BREMEN. Bremen hat als erstes Bundesland den KI-Chatbot Telli an allen Schulen eingeführt. Nun folgen Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt – mit unterschiedlichen Zeitplänen, aber demselben Ziel: künstliche Intelligenz soll den Unterricht unterstützen und das Lernen individueller machen. Doch die digitale Revolution wirft auch kritische Fragen auf.

Bremen, Juni 2025. In einem Klassenzimmer der Oberschule Habenhausen beugen sich die Schülerinnen und Schüler der 6D über ihre Tablets. „Man kann alles fragen“, sagt die elfjährige Madita begeistert, während sie in das Chatfenster tippt: „Was kann ich in Schweden essen?“ Prompt antwortet der digitale Helfer: „Köttbullar, Knäckebrot, Zimtschnecken – typisch schwedisch.“ Telli heißt der Chatbot, mit dem die Kinder an diesem Tag erstmals arbeiten. Für sie ist er ein spannender Begleiter – für das Land Bremen ein bildungspolitisches Pilotprojekt. Denn hier begann die bundesweite Einführung einer Technologie, die den Unterricht künftig grundlegend verändern könnte.
Bremen als Vorreiter – und Testlabor für Deutschland
Bremen ist das erste Bundesland, das Telli flächendeckend an seinen Schulen eingeführt hat. Der Chatbot ist Teil eines gemeinsamen Projekts aller Länder, arbeitet datenschutzkonform und greift auf die Rechenressourcen führender Anbieter zurück – allerdings ohne personenbezogene Daten preiszugeben. Lehrkräfte können mit Telli Unterrichtsideen entwickeln, Arbeitsblätter erstellen oder Elternbriefe vorbereiten. Schülerinnen und Schüler wiederum nutzen ihn, um Wissen abzufragen oder Aufgaben individuell zu bearbeiten.
Schulleiter André Sonnenburg sieht in dem System große Chancen, auch wenn er betont: „Man braucht natürlich immer noch einen kritischen Blick: Ist das, was die KI ausspuckt, auch wirklich für meine Lerngruppe richtig?“ Für die Bremer Bildungssenatorin Sascha Aulepp ist Telli dagegen ein Symbol für Chancengleichheit. „Wir wollen Schülerinnen und Schüler auf eine Zukunft vorbereiten, in der der Umgang mit Künstlicher Intelligenz selbstverständlich sein wird.“
Brandenburg zieht nach – flächendeckend ab 2025
Was in Bremen begann, setzen andere Bundesländer nun fort. In Brandenburg soll Telli ab dem Schuljahr 2025/26 an allen öffentlichen Schulen verfügbar sein. Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) spricht von einem „sicheren und datenschutzkonformen Zugang zu moderner KI-Technologie“. Er verweist darauf, dass Telli mehr kann, als nur Fragen zu beantworten: Lernszenarien lassen sich gestalten, Materialien für den Unterricht erstellen – bis hin zu einfachen Verwaltungshilfen wie Elternbriefen. Vor der landesweiten Einführung testeten bereits 25 Schulen die Anwendung. Die Rückmeldungen seien positiv gewesen. Für Freiberg ist klar: „Digitalisierung und KI sind auch im Bildungsbereich Teil eines gesellschaftlichen Megatrends.“
Sachsen und Sachsen-Anhalt – unterschiedliche Zeitpläne
In Sachsen soll Telli 2026 starten. Bis dahin sollen rechtliche und pädagogische Fragen geklärt werden – etwa, wie ein altersgerechter Einsatz aussieht. Schon jetzt experimentiert das Land aber mit KI: Lehrkräfte haben Zugriff auf den Assistenten „KAI“, und Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 12 nutzen ein KI-gestütztes Mathematik-Lernsystem. Die Erfahrungen daraus fließen in die Entwicklung von Telli ein. Sachsen-Anhalt ist etwas schneller: Dort wird die Ausspielung des Chatbots noch in diesem Schuljahr vorbereitet – zusammen mit dem Medieninstitut der Länder (FWU). Besonderheit: Lehrkräfte sollen Dokumente hochladen können, die Telli dann in seine Antworten einbezieht. Das Bildungsministerium betont, dass die Nutzung datenschutzkonform erfolgt und keinerlei sensible Daten verarbeitet werden.
Doch es gibt auch Bedenken. „Die Herausforderung liegt darin, KI so zu nutzen, dass sie das Lernen unterstützt und nicht ersetzt“, mahnt das Bremer Bildungsressort. Lehrkräfte müssten die neuen Tools kritisch begleiten und Schülerinnen und Schüler befähigen, Antworten einzuordnen. Auch der Philologenverband stellt die Frage, wie Eigenleistungen künftig überprüft werden können. Standardisierte Prüfungsformate und ein stärkerer Fokus auf mündliche Leistungen könnten die Folge sein.
Eine stille Revolution im Klassenzimmer
Fest steht: Mit Telli hält ein digitales Werkzeug Einzug, das den Unterricht grundlegend verändern kann. KI ermöglicht individuelles Lernen, fördert Inklusion durch Übersetzungen oder vereinfachte Sprache und entlastet Lehrkräfte bei Routinen. Gleichzeitig wirft der Einsatz grundsätzliche Fragen auf: Wie bleibt die kritische Auseinandersetzung mit Inhalten gewahrt? Wie verändert sich die Rolle der Lehrkräfte? Für die Schülerinnen und Schüler der 6D in Bremen sind das ferne Debatten. Sie freuen sich, dass sie jetzt einen klugen Helfer an ihrer Seite haben. „Wenn ich etwas nicht verstehen würde, würde ich Telli fragen – so lange, bis ich alles verstanden habe“, sagt der zwölfjährige Siyar. News4teachers / mit Material der dpa
