GEW: Drei Millionen unbezahlte Lehrer-Überstunden pro Jahr (in nur einem Bundesland)

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WIESBADEN. Lehrermangel, unbesetzte Schulleiterstellen, unsanierte Schulgebäude – die Bildungsgewerkschaft GEW sieht Hessens Schullandschaft nach eigenen Worten in einer «schleichenden Krise». Drei Schulleitungsverbände, die GEW und der Grundschulverband dringen in ihrer in Wiesbaden vorgestellten sogenannten Sechsten Frankfurter Erklärung auf Verbesserungen. 

Ordentlicher Berg (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Der «Mangel an Ressourcen» gefährde den Erfolg schulischer Bildung, mahnten sie. Die flächendeckende Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der hessischen Schulen sei zunehmend gefährdet. Das Kultusministerium solle einen Dialog aller bildungspolitischen Akteure starten.

Mehr nichtpädagogische Arbeit für Lehrer?

Laut den fünf Bildungsorganisationen fressen bei Lehrern und Lehrerinnen neben Stundenvorbereitungen, Korrekturen und Elterngesprächen heute auch Verwaltungsaufgaben und Digitalisierung immer mehr Zeit. Um zusätzlichen Lehrernachwuchs zu gewinnen, müsse diese häufige Überbelastung verringert werden, etwa mit Entlastung bei der Bürokratie und mehr IT-Spezialisten.

Laut dem hessischen GEW-Vorsitzenden Thilo Hartmann fallen vorsichtig geschätzt Jahr für Jahr rund drei Millionen Überstunden von Lehrern im Land an – unbezahlt. Der Vorsitzende des Interessenverbands Hessischer Schulleitungen, Andreas Leibold, ergänzte, im Oktober 2024 seien mehr als 220 Schulleitungen in Hessen unbesetzt gewesen – mit Mehrarbeit für Kollegen. Dabei müssten manche Verwaltungstätigkeiten in Schulen unnötig doppelt erledigt werden – mit der analogen und digitalen Eingabe derselben Daten.

Staatsvertrag für Lehrer-Ausbildungsquoten?

Die fünf Bildungsorganisationen forderten die schwarz-rote Landesregierung auf, sich im Kampf gegen Lehrermangel für einen Staatsvertrag einzusetzen, «der bundesweit verbindliche Ausbildungsquoten festschreibt». Für befristet beschäftigte Pädagogen ohne abgeschlossene Lehramtsausbildung sollten klare Qualifizierungswege für eine langfristige Berufsperspektive geschaffen werden.

Als weitere Herausforderung nannte die GEW die steigenden Schülerzahlen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sage einen Anstieg bei allgemeinbildenden Schulen bis etwa zum Jahr 2030 und bei Berufsschulen noch länger voraus. Die hessischen Bildungsorganisationen verwiesen zudem auf einen Investitionsstau von konservativ gerechnet sechs Milliarden Euro bei den Schulgebäuden.

Die Strukturen im Bildungssystem nannten sie teils veraltet. Einige ihrer Experten plädierten für eine Abschaffung der klassischen Schulnoten in den Jahrgängen eins bis zehn, weil sie Schülerinnen und Schüler auch demotivieren und Chancenungleichheiten verstärken könnten.

Kultusministerium: Mehr Lehrerstellen im neuen Schuljahr

Das hessische Kultusministerium hatte kürzlich zum Schuljahresstart von einer Erhöhung der Lehrerstellenzahl auf 61.660 gesprochen (2024: 59.560). Dies sorgt laut Kultusminister Armin Schwarz (CDU) für eine stabile Unterrichtsversorgung. Daneben verwies sein Ministerium auf mehrere geplante Neuerungen an Schulen: Handyverbot mit Ausnahmen in weiterführenden Schulen, digitale Plattform für den Werteunterricht, KI-Chatbot für alle Schulen und eine höhere Stellenzahl bei den Schulpsychologen und -psychologinnen. News4teachers / mit Material der dpa

Arbeitszeit-Erfassung für Lehrkräfte kommt: Warum das Ende des Deputatsmodells unausweichlich ist – und was das für Schulen bedeutet

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Realistin
1 Monat zuvor

Ich sag es ja:
4-Tage Woche
30 % Homeschoolinganteil muss her.
Echte Entlastung!

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Realistin

Aber so viele Deputatsstunden hat doch keiner:)

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  dickebank

Wo ist das Problem? Auch @dickebank darf sein mittlerweile 0 Stunden auf vier Tage verteilen und 30% davon im (echten) Homeoffice absolvieren…

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Als Rentner bisse aber froh, wennse mal einen Tag HO machen kanns, ich sach et dich.

Realist
1 Monat zuvor

Laut den fünf Bildungsorganisationen fressen bei Lehrern und Lehrerinnen … heute auch Verwaltungsaufgaben und Digitalisierung immer mehr Zeit.

Dabei müssten manche Verwaltungstätigkeiten in Schulen unnötig doppelt erledigt werden – mit der analogen und digitalen Eingabe derselben Daten.”

Wenn Digitalisierung dazu führt, das man etwas doppelt machen muss, dann ist das keine Digitalisierung sondern großer Murks. Die Verantwortlichen in den Ministerien gehören für so viel Unfähigkeit gefeuert. Sofort.

447
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Äh…und wer soll dann als verlängerter Arm der Politik die Agenda im Schulsystem setzen? Also wirklich…

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  447

als verlängerter Arm der Politik”

Die GEW vielleicht?

Hans Malz
1 Monat zuvor
Antwortet  447

“Schulministerin sieht kein “systemisches Problem””

Zwar aus einem anderen Artikel, passt aber auch hier sehr gut.

Ureinwohner Nordost
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Wie nennt man eigentlich doppelte Buchführung in der Betriebswirtschaft?

dickebank
1 Monat zuvor

Doppik im Gegensatz zur Kameralistik.

Ureinwohner Nordost
1 Monat zuvor
Antwortet  dickebank

Doppik und Kameralistik,
da schaue ich schnell mal bei Wikipedia nach.
Danke 😉

dickebank
1 Monat zuvor

Das nenne ich einmal intrinsische Motivation:)

Realist
1 Monat zuvor

doppelte Buchführung”

Ist das so ähnlich wie wenn man bei Amazon ein Buch als Papierversion und dann noch einmal als E-Book kauft? Könnt ja eines verlorengehen…

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Witzig

Ureinwohner Nordost
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Danke, jetzt verstehe ich das.
😉

Teacher Andi
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Die gesamten Ministerien, allen voran die Bildungsministerium, gehören von Grund auf reformiert und auf kompetente und vernunftgesteuerte Beine gestellt. Was man da teilweise geboten bekommt, spottet jeder Beschreibung.

mama51
1 Monat zuvor

Herr Schwarz berichtete am 27.08.25 in der “Hessenschau” (19:30) vollmundig 🙁
“es habe sich bei den VON IHM BESUCHTEN SCHULEN jetzt, direkt zum Beginn des Schuljahres niemand beklagt, alle seien zufrieden.”
Darüber hinaus ließ er den geneigten Zuschauer wissen, dass er “quasi täglich irgendwelche Schulen” (???) besuchte und dort IMMER ALLES IN ORDNUNG SEI!” Hört! Hört!
Dass in der gleichen Reportage vorher harsche Kritik geäußert wurde…

…Lehrermangel, unbesetzte Schulleiterstellen, unsanierte Schulgebäude – die Bildungsgewerkschaft GEW sieht Hessens Schullandschaft nach eigenen Worten in einer «schleichenden Krise». Drei Schulleitungsverbände, die GEW und der Grundschulverband dringen in ihrer in Wiesbaden vorgestellten sogenannten Sechsten Frankfurter Erklärung auf Verbesserungen. 

…schien ihn nicht im Geringsten zu interessieren. Seine Welt ist in Ordnung.

Ich kann es nicht glauben 🙁

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  mama51

Wer Rhein wählt, muss auch den R(h)einfall in kauf nehmen.

Teacher Andi
1 Monat zuvor
Antwortet  mama51

Die Schulen sind doch selbst schuld, wenn sie im vorauseilenden Gehorsam katzbuckeln, wenn ein Minister zu Besuch kommt und sie alles schön reden. Vielleicht auch eine Vorgabe von ganz oben, wer weiß. Man sollte gerade bei solchen Besuchen Klartext reden, sonst wird sich nichts ändern.

Karl Kimmel
1 Monat zuvor

Bei 67.000 Lehrern sind das sage und schreibe 0.9 Überstunden pro Lehrer und Woche. Soll das jetzt ein schlechter Witz sein? Das läuft doch unter Rundungsfehler!
Mit großen, nicht ins Verhältnis gesetzten Zahlen um sich schmeißen ist unendlich, gerade Lehrkräfte sollten das wissen!