HANNOVER. Knapp ein Viertel der Grundschulkinder fühlt sich einsam – „selbst mitten im Klassenzimmer“, wie ein Fachmann sagt. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts zeigt das Ausmaß kindlicher Einsamkeit in Deutschland. Die Folgen für die seelische Entwicklung können gravierend sein. Und die Schule spielt dabei eine Schlüsselrolle: Auf die Qualität der Beziehungen zu Lehrkräften kommt es entscheidend an.

Einsamkeit ist kein Gefühl, das nur ältere Menschen betrifft. Auch Grundschulkinder können davon betroffen sein – selbst dann, wenn sie von Gleichaltrigen umgeben sind. Der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut Christoph Müller sieht das in seiner täglichen Arbeit immer wieder. „Für Kinder, die bereits in jungen Jahren viel Zeit in Kita, Schule, Hort verbringen, ist die emotionale Beziehungsqualität besonders wichtig – für sie sind die Erwachsenen elternähnliche Bezugspersonen“, erklärt der Leiter des Therapie- und Beratungszentrums „Winnicott Institut“ in Hannover gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Entscheidend sei nicht allein, ob Kinder Kontakte hätten, sondern ob diese auch tragfähig seien.
Müller schildert aus seiner Praxis, dass Einsamkeit nicht immer eindeutig erkennbar sei. „Natürlich sind es Warnhinweise, wenn Kinder keinen Besuch bekommen, nicht eingeladen werden, keinen Hobbys nachgehen und ständig alleine in ihrem Zimmer sind.“ Doch selbst wer Kontakte zu Gleichaltrigen hat, sei nicht unbedingt davor geschützt. „In der Therapie erlebe ich häufig, dass Kinder durchaus reale Kontakte haben, aber da geht es oft nur darum, cool zu tun, stark zu sein, sich zu vergleichen und zu performen.“ Das seien Pseudokontakte ohne echten emotionalen Austausch. Freundschaft aber bedeute, so Müller, ohne Angst sein Innerstes zeigen zu können.
Mehr als jedes fünfte Grundschulkind fühlt sich einsam
Wie verbreitet Einsamkeit im Kindesalter ist, zeigt eine neue Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Erstmals wurden im Rahmen des Surveys „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) auch Kinder im Alter zwischen 5 und 11 Jahren befragt. Das Ergebnis ist alarmierend: 17 Prozent der Kinder gaben an, sich manchmal alleine zu fühlen, 5 Prozent häufig oder sogar ganz oft. Damit empfindet mehr als jedes fünfte Grundschulkind – exakt 22 Prozent – mindestens zeitweise Einsamkeit.
Die Zahlen knüpfen an frühere Erhebungen unter Erwachsenen an, die ebenfalls zeigen: Einsamkeit ist in Deutschland weit verbreitet. Im Jahr 2021/22 berichteten 19 Prozent der Erwachsenen von entsprechenden Gefühlen, bei jungen Menschen unter 30 lag der Anteil sogar höher. Auch nach Ende der Corona-Pandemie sind die Werte nicht gesunken.
Trennung, Armut, Belastung – Risikofaktoren für kindliche Einsamkeit
Besonders gefährdet sind Kinder aus Trennungsfamilien: 28 Prozent der Befragten, die nur bei einem Elternteil leben, und 34 Prozent derer, die in einer Stieffamilie aufwachsen, fühlen sich manchmal, häufig oder ganz oft alleine. Zum Vergleich: Unter Kindern, die in klassischen Kernfamilien leben, sind es 22 Prozent. „Die Trennung der Eltern ist für Kinder ein erheblicher Umbruch in ihrem Leben und kann ein Grund sein, dass sie sich – zumindest vorübergehend – einsam und in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt fühlen“, erklärt die Sozialwissenschaftlerin Dr. Alexandra Langmeyer, die die Daten gemeinsam mit Dr. Christine Entleitner-Phleps ausgewertet hat.
Auch finanzielle Sorgen im Elternhaus wirken sich aus. Unter Kindern aus Haushalten, die sich typische Ausgaben nicht leisten können, geben 29 Prozent an, mindestens manchmal einsam zu sein. In Familien ohne materielle Einschränkungen liegt der Wert bei 21 Prozent. „Finanzielle Belastungen können die Teilhabemöglichkeiten von Kindern beeinträchtigen und gehen außerdem häufig mit erhöhtem Stress und einem schlechteren Familienklima einher, was das Risiko für Einsamkeit erhöhen kann“, so die Autorinnen.
Einsamkeit und auffälliges Verhalten hängen eng zusammen
Die DJI-Daten zeigen zudem: Kinder, die von ihren Eltern anhand des Screening-Instruments SDQ (Strengths and Difficulties Questionnaire) als verhaltensauffällig eingeschätzt wurden, fühlen sich deutlich häufiger alleine. Bei ihnen geben 25 Prozent an, manchmal einsam zu sein – gegenüber 17 Prozent bei unauffälligen Kindern. Noch deutlicher wird es beim häufigen oder sehr häufigen Erleben von Einsamkeit: 9 Prozent der verhaltensauffälligen Kinder, aber nur 5 Prozent der anderen sind betroffen.
Dabei bleibt unklar, ob Einsamkeit Verhaltensprobleme auslöst oder ob auffälliges Verhalten dazu führt, dass Kinder von Gleichaltrigen weniger akzeptiert werden. „Um diese Frage beantworten und passgenaue Unterstützungsangebote für Kinder entwickeln zu können, brauchen wir längsschnittliche Daten, die den Lebensverlauf einzelner Kinder über längere Zeiträume hinweg abbilden“, fordern Langmeyer und Entleitner-Phleps. Fest steht jedoch: Einsamkeit im Kindesalter erhöht das Risiko für Depressionen und Angststörungen und kann die psychosoziale Entwicklung langfristig beeinträchtigen.
Der Einfluss digitaler Medien
Für Müller bestätigt die Studie, was er in seiner Praxis seit Jahren erlebt. Vor allem digitale Medien verstärkten die Probleme. „Kinder und Jugendliche sollten bei der Nutzung digitaler Medien und von Smartphones aktiv begleitet und begrenzt werden“, mahnt er. Ein Handyverbot an Grundschulen hält er für sinnvoll. Denn Kinder, die zu früh und zu lange unbegleitet an Handys gewöhnt werden, verlernten wichtige Fähigkeiten der Emotionsregulation. „Langeweile, Wut, Frust oder Traurigkeit – viele greifen in diesen Situationen zum Handy und scrollen. Emotionen werden nicht ausgehalten, sondern über das Handy pseudoreguliert und stillgemacht.“
Was Eltern tun können
Müller rät Eltern, das Thema Einsamkeit nicht direkt anzusprechen, weil Kinder es oft mit Scham verbinden. Besser sei es, viel gemeinsame Zeit zu verbringen – beim Essen, beim Spielen, bei Ausflügen. „Durch gute Beziehungserfahrungen und dem Allein-Sein im Beisein eines Anderen kann die wichtige Fähigkeit entstehen, allein sein zu können, ohne dabei unter Einsamkeit zu leiden“, erklärt er.
Sein Appell richtet sich auch an Schulen und Pädagoginnen und Pädagogen: Sie sollten Kindern emotional zugewandt begegnen und damit verlässliche Beziehungen aufbauen. Denn, so Müller, „auch mitten im Klassenzimmer können Kinder einsam sein“. News4teachers
Die Frage ob man sich in der Schule einsam fühlt wäre auch Bestandteil der PISA-Tests.
Bei PISA-2022 gaben das in DE 12% an .
Zum Vergleich Schweden = 15%, UK 16%, Estland = 17%, Kanada = 21%.
Zitat: Müller rät Eltern, das Thema Einsamkeit nicht direkt anzusprechen, weil Kinder es oft mit Scham verbinden. Besser sei es, viel gemeinsame Zeit zu verbringen – beim Essen, beim Spielen, bei Ausflügen. „Durch gute Beziehungserfahrungen und dem Allein-Sein im Beisein eines Anderen kann die wichtige Fähigkeit entstehen, allein sein zu können, ohne dabei unter Einsamkeit zu leiden“, erklärt er.
Genau was Müller vorschlägt scheint mir das Problem zu sein. Gefühle nicht ansprechen, stattdessen ein Unterhaltungsprogramm von und mit Mama und oder Papa, die innerhalb ihres Kleinfamiliendaseins auch einsam sind. Bloß nicht merken wie schlecht es einem tatsächlich geht, um weiterzumachen wie bisher.
Dieses Bild der deutschen Wohlstandstristesse konnte ich einige Tage auf des Sommers auf hiesigen Wohnmobilcampingplätzen, Rasenwüsten mit Bockwurst- und Bieroase, beobachten. Die Unfähigkeit der Eltern in Kontakt zu sein überträgt sich auf die Kinder. Die Eltern mit den Hobbys trinken, rauchen, liegen, essen, putzen und gucken. Die Kinder, bewegungsarm und sprachlos, auf Strandtüchern und Spielplätzen, tun es ihren Eltern nach, die ja auch nicht mal ins Wasser gehen. Leere. Die Kinder wirken oft so wie eine leere Hüllen unter ständiger Beobachtung und ohne Initative, selbst die kleinste eigene Handlung wird abgenommen und/oder geregelt.
An wem liegt es?
An den Lehrerinnen und Lehrern!
Studierte Menschen, Sozialwissenschaftler und Therapeuten, die mit ihren Thesen über einen gesellschaftlichen Missstand die Öffentlichkeit suchen, erwähnen mit keiner Silbe die Rolle von valide messbaren Ressourcen und die konkrete Verantwortung konkreter Eltern für ihre konkreten Kinder?
Naiv?
Berechnend?