LÜNEBURG. In Deutschland fehlen Schulleitungen – vor allem an Grundschulen. Eine aktuelle Studie verweist nun auf eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen. Demnach lassen sich Lehrkräfte nämlich durchaus für die verantwortungsvolle Rolle als Schulleiter*in begeistern – mit der richtigen Vorbereitung.
Endlich einmal gute Nachrichten: Mehr als ein Viertel der Lehrkräfte in Deutschland ist motiviert, Führungsverantwortung in der Schule zu übernehmen. Besonders ausgeprägt ist diese Bereitschaft bei Lehrkräften, die an Qualifizierungsprogrammen für Schulführung teilnehmen: Sie streben deutlich häufiger eine Leitungsrolle an, zeigen überdurchschnittliche Entwicklungs- und Verantwortungsbereitschaft und zeichnen sich durch hohe Motivation und Lernbereitschaft aus.
Das geht aus dem Zwischenbericht der Studie „Schulleitung voraus“ der Leuphana Universität Lüneburg hervor. Dieser ist Teil der wissenschaftlichen Begleitung der Hamburger Initiative „Grundschule voraus – gemeinsam.gestalten.lernen“, die das Ziel verfolgt, Lehrer*innen darauf vorzubereiten, ein Schulleitungsamt zu übernehmen. Für den Zwischenbericht befragte im Herbst 2024 das Meinungsforschungsinstitut Forsa 932 Lehrkräfte aus allgemeinbildenden Schulen in Deutschland zu ihren Schulleitungsambitionen. Ergänzend berücksichtigten die Wissenschaftler*innen die Daten von 17 Lehrkräften, die an der Initiative teilnehmen und im Vorfeld ihrer Teilnahme die Fragen beantwortet hatten.
Berufliche Entwicklungsperspektiven
Demnach legen die Zwischenergebnisse nahe: Gezielte Förderung stärkt Haltung, Ambitionen und Aufstiegschancen – und könnte ein Schlüssel sein, dem wachsenden Führungskräftemangel im Bildungssystem entgegenzuwirken. Während nämlich bundesweit fast jede zweite Lehrkraft (45,4 Prozent) kaum berufliche Entwicklungsperspektiven sieht, liegt dieser Anteil unter den Teilnehmenden an Voramtsqualifizierungen bei lediglich 5,9 Prozent.
Hinzu kommt: Lehrkräfte, die an Voramtsqualifizierungen für Führungsaufgaben teilnehmen, streben aktiv eine Leitungsrolle im Bildungssystem an und zeigen hohe Entwicklungsbereitschaft. „Möchte man mehr Personen für Schulleitungspositionen gewinnen, ist es notwendig, dass Lehrkräfte frühzeitig Führungserfahrung sammeln und sich in Führungs- und Schulentwicklungsthemen als selbstwirksam erleben“, erklärt Professor Marcus Pietsch, der die Studie an der Leuphana Universität Lüneburg leitet. Voramtsqualifizierungen wie „Grundschule voraus“ könnten dabei helfen, indem sie Unsicherheiten reduzieren und Perspektiven für die eigene berufliche Weiterentwicklung schaffen.
Eigenschaften potenzieller Schulleitungen
Neben den Vorteilen einer Voramtsqualifizierungen lässt sich dem Zwischenbericht außerdem entnehmen, wodurch sich Lehrkräfte auszeichnen, die sich vorstellen können, Schulleitung zu werden. Sie verfügen laut Erhebung etwa bereits über ein hohes Maß an positiver Führungserfahrung und sind motiviert, Verantwortung zu übernehmen.
Diese Gruppe von Lehrer*innen zeigt sich zudem überzeugt, Schule aus eigener Kraft verändern und andere Personen auf diesem Weg mitnehmen zu können. 85 Prozent von ihnen sind sich demnach sicher, dass sie Mittel und Wege finden, Innovationen auch gegenüber skeptischen Lehrkräften durchzusetzen. Lehrer*innen, die das Amt der Schulleitung nicht anstreben, sind weniger selbstbewusst (59 Prozent). Lehrkräfte, die führen wollen, trauen sich auch eher zu, andere Lehrkräfte für neue Ideen und Projekte zu begeistern (91 Prozent im Vergleich zu 75 Prozent), oder sie in die Lage zu versetzen, innovative pädagogische Projekte auch unter widrigen Umständen umzusetzen (82 Prozent im Vergleich zu 57 Prozent).
Es zeigen sich zudem regionale Unterschiede: Deutschlandweit hat der Befragung zufolge etwa rund jede vierte Lehrkraft (27,7 Prozent) Interesse, zukünftig das Amt einer Schulleitung zu übernehmen. Auf dem Land ist es dagegen nur jede achte (13,1 Prozent).
Ideen für gute Schule
Gefragt, wie sich die Lehrkräfte eine gute Schule im Jahr 2030 vorstellen, nennen sie Forderungen, die schon heutzutage aktuell sind: Sie sehen die ideale Schule der Zukunft als individuell fördernd, teamorientiert und geprägt von alternativen Lernformen. „Zusätzlich zur Lehrkraft sollte auf jeden Fall eine zweite pädagogisch ausgebildete Person eine Klasse betreuen. Multiprofessionelle Teams ergänzen das Angebot in den Bereichen Verwaltung, Logopädie, Psychologie, Ergotherapie und Pädagogik“, wird eine 57-jährige Grundschullehrerin zitiert. Eine 46-jährige Pädagogin einer weiterführenden Schule betont: „Lehrkräfte brauchen Unterstützung durch weiteres pädagogisches Personal. Hinzu kommt, dass digitale Medien mit Bedacht eingesetzt werden sollten. Der Alltag von Kindern und Jugendlichen ist viel zu stark medial geprägt.“
Um diese Vision umzusetzen, brauchen Schulleitungen aus Sicht der Befragten vor allem Durchsetzungsvermögen, Ausdauer und Vernetzungsfähigkeit – im Austausch mit Politik, externen Partnern und der Schulgemeinschaft.
Empfehlungen für eine bessere Akquise
Auf Basis der Kernbefunde hat die Leuphana Universität fünf Empfehlungen erarbeitet, wie sich mehr Lehrpersonen für Schulleitungsposten gewinnen lassen könnten. So sollten Leitungsstellen in ländlichen Regionen „gezielt attraktiver gemacht werden“. Lehrkräfte sollten frühzeitig die Chance erhalten, Führungserfahrungen zu machen.
Dem „weit verbreiteten Gefühl mangelnder Entwicklungsperspektiven“ ließe sich mit beruflichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten begegnen. Voramtsqualifizierungen eigneten sich, um gezielt motivierte Lehrkräfte anzusprechen, und sollten daher als Karrierepfad im Bildungssystem verankert werden. Gleichzeitig sollten Qualifizierungsmaßnahmen die Vorstellungen von Lehrkräften bezüglich guter Schule aufgreifen und eine realistische Auseinandersetzung mit ihnen unterstützen, „um die Motivation zu stärken und Rollenklarheit zu fördern“. News4teachers
