitszeit über ein gesamtes Schuljahr.

Die Ergebnisse zeichnen ein drastisches Bild: Während der Schulwochen überschreiten durchschnittlich 30 Prozent der Vollzeit-Lehrkräfte die gesetzliche Arbeitsschutzgrenze von 48 Stunden pro Woche. Insgesamt leisten 64 Prozent der Lehrkräfte Mehrarbeit*. Besonders betroffen sind neben Schulleitungen und Gymnasiallehrkräften auch Teilzeitkräfte – je geringer der Teilzeitumfang, desto höher die Mehrarbeitsbelastung. „Dies deutet darauf hin, dass viele Lehrkräfte Teilzeit wählen, um die Aufgabenflut zu bewältigen und so faktisch ihren Arbeitsschutz selbst finanzieren“, schlussfolgert Martina Regulin, Vorsitzende der Berliner GEW.

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„Diese Überlastung ist keine Ausnahme, sondern Alltag – mit Elterngesprächen am Abend, Korrekturen in der Nacht und Unterrichtsvorbereitungen am Wochenende“, so Regulin weiter.

„Das Deputatsystem bildet die tatsächlich geleistete Arbeit nicht ab“

„Der Senat spart auf Kosten der Lehrkräfte – das ist ein Skandal. Das Deputatsystem bildet die tatsächlich geleistete Arbeit nicht ab. Es regelt nur den Unterricht und Funktionen, also nur ein gutes Drittel der gesamten Tätigkeit, aber nicht die vielen Aufgaben, die unsere Kolleg*innen zusätzlich übernehmen müssen, um gute Bildungsqualität sicherzustellen. Wir fordern: Der Senat muss die tatsächliche Arbeitszeit vollständig erfassen und gemeinsam mit den Personalräten verbindliche Regelungen zum Abbau der Mehrarbeit* schaffen. Die chronische Überlastung muss gestoppt werden – für die Gesundheit der Lehrkräfte, für die Qualität der Bildung und um den Beruf wieder attraktiv zu machen“, betont Regulin.

Nach Angaben der Autoren summieren sich die unbezahlten, nicht angeordneten Überstunden auf mehr als zwei Millionen Stunden pro Jahr. Zum Ausgleich seien rechnerisch mehr als 1.300 zusätzliche Vollzeitstellen nötig, sagte Studienleiter Frank Mußmann. Zur Einordnung: Aktuell arbeiten laut Bildungsverwaltung rund 35.900 Lehrkräfte an Berlins Schulen, ein Teil davon in Teilzeit.

Laut Studie verwenden Berliner Lehrkräfte im Durchschnitt nur 31 Prozent ihrer Arbeitszeit für den eigentlichen Unterricht. Weitere 32 Prozent entfallen auf sogenannte unterrichtsnahe Lehrarbeit, darunter die Vor- und Nachbereitung. Der Rest umfasst alle möglichen Tätigkeiten, die mit dem eigentlichen Lehrberuf nur wenig zu tun haben – Tendenz steigend, wie Fachleute sagen.

Nach Einschätzung von Thomas Hardwig, der ebenfalls zu den Studienautoren gehört, bilden die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung nur die «Spitze des Eisbergs» ab. Lehrerinnen und Lehrer müssten tendenziell immer mehr Aufgaben erfüllen, Folge seien gesundheitliche Belastungen bis hin zur psychischen Erschöpfung (burnout). «Wenn wir das verbessern wollen, reicht es nicht, die Arbeitszeit zu reduzieren. Auch die Arbeitsbedingungen müssen sich verbessern», sagte er.

Bei der Vorstellung der Studie schilderten mehrere in der GEW organisierte Lehrkräfte ihren Alltag, der von Erschöpfung und Frustration geprägt sei. Als Ursachen für die aus ihrer Sicht stetig steigende Belastung nannten sie unter anderem eine zunehmende Zahl von Kindern mit Sprach- und Lernschwierigkeiten, viele verhaltensauffällige Schüler, größere Lerngruppen. Genannt wurden zudem eine teils nur schlecht umgesetzte Digitalisierung oder höhere Ansprüche der Eltern.

Caroline Muñoz del Rio, Lehrerin und Studienteilnehmerin, erklärt: „Seit Jahren werden die Belastungen durch zusätzliche, außerunterrichtliche Aufgaben, beispielsweise durch Digitalisierung und neue pädagogische Anforderungen, für Lehrkräfte immer mehr. Besonders schwierig sind teilweise wochenlange Spitzenbelastungen in den Prüfungsphasen, ohne ausreichend Möglichkeiten zur Erholung. Das hat gravierende negative Folgen für unsere Gesundheit und in Folge dessen die Qualität des Unterrichts. Es ist höchste Zeit, dass der Senat seine Fürsorgepflicht ernst nimmt und dafür sorgt, unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Arbeits- und Gesundheitsschutz gilt auch für Lehrkräfte.“

„Diese Mehrarbeit ist keine Randerscheinung, sie ist systematisch und gesundheitsgefährdend“

Ralf Schäfer, Lehrer und Personalrat warnt: „Die Studie zeigt, dass jede Woche tausende Stunden unbezahlter Mehrarbeit* anfallen. Viele Kolleg*innen stoßen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Diese Mehrarbeit ist keine Randerscheinung, sie ist systematisch und gesundheitsgefährdend. Der Senat darf das nicht länger ignorieren. Wir fordern zum Einstieg ein einjähriges Pilotprojekt zur digitalen Arbeitszeiterfassung, das unter Mitbestimmung der Personalräte durchgeführt wird. Die Erfahrungen und Ergebnisse der Studie müssen hierbei einbezogen werden. Nur so kann eine Grundlage für faire und realistische Arbeitszeitregelungen geschaffen werden.“

Hintergrund: Das Bundesland Bremen hat unlängst den Start eines solchen Pilotprojekts für 2026 angekündigt (News4teachers berichtete). Die GEW betont: „Überlastung ist messbar! Arbeitszeiterfassung ist der Hebel für gerechte, faire und gesunde Arbeitsbedingungen. Jetzt ist der Senat am Zug.“ News4teachers

*Mehrarbeit: Hierbei handelt es sich den Studien-Autor*innen zufolge nicht um die Mehrarbeit nach § 9 der Berliner AZVO, die dienstlich angeordnet und auszugleichen bzw. zu vergüten ist, sondern um eine empirisch festgestellte Differenz von SOLL und IST und wird in Verbindung mit der Veröffentlichung der Studie umgangssprachlich in Abgrenzung zu „Überstunden“ und „Zuvielarbeit“ benutzt.

Hier geht es zur vollständigen Studie. 

„Lehrkräfte erleben eine starke Entgrenzung ihrer Arbeitszeit!“ Studie: Nur noch jede fünfte würde den Beruf weiterempfehlen

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