Vollzeit in der Kita: Immer mehr Kleinkinder haben mindestens eine 40-Stunden-Woche

38

Düsseldorf. Jedes sechste Kind unter drei Jahren in Nordrhein-Westfalen verbringt jeden Tag mehr als sieben Stunden in der Betreuung. Seit 2013 hat sich ihre Zahl fast verdoppelt. Das zeigt eine neue Auswertung des Statistischen Landesamts IT NRW. Besonders in Großstädten ist die Ganztagsbetreuung gefragt.

Viele Kinder unter drei Jahren haben mit mehr als sieben Stunden täglich sehr lange Kita-Tage vor sich. Symbolfoto: Shutterstock / Krakenimages.com

Rund 85.000 Kinder unter drei Jahren verbrachten im Jahr 2024 in Nordrhein-Westfalen mehr als sieben Stunden täglich in einer Kindertageseinrichtung oder in der Tagespflege. Das waren 16,8 Prozent aller Unter-Dreijährigen. Das meldet IT NRW, das Statistische Landesamt, auf Basis einer aktuellen Analyse zur Entwicklung der U3-Betreuung.

Demnach hat sich die Anzahl der Kinder unter drei Jahren, die mehr als sieben Stunden täglich in einer Kindertageseinrichtung oder der Tagespflege betreut werden, seit 2013 kontinuierlich erhöht. Im Jahr 2013 besuchten rund 43.000 Kinder unter drei ganztägig eine frühkindliche Betreuungseinrichtung. Die so genannte Betreuungsquote, also der Anteil der über sieben Stunden pro Tag betreuten unter Dreijährigen an allen Kindern dieses Alters, lag damals bei 9,9 Prozent.

Düsseldorf weiterhin auf dem 1. Platz

Regional betrachtet sind sehr hohe Betreuungsquoten unter Dreijähriger mit mehr als sieben Stunden pro Tag ein Phänomen einzelner Städte. Hierbei nahm und nimmt Düsseldorf den Spitzenplatz ein. Rund jedes fünfte Kind unter drei war 2013 ganztägig in Kindertagesbetreuung gewesen, bis 2024 stieg dieser Anteil auf 32,2 Prozent. Auch Köln und Bonn gehörten in beiden Jahren zu den Städten mit anteilig den meisten U3-Kindern mit langen Betreuungszeiten.

Unabhängig von der Betreuungszeit waren im Jahr 2024 insgesamt rund ein Drittel aller Kinder unter drei Jahren in einer Kindertagesstätte oder einer Tagespflege in Betreuung. Im Jahr 2013 hatte dieser Anteil noch bei 19,9 Prozent gelegen. News4teachers

Bildungsforscherin warnt: “Sehr frühe und sehr lange Kita-Betreuung stresst Kinder”

Anzeige

Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

38 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Unfassbar
3 Monate zuvor

Wenn man den Schlafbedarf der kleinen Kinder mit berücksichtigt, bleiben unter der Woche kaum mehr als vier oder fünf Zeitstunden pro Tag mit den eigenen Eltern inkl. aller Dinge wie Körperpflege, Essen usw, Dass das nicht gut ist, kann man sich denken.

Csa
3 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Aber zum Glück kann man psychische Probleme ja auf Corona schieben….

Rainer Zufall
3 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Also mehr Work-Life-Balance, dass Eltern Zeit für ihre Kinder gewinnen?
Das war vor zwei Monaten noch arbeitsfaules Gemüse, dachte ich 😉

Teacher Andi
3 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Leider nutzen viele Eltern oft die zusätzliche Freizeit nicht für das Kind (da können kaum noch welche schwimmen …), sondern zur Selbstverwirklichung, was die Präsenz in den (a)sozialen Medien beinhaltet. Die Prioritäten haben sich ganz extrem weg vom Bedürfnis der Kinder nach Nähe und Fürsorge bewegt. Und nein, das Überschütten mit fragwürdigen Geschenken und Events ist keine Nähe und Fürsorge.

Carsten
3 Monate zuvor

Der Niedriglohnkapitalismus fordert natürlich auch Opfer . . .

Sandra
3 Monate zuvor

Arme Kinder

Franziska
3 Monate zuvor

Ich würde gern wissen, wie diese Daten gesammelt werde. Meine beiden Kinder gehen 4 Tage die Woche zu maximal 6 Stunden in die Kita. Bezahlen und angemeldet sind sie für 40 Stunden. Warum?
Weil ich sonst keinen Platz bekommen hätte. So funktioniert das in den Städten. Und die Statistik geht sicher nicht aus einer Umfrage hervor.

Fräulein Rottenmeier
3 Monate zuvor
Antwortet  Franziska

Wir hatten auch für beide Kinder je 45 Stunden gebucht (7 Uhr bis 16 Uhr), da auch nur dieses Modell vom Kiga angeboten wurde. Die hatten keine Halbtagsgruppen. Danach wurden auch die Erzieherstellen berechnet. Unsere Kinder waren fast nie vor 9 Uhr da und wurden auch spätestens um 15 Uhr abgeholt….die Da-Zeiten wichen also erheblich von den gebuchten Zeiten ab.

Marion
3 Monate zuvor

Hmm, da habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht.
Wir hatten eine Öffnungszeit von
7 Uhr bis 16.30, Freitags bis 15Uhr.
Innerhalb dieser Zeit konnten Eltern unterschiedliche Varianten buchen:
Die reine Kernzeit von 8.30 bis 12.30, das war die Mindestbuchungszeit.
Dazu konnte man Frühbetreuung ab 7Uhr buchen, mit Mittagessen bis 13Uhr, mit Mittagsschlaf, bzw. Mittagsbetreuung bis 14Uhr oder eben den ganzen Nachmittag bis 16.00/16.30.
Ich glaube man konnte das sogar tageweise unterschiedlich buchen, z.B. Mo, Di, Mi von 7Uhr bis 16Uhr und Do, Fr von 8.30 bis 12.30.
Die Beitragszahlungen richteten sich nach den jeweiligen Buchungsstunden.
Für die Personalplanung wurde dann im Frühjahr oder Frühsommer jeweils eine Umfrage gemacht, ob Eltern für das nächste Kindergartenjahr eine Änderung der Buchungszeiten wünschen.
Wir als Personal mußten uns dann mit den Arbeitsstunden danach ausrichten.
Konnte also gut sein, dass das eine Kindergartenjahr aufgrund der zahlreichen Anmeldungen ab 7Uhr zwei Kolleginnen da sein mußten, das nächste Jahr aufgrund geringerer Auslastung nur eine, dafür wurde man vielleicht am Nachmittag länger gebraucht.
Da war immer eine ziemliche Flexibilität von Seiten des Kita-Personals erforderlich.
So von wegen, wir bieten nur 40 Stunden an, wäre nicht gegangen.

GBS-Mensch
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

Zumindest in Hamburg kann man seine Kinder von 6:00 bis 18:00 betreuen lassen, wenn einem danach ist und auch nicht erst seit gestern.

Die Randzeiten sind allerdings kostenpflichtig.

Fräulein Rottenmeier
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

Bei uns gab es – ländliche Kita – eben nur dieses eine Angebot. Das haben wir gebucht und fertig….natürlich waren zu Beginn um 7 Uhr nur wenige Erzieherinnen bereits da. Wie die sich aufgeteilt haben, weiß ich nicht….
Es war damals auch ein Erzieherinnenüberschuss, gerade die jungen bangten permanent um ihre Stelle….war auch nicht schön….

Marion
3 Monate zuvor

Nun, ich schreibe aus dem fernen Bayern. Der Artikel bezieht sich ja ausschließlich auf NRW.
Ist wohl von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Koko_Lores
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

Bei uns ist es ebenso. Große Stadt in NRW: Kita hat nur 45 Stunden – Plätze und meine Kibder sind von ca. 8.30/9.00 bis maximal 14 Uhr da.
So eine flexible Lösung würde ich mir auch sehr wünschen! Leider gibt es sowas in unserer Stadt, soweit ich weiß, gar nicht.
Noch schlimmer finde ich es in der OGS der Grundschule. Da MÜSSEN alle Kinder bis mindestens 15 Uhr bleiben. Ausnahmen gibt es nur an zwei Tagen in der Woche bei festen Terminen für z.B. Therapien o.ä.
Warum macht man es den Eltern und Kindern so unnötig schwer, Zeit miteinander zu verbringen?

Riesenzwerg
3 Monate zuvor

Super – Kinder werden maximal von ihren Eltern ferngehalten.

Super – das stärkt die Wirtschaft und die Eltern können problemlos Überstunden machen.

Auch gut – man kriegt die Kinder erzogen nach Hause. Wochenende frei!

Die Kleinen werden jetzt schon viel vernachlässigt – dann merken sie es später nocht so deutlich.

Wir machen unsere Kinder kaputt!

Aber was weiß ich schon?

Katrin Löwig
3 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Ja, aber das wird ja inzwischen mehr ider weniger achselzuckend hingenommen und lockt keine:n mehr hinterm Ofen hervor- auch hier im Forum.
Die Redaktion sollte lieber wieder was zum Gendern bringen, das sorgt für Puls!

PaPo
3 Monate zuvor
Antwortet  Katrin Löwig

Keine Sorge, hier ist himreichend Energie, um mehrere Probleme gleichzeitig anzugehen. Und hier beim Thena sind ja auch alle d’accord, resignieren aber.

Marion
3 Monate zuvor
Antwortet  Katrin Löwig

Warum das so wenige hinterm Ofen vorlockt, verstehe ich auch nicht. Ich sage inzwischen zu dem Thema deshalb nichts mehr, weil ich alles, was ich dazu zu sagen hatte, mehr als nur einmal hier geäußert habe.
Natürlich könnte ich zum gefühlt zwölftrillionsten mal meine Sicht auf die Dinge darlegen, nur – wem würde das nützen?
Mehr als dreißig Jahre habe ich mich im Kindergarten um die Kinder anderer Leute gekümmert und in den letzten zehn Jahren, immer mehr kritische Distanz zu unserem frühkindlichen Bildungs-und Betreuungssystem entwickelt.
Meinen Unmut habe ich vor allem in den vergangenen drei/vier Jahren immer wieder geäußert. Inzwischen habe ich mich aus dem Beruf zurückgezogen, aber trotzdem immer mal wieder auf unterschiedliche Problematiken zum Thema hingewiesen.
Wenn aber nichtmal Eltern selbst es im Geringsten für nötig halten, sich ernsthaft für die Interessen ihrer Kinder einzusetzen, warum sollte ich mir dann permanent den Mund fusselig reden? Irgendwann ermüdet man.
Was das Gendern angeht – auch da habe ich oft in der Debatte mitgemischt – und auch hier gilt für mich inzwischen: Es ist alles gesagt.
Mich haben BEIDE Themen hinterm Ofen vorgelockt.
Beides finde ich schlecht:
Kita als Vollzeitpflichtveranstaltung schon für unter Dreijährige und Verhässlichung unserer schönen Sprache durch Genderzeichen und Formulierungen wie “Lehrende”, “Forschende” und “Studierende”.
Tja – man kann tatsächlich BEIDES doof finden.

A.J. Wiedenhammer
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

Schön, mal wieder etwas von Ihnen zu lesen.Für mich persönlich waren/sind Ihre Ausführungen immer sehr nachvollziehbar.
Das gilt auch für das Thema “Mund-fusselig-reden.

Marion
3 Monate zuvor

Danke. 🙂

TaMu
3 Monate zuvor

Da schließe ich mich gerne an!

Schade Marmelade
3 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Nichts ist mit erzogen. Das ist ja das Problem. Der Ball wird sich gegenseitig zugespielt. Erzieher und später Lehrer können die Kinder nicht alle erziehen und die Eltern auch nicht weil sie alle sind von der Arbeit und ihre Kinder kaum sehen.
Vernachlässigung in der Kita geht dann über in Erziehung durch Tiktok mit Inhalten die für das Alter der Kinder nicht geeignet sind. Egal. Hauptsache beide Elternteile können ohne Ende unbezahlte Überstunden malochen und sich dann von Merz anhören sie sollten Mal mehr arbeiten.
Das Ende vom Lied sehen wir an unserer Gesellschaft. Hass, Frustration, Ziellosigkeit und allgemein asoziales Verhalten.

Teacher Andi
3 Monate zuvor

Eltern, die das praktizieren, müssten eigentlich wegen Gefährdung des Kindeswohls an den Pranger gestellt werden. Aber nein, alles gut, die lernen da ja so viel……… Und nein, es sind nicht unbedingt die sozial schwächeren Familien, die ihre Kinder früh und lange Zeit abgeben, sondern die karrieresüchtigen, empathielosen, kommerzgesteuerten Eltern, die ihre Kinder dann mit teuren, pädagogisch wertlosen, Spielsachen und tollen Fernreisen mit Kinderbetreuung kompensatorisch “belohnen”. Viele kapieren gar nichts.

Heinz
3 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Ich finde so Sachen können bei einer alleinerziehenden Person durchaus auch mal Sinn machen. Da ich aber selber an einer Ganztagsschule bin, weiß ich, dass dies auf viele gar nicht zutrifft. Auch, das beide Eltern Vollzeit arbeiten trifft auf sehr viel Eltern unserer Kinder nicht zu.
Stattdessen gibt es immer wieder Eltern, da hat ein Elternteil gar keinen Job, und ist einfach nur froh, dass die Kinder den ganzen Tag aus dem Haus sind. Besonders gerne übrigens auch bei Kindern mit Förderbedarf oder ADHS, da gönnt sich dann der ein oder andere Elternteil eine schöne Pause von 7:30-16:30 Uhr und arbeitet dann noch nicht mal mit der Schule zusammen, wenn es Probleme gibt.

Katinka
3 Monate zuvor
Antwortet  Heinz

Ich finde auch, dass Teilzeit/Vollzeit nicht weit genug gedacht ist. Manche Eltern bekommen das gut hin trotz Vollzeit, weil sie unterschiedliche Arbeitszeiten haben oder noch Großeltern in der Nähe; dann reichen ein paar Stunden Kita am Tag. Andere wieder arbeiten vielleicht weniger, aber sitzen daheim die ganze Zeit mit dem Smartphone da. Ich bezweifle, dass das besser ist.

Jan
3 Monate zuvor

In der Grundschule geht’s weiter. Betreuung von 7 bis 17 Uhr. An fünf Tagen pro Woche. Krank!

Einer
3 Monate zuvor

Passt doch 32 Stunden Vollzeitjob für Mami und Papi. 40 Stunden Vollzeitkika für den Zwerg. Da bleiben noch 8 Stunden pro Woche für Hobby, Sport und Haushalt. Der Zwerg kommt abends ko aus der Kita und Mami/Papi erlaubt ihm noch eine Stunde Tablet. Nach der Vollzeitkika in die Ganztagsschule.

Erziehung übernehmen doch die Lehrer.

Stromdoktor
3 Monate zuvor
Antwortet  Einer

Die Welt sieht bei einigen eher so aus…

– 40 Stunden-Woche

– Zwei Stunden Fahrtzeit pro Tag mit etwas Puffer zwischen Kita und Arbeitsort.

– 16 Wochen Schließzeit bei 30 Tagen Urlaub.

– 500 € Gebühr, weil die Kommunen klamm sind.

– keine generationenübergreifende Unterstützung, weil Familie meist nicht im Umkreis wohnt und / oder sich nicht verlässlich einbinden lassen will (man möchte ja 6x im Jahr in den Urlaub fahren).

Ich sehe kaum Familien, mit ernstzunehmenden Hobbys…

Marion
3 Monate zuvor
Antwortet  Stromdoktor

Ja, @Stromdoktor. Das glaube ich ihnen wirklich, dass der Alltag vieler Familien heute so aussieht.
Allerdings kenne ich keinen Kindergarten und keine Krippe, die sechzehn Wochen Schließzeit hat.
Zumindest nicht in meinem Bundesland. Es sind max. 30 Schließtage erlaubt, die manche nichtmal ganz ausschöpfen.
Und da gehören nicht nur Urlaubszeiten dazu, sondern auch Fortbildungen und sog. Teamtage, wo an Themen wie z.B. Entwicklung eines Gewaltschutzkonzeptes oder der Erarbeitung eines Sprachförderprojektes oder an den zunehmenden Dokumentationsaufgaben gearbeitet wird.
Was die Gebühren betrifft:
So weit ich weiß, ist mancherorts das letzte Kita-Jahr sogar beitragsfrei.
Für Geschwisterkinder wird nur die Hälfte erhoben und wer finanziell schlecht dasteht, bekommt den Beitrag vom Landratsamt bezahlt. Auch Zuschüsse oder eine Komplettübernahme für das Mittagessen sind möglich.
Und dann gibt es, neben dem Familienalltag, wie Sie ihn schildern, leider auch die anderen Fälle, wie Heinz sie weiter oben beschreibt.
Kann ich aus langjähriger Erfahrung bestätigen. Und die sind nun mal auch gar nicht so selten und können mit den Jahren ganz schön zermürben, glauben Sie mir.
Dazu kommt, dass in den letzten zehn/fünfzehn Jahren eine zunehmende Verlagerung der Erziehungsverantwortung vom Elternhaus auf Kindertageseinrichtungen stattgefunden hat. Eltern melden ihre Kinder heutzutage mit einer ganz anderen Erwartungshaltung in der Kita an, als das noch vor 20 bis 30 Jahren der Fall war.
Ist ja auch logisch: Heute verbringen die Kinder auch viel mehr Zeit in den Institutionen als früher.
Hat man deshalb aber in gleichem Maße auf personelle Anpassung, auf die Entwicklung kleingruppigerer Strukturen gesetzt? Nein, hat man nicht.
Kitas übernehmen heute definitiv mehr Aufgaben, die früher in der Verantwortung der Eltern lagen, es wurde aber kaum etwas an strukturellen Bedingungen verändert.
Das Selbstverständnis vieler Eltern hat sich gewandelt:
Der Kindergarten ist für die Bildung und auch für große Teile der Erziehung verantwortlich.
Das fängt schon bei der Sauberkeitserziehung an. Kamen Kinder früher mit drei Jahren in den Kindergarten, mußten sie sauber sein. Ergo: Sauberkeitserziehung lag in nahezu 100%iger Verantwortung der Eltern.
Heute sind die Kleinen oft schon zweijährig ganztags in der Krippe. Und wer danach für ganztags in den Kindergarten wechselt und noch eine Windel trägt, naja, der wird halt auch im Kindergarten noch gewickelt.
Raten Sie mal, bei wem da ein Großteil der Sauberkeitserziehung hängen bleibt, wenn ein Kind von Montags bis Freitags sechs bis sieben oder gar acht Stunden in der Kita verbringt?
Tischsitten, richtiger Umgang mit Besteck etc.
Wer ist wohl verstärkt zuständig, wenn das Kind von Montag bis Freitag im Kindergarten zu Mittag ißt.
Und was glauben Sie, welche Bedingungen, für das Erlernen von Tischmanieren und den “gesitteten” Umgang mit Besteck günstiger sind?
Ein Erwachsener mit ein, zwei, wenn es hoch kommt drei Kindern, wo am Ende eins davon schon im Grundschulalter ist und nur noch eins wirklich Unterstützung braucht?
Also unter familiären Bedingungen?
Oder zwei bis maximal drei Erwachsene mit 25 Drei- bis max. Sechsjährigen?
Glauben Sie, da ist es möglich jedem die optimale Unterstützung beim Umgang mit Besteck und adäquates Benehmen bei Tisch zukommen zu lassen?
Wir tun unser Bestes, aber wir können keine familiäre Atmosphäre und Struktur in dem Maße herstellen, wie das zu Hause möglich wäre.
Und genauso ist das in den meisten Bereichen: Es ist halt sehr oft Masse statt Klasse.
Lernen sich selbständig anzuziehen z.B. Wird zu Hause aufgrund morgendlicher Eile und Hektik kaum noch eingeübt – muß ja alles schnell gehen.
An wem bleibts hängen? An den zwei pädagogischen Fachkräften, die aber nicht nur für zwei, sondern für 25 zuständig sind, auch wenn wir uns außerordentlich bemühen, auf jedes Kind so individuell wie möglich einzugehen.
Natürlich lernen die Kinder auch voneinander. Die Kleinen schauen sich vieles von den Großen ab und die Großen lernen Rücksichtnahme auf die Jüngeren oder entwickeln Selbstbewußtsein, weil sie Jüngeren etwas beibringen können.
Dafür wäre es aber völlig ausreichend, so ab drei Jahren vormittags einen Kindergarten zu besuchen.
Alles, was darüber hinausgeht findet im Grunde nicht im Interesse der Kinder statt, sondern im Interesse der Erwachsenen. Da kann man noch so schöne Reden von früher Bildung und gleichen Chancen schwingen: Es bleibt zweite Wahl.
Die einzigen, die vielleicht davon profitieren, sind Kinder aus sog. “schwierigen” Verhältnissen.
Aber auch die bräuchten im Grunde etwas anderes, als ganztägigen Aufenthalt in häugfig überlasteten Kitas.
Nein – mich wird man in hundert Jahren nicht davon überzeugen können, daß es erstrebenswert ist, immer mehr familiäre Aufgaben in staatliche Hand abzugeben.
Besser wäre es umgekehrt:
Gute Bedingungen schaffen für Familien, die sich die Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Kinder nicht aus der Hand nehmen lassen und dafür qualitativ hochwertige Unterstützing für die Familien, die nicht in derLage sind das zu leisten.
So, jetzt habe ich doch wieder ‘ne Menge gesagt, zu einem Thema, zu dem ich glaubte, schon alles gesagt zu haben.

Pädagogische Fachkraft
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

Super Beschreibung! Danke! Mir tun die Kinder leid, die nichts anderes kennen (dürfen) als Massenkindhaltung.Die Erzieher können dafür nichts, bitte nicht missverstehen, die tun ihr Bestes! Aber die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, sind leider nicht besser.

Stromdoktor
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

Ja. Stimmt alles.

Insgesamt werden hier alle Seiten im Stich gelassen.

In diesem Forum werden Eltern ja gerne als Egoisten dargestellt, die ihrer Verantwortung nicht gerecht werden.

Das Problem mit den 16 Wochen fängt auch erst wirklich mit der Schule an…

Am Ende müssen von immer weniger Arbeitnehmern die stetig steigenden Staatsausgaben finanziert werden.

Diese Generation dreht sich mehrfach im Kreis.

Ulla
3 Monate zuvor
Antwortet  Stromdoktor

Grundschulen bieten doch auch Ferienbetreuung an. Welche Schule ist denn 16 Wochen geschlossen?

TaMu
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

Danke, Marion, wie immer auf den Punkt

Sabina
3 Monate zuvor
Antwortet  Marion

@Marion,
ich habe dieses Forum und diesen Artikel leider erst heute entdeckt.
Ich arbeite seid ca. 40 Jahren in Kitas und kann dir nur zustimmen.
Ehrliche Worte, durch Erfahrung und Mitdenken.
Danke dafür.
Jüngere KollegInnen können unsere Gedanken und Befürchtungen leider oft nicht nachvollziehen und mittragen.
Wir kämpfen an einsamer Front.
Ich wünsche unseren Kindern Erwachsene, die ihre Entwicklung ernst nehemen.
Und zwar jetzt und nicht erst später, durch Psychologen & Co.
Jetzt ist die Zeit für unsere Kinder und damit für die Zukunft einzustehen, sich notfalls immer wieder unbeliebt machen.
Aufwecken und hoffen, dass vielleicht einer hört.
Ich kenn das so gut, keine Energie mehr zu haben, an sich zu zweifeln.
Aber …wer, wenn nicht wenigstens ein paar “Beklopfte”, können wenigstens im Kleinen versuchen, das “Beste” für die Kinder herauszuholen.
Was mir ganz wichtig ist:
Ich habe größten Respekt vor allen Alleinerziehenden, Familien mit geringem Einkommen (die trotzdem ihr Bestes geben) und Menschen, die an einer bodenständig-liebevollen und wertschätzenden Erziehung arbeiten.
Ganz lieben Gruß

Marion
3 Monate zuvor
Antwortet  Sabina

Danke 🙂

GriasDi
3 Monate zuvor

Zitat:
“Immer mehr Kleinkinder haben mindestens eine 40-Stunden-Woche”

Ist doch politisch so gewollt. Kinder sollen als Rentenbeitragszahler erzeugt werden, ansonsten wird weiter nichts in Kinder investiert.

Bettina
3 Monate zuvor
Antwortet  GriasDi

Dass ich nicht lache! Diese Kinder sollen “Rentenbeitragszahler” werden? Wie sollen sie dieses Kunststück angesichts ihrer grausam verkorksten Kindheit denn fertig bringen?

S.R.
3 Monate zuvor

Eine Gesellschaft, die Eltern und Kinder ab dem 1. Lebensjahr über 8 Std. voneinander entfernt, darf sich nicht wundern, wenn Eltern nicht mehr gut (und das meint auch konfliktfähig und wertvermittelnd) Elternsein lernen und Kinder weitestgehend unter Bindungs-/Beziehunslosigkeit zu den Primärpersonen leiden.
Statt Familien zu stärken (finanziell und mehr Urlaub) wird die Forderung immer lauter nach Ausweitung des eh schon völlig unterfinanzierten Betreuungssystem. Da können wir Fachkräfte noch so sehr mit Liebe für das Kind und den Beruf arbeiten, das fangen wir nicht auf. Darunter leiden oftmals alle im System Beteiligten. Es ist furchtbar und wird uns gesamtgesellschaftlich in den kommenden Jahren auf die Füße fallen. Aber hey: kürzen wir doch die Sommerferien (statt Eltern mit mehr Urlaub auszustatten)….Diese jüngste Forderung geht m. E. in die falsche Richtung.

Ureinwohner Nordost
3 Monate zuvor
Antwortet  S.R.

Ergänzend: es soll ja nicht nur betreut werden, nein.
Es soll pädagogisch wertvoll und bildend vonstatten gehen.
Wie denn, ohne Ressourcen?