BERLIN. Am morgigen Freitag wollen in vielen deutschen Städten junge Menschen gegen die Wehrdienst-Reform auf die Straße gehen – auch während der Schulzeit. Die Forderung, Schüler dafür freizustellen, stößt bei der Union auf Gegenwind. Verteidigungspolitiker Erndl warnt sogar Schulen davor, die Jugendlichen bei ihren Streikplänen zu unterstützten (wozu die Bundesschülerkonferenz aufgerufen hat). Aus Reihen der GEW kommt dagegen eine Solidaritätsadresse.
Der Unions-Verteidigungspolitiker Thomas Erndl (CSU) hat Schulen davor gewarnt, ihre Schüler am Freitag bei geplanten Demonstrationen gegen die Wehrdienst-Pläne der schwarz-roten Koalition zu unterstützen. Wenn Schulen sie dafür vom Unterricht freistellen würden oder «dem Schuleschwänzen ein Eventcharakter umgehangen werden soll», habe er dafür kein Verständnis, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Die schwarz-rote Koalition hatte sich auf einen zunächst freiwilligen Wehrdienst geeinigt. Dafür müssen alle 18-jährigen Männer Fragebögen ausfüllen und zu einer Musterung erscheinen. Gegen die Pläne ruft die Initiative «Schulstreik gegen Wehrpflicht» für den morgigen Freitag zu Demonstrationen auf. In vielen deutschen Städten wollen junge Menschen dann auf die Straße statt in die Schule gehen. Einige der Proteste sollen bereits am Vormittag beginnen.
Schülerkonferenz: Demos haben höheren Mehrwert als Schultag
Die Bundesschülerkonferenz (BSK) rief Schulen dazu auf, ihre Schülerinnen und Schüler für die Proteste vom Unterricht freizustellen. Das müsse unabhängig davon gelten, ob man den Schulstreik unterstütze oder nicht, sagte die BSK-Generalsekretärin Amy Kirchhoff. «Uns geht es darum, dass junge Menschen ihr verfassungsmäßiges Recht auf Versammlungsfreiheit ausüben können.» Sie könnten politische Prozesse so auch praktisch erfahren – der Mehrwert davon sei höher, «als es der von einem einzelnen Schultag je sein könnte», hieß es in der BSK-Mitteilung. Schulen und Bildungsverwaltungen müssten «klare und einheitliche Regelungen» für die Teilnahme am Freitag schaffen.
Erndl sieht das anders. Das Demonstrationsrecht sei zwar «ein hohes Gut» und auch politisches Engagement junger Leute sei positiv zu bewerten – solange das in ihrer Freizeit geschehe. Für Proteste während der Schulzeit gelte das jedoch nicht. «Unsere Wehrhaftigkeit und die Verteidigung unserer Demokratie sind dafür schlicht zu ernsthaft», sagte der Unionspolitiker.
Die GEW Schleswig-Holstein begrüßte unterdessen die Planungen des Aktionstages gegen die Wehrpflicht – und solidarisiert sich mit den beteiligten Schüler*innen und ihrem Anliegen. „Auch die GEW stellt sich seit vielen Jahren kritisch gegen eine Wehrpflicht und steht deshalb entschieden gegen eine Wiedereinführung“, so heißt es in einer Pressemitteilung.
Kein Verständnis zeigte die GEW-Landesvorsitzende Kerstin Quellmann zu der Forderung nach schulischen Sanktionen für die streikenden Schülerinnen: „Politisches Engagement junger Menschen verdient Anerkennung und keine Sanktionen.“ Einige Bildungsministerien – darunter auch das von Schleswig-Holstein – hatten zu Beginn der Woche gemahnt, dass die Teilnahme an Demonstrationen von Schülerinnen während der Unterrichtszeit unentschuldigte Fehlzeiten seien und entsprechende Konsequenzen haben müsse. Nach Ansicht der GEW übt dieses Vorgehen des Ministeriums unnötigen Druck auf die Lehrkräfte aus. Die GEW ruft zu Gelassenheit auf und appelliert, den pädagogischen Ermessungsspielraum bei Fehlzeiten zu nutzen.
„Schulstreiks während der Unterrichtszeit sind rechtlich keine Streiks, da Schülerinnen und Schüler keine Arbeitnehmer sind“
Ganz anders sieht das der Deutsche Lehrerverband. „Wer gegen die Reaktivierung der Wehrpflicht demonstrieren möchte, kann dies jederzeit außerhalb der Unterrichtszeit tun“, sagte Verbandspräsident Stefan Düll dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wer unentschuldigt dem Unterricht fernbleibe und Gesprächsangebote ausschlage, müsse „mit erzieherischen Maßnahmen bis hin zu einem Verweis“ rechnen.
Düll betonte: „Schulstreiks während der Unterrichtszeit sind rechtlich keine Streiks, da Schülerinnen und Schüler keine Arbeitnehmer sind.“ Aufgabe der Schule sei es, sachlich über die sicherheitspolitische Lage, Rechtsgrundlagen und den gesellschaftlichen Kontext – insbesondere die Bedrohung durch Russland – zu informieren, so Düll. Ohnehin werde niemand zum Wehrdienst gezwungen: „Im Grundgesetz ist das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe garantiert.“
Darauf berufen sich allerdings die Initiatoren des Schulstreiks, um ihre Protestaktion zu rechtfertigen: „Was ist mit Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes, nach welchem niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden darf?“, fragen sie auf ihrer Website. News4teachers / mit Material der dpa
Initiative kündigt für Freitag bundesweite Schulstreiks gegen die Wehrpflicht an
