tlv-Umfrage: Kollegien starten überlastet, besorgt und kritisch ins neue Schuljahr

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ERFURT. Zum Start des neuen Schuljahres schlägt der tlv thüringer lehrerverband Alarm: Eine aktuelle Umfrage unter Schulleitungen und pädagogischen Fachkräften zeigt ein düsteres Stimmungsbild. Hohe Arbeitsbelastung, Personalmangel und wachsende Sorgen über gesellschaftliche Entwicklungen prägen den Auftakt – begleitet von deutlicher Kritik an der Vorbereitung durch das Bildungsministerium.

Begeisterung sieht anders aus (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Zum Start des neuen Schuljahres am morgigen 11. August 2025 hat der tlv thüringer lehrerverband die Ergebnisse einer Umfrage unter Schulleitungen und pädagogischen Fachkräften vorgestellt. Das Bild, das sich daraus ergibt, ist ernüchternd: Hohe Arbeitsbelastung, große Sorgen um die gesellschaftliche Entwicklung und anhaltender Personalmangel prägen den Auftakt für die Kollegien.

„Die beste Werbung, um Akteure von morgen zu überzeugen, ist eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Akteure von heute“, mahnt tlv-Landesvorsitzender Tim Reukauf. „Wer gute Bildung will, muss gute Arbeitsbedingungen schaffen.“

Hohe Belastung in Schule und Hort – klare Forderungen an die Politik

Die Schulleitungsumfrage, die vom 29. Juli bis 7. August 2025 durchgeführt wurde, umfasste Rückmeldungen von 115 der 798 staatlichen Schulen in Thüringen (14,4 %). Erstmals fand neben der Schulleitungsumfrage auch eine Befragung aller Mitglieder im gleichen Zeitraum teil.

Im Hortbereich verlangen die Befragten unter anderem: eine freiwillige Erhöhung des Beschäftigungsumfangs, die klare Regel „Keine Lehrbefähigung – kein Unterricht“, eine angemessene Honorierung von Mehrarbeit sowie eine Stärkung der Hortkoordinatoren – finanziell, zeitlich und strukturell.

Im Schulbereich stehen auf der Wunschliste: Bürokratieabbau durch Schulverwaltungsassistenten an jeder Schule, Anrechnungsstunden für zusätzliche Aufgaben, die Stärkung der Schulleitungen, der Aufbau multiprofessioneller Teams und eine stärkere schulische Vernetzung.

Sorge, Skepsis und Kritik an ministerieller Vorbereitung

Gefragt nach der allgemeinen Stimmung zum Schuljahresbeginn bewerten Schulleitungen ihre Lage im Schnitt mit 5,9 von 10 Punkten auf einer Skala von „total entspannt“ (1) bis „extrem besorgt“ (10) – Lehrkräfte mit 5,8 fast genauso.

Besondere Besorgnis gilt gesellschaftlichen Entwicklungen wie Radikalisierung und Politisierung (Durchschnitt 5,2), die sich auch im Schulalltag bemerkbar machen. Die Bewertung des neuen „Schulkonto“-Konzepts fällt mit 4,2 ernüchternd aus: Viele bemängeln hohen bürokratischen Aufwand und fehlende Praxistauglichkeit. Die Vorbereitungen des Bildungsministeriums erhalten sogar nur die Note 3,7. Hintergrund: Schulen in Thüringen sind verpflichtet, ein Bankkonto zu führen – etwa um Elternbeiträge einsammeln zu können.

Reukauf macht klar: „Die Rückmeldungen zeigen: Es braucht endlich konkrete Maßnahmen statt leerer Versprechen.“

Was Schulleitungen am meisten umtreibt

Bei der offenen Frage „Worüber machen Sie sich derzeit am meisten Gedanken?“ dominierten vor allem: administrative Überlastung (82 Nennungen), Personalmangel und Unterrichtsausfall (78), fehlende Entlastung durch multiprofessionelle Teams (36), mangelnde Unterstützung durch Schulämter und Ministerium (30), bauliche Mängel an Schulen (28), schulische Gewalt (26) sowie Sprachbarrieren und Integrationsherausforderungen (23).

Kritik gab es auch an der Kommunikationspraxis des Bildungsministeriums: Wichtige Informationen – etwa zur neuen Schulordnung oder zum Umgang mit privaten digitalen Endgeräten – seien erst zwei Tage vor Schulbeginn verschickt worden.

Leitungslücken und dramatische Personalsituation

Nur 64 % der befragten Schulleitungen gaben an, dass ihr Leitungsteam vollständig besetzt ist. An 7 % der Schulen gibt es keinen Schulleiter, an 13 % keinen Stellvertreter, bei weiteren 16 % sind diese Posten nur kommissarisch besetzt.

Beim Personal zeigt sich erneut ein alarmierender Trend: Im Schnitt fehlen pro Schule zum neuen Schuljahr 2,5 Lehrkräfte – fast unverändert gegenüber dem Vorjahr (2,6). Hochgerechnet auf alle staatlichen Schulen in Thüringen ergibt das rund 2.000 fehlende Lehrkräfte. Die tlv-Berechnung basiert auf den Abgängen (1,9 pro Schule) sowie Langzeiterkrankungen (1,2) und Mutterschutz/Elternzeit (0,9) im Vergleich zu Neueinstellungen (0,9 unbefristet, 0,6 befristet).

Forderung nach realitätsnaher Bildungspolitik

„Die Lehrkräfte in Thüringen stehen unter enormem Druck“, fasst Reukauf zusammen. „Die strukturellen Probleme sind nicht neu – aber sie verschärfen sich. Wir fordern endlich wirksame Maßnahmen zur Entlastung der Schulen und eine Bildungspolitik, die sich an der Realität orientiert.“

Der tlv will die Ergebnisse der Umfrage zum Anlass nehmen, um vom Thüringer Bildungsministerium verbindliche und zeitnahe Schritte einzufordern – nicht nur für das laufende Schuljahr, sondern für eine langfristige Verbesserung der Arbeits- und Lernbedingungen. News4teachers 

Mehr neue Lehrkräfte als Abgänge – Trendwende? “Noch nicht überm Berg” 

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Hysterican
1 Monat zuvor

Überraschung!!

Katze
1 Monat zuvor
Antwortet  Hysterican

Ja, faules Überraschungsei! “Überlastet, besorgt und kritisch – das sind ja gleich drei Dinge auf einmal. Das geht nun wirklich nicht. “Lehrerüberraschung”
Und noch ein angepasster Uralt-Werbeslogan.
“Nie war ich so lustlos wie heute. Darauf einen Dujardin.”
Ein anderes Likörchen tut’s auch. Mein Favorit derzeit ist “Laber Rhabarber”.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Katze

Streiche Platz im Lehrerzimmer, setze “anne Theke”. Und dann nimm beide Freundinnen zur Hand – Maria Kron und Klara Korn:)

Tischdecke
1 Monat zuvor

Pro Schule fehlen im Schnitt 2,5 Lehrer. Fast unverändert zum Vorjahr. Auch in Thüringen war die Verbeamtung wieder eingeführt worden mit der Begründung, damit den Lehrermangel zu beseitigen.

Es ist so bitter, dass überall mit solch eigennützigen, aber falschen Forderungen Zeit verplempert und eigentlich nichts erreicht wurde.

Schade, dass man nicht für falsche Ratschläge haftet.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Tischdecke

Ist doch prima für die SuS. Das sind mindestens 60 Stunden Unterrichtsausfall, Zeit in der sie etwas Sinnvolles tun können.

Gugelhupf
1 Monat zuvor
Antwortet  Tischdecke

Jahrelang wurde um die Wiederverbeamtung gekämpft. Zeit wurde vertan, um wirklich Wichtiges an den Schulen zu ändern.

Realistin
1 Monat zuvor

4-Tage Woche und online-Unterricht müssen her!

potschemutschka
1 Monat zuvor

Landesvorsitzender Tim Reukauf. „Wer gute Bildung will, muss gute Arbeitsbedingungen schaffen.“
Und jetzt beginnt man sicher sofort mit der Planung der guten Arbeitsbedingungen!
Wie Planung seit Jahren im Bildungssektor läuft, wissen wir ja!

“Die 6 Phasen der Planung:

  • Begeisterung,
  • Verwirrung,
  • Ernüchterung,
  • Suche nach dem Schuldigen,
  • Bestrafung der Unschuldigen,
  • Auszeichnung der Nichtbeteiligten.”

(Unbekannt)

Gugelhupf
1 Monat zuvor
Antwortet  potschemutschka

Bingo.

Aber die Arbeitsbedingungen sind das, was wirklich wichtig gewesen wäre!

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Gugelhupf

Aber für den Dienstherr/Arbeitgeber sind diese Arbeitsbedingungen doch vorteilhaft. Warum sollten diese also geändert werden?