Lehrerin wegen „Hamster-Affäre“ unter Beschuss

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DORTMUND. Ein Hamster in einer Dortmunder Realschule hat dafür gesorgt, dass der Sekundarschullehrerverband „lehrer nrw“ jetzt den Rücktritt des Regierungspräsidenten fordert und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Vorverurteilung einer Lehrerin fürchtet.

Wie konnte es zu einer solchen bizarren Situation kommen? Der Reihe nach: Wie „Der Westen“ berichtet, war Auslöser für die sogenannte „Hamster-Affäre“ die Bitte einer Lehrerin, nach den Sommerferien etwas mit in die Schule zu bringen, was den Schülern besonders am Herzen liege. Die zehnjährige Carina, neu in der Stadt und der Schule, brachte am nächsten Tag ihren Goldhamster Attila in einem handelsüblichen Laufball für Hamster mit.

Das harmlose Gesicht täuscht: Hamster sind offenbar konfliktträchtiger als sie aussehen. (Foto: Kevin Lee /Flickr CC BY-NC 2.0)
Das harmlose Gesicht täuscht: Hamster sind offenbar konfliktträchtiger, als sie aussehen. (Foto: Kevin Lee /Flickr CC BY-NC 2.0)

Zehnjährige als Tierquälerin beschimpft

Nach Angaben ihres Patenonkels sei Carina daraufhin von der Lehrerin als Tierquälerin beschimpft worden. Die Zehnjährige habe ihre Sachen packen und den Unterricht verlassen müssen. Schwierig für das Mädchen sei das gewesen, denn sie habe sich kaum ausgekannt und habe deshalb eigentlich  nach Schulschluss mit ihrem Bruder nach Hause fahren sollen. Nun habe sie den 6,5 Kilometer langen Weg allein zu Fuß bewältigt. Das sind aber noch nicht alle Vorwürfe: Nach Informationen der Nachrichtenseite „Der Westen“ sollten Carinas Mitschüler am nächsten Tag Aufsätze über die vermeintliche Tierquälerei des Mädchens schreiben. Nach dem Wochenende habe sich Carina dann neben die Lehrerin setzen und ein Tribunal öffentlicher Denunzierungen ertragen müssen.

Nach Auskunft des Patenonkels war die Zehnjährige danach mit den Nerven fertig und wollte nie wieder in diese Schule gehen. Mittlerweile hat sie tatsächlich an einer anderen Schule einen Platz. Carinas Eltern verfassten eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Lehrerin, die an die zuständige Schulaufsicht nach Arnsberg ging.

Jetzt läuft ein Vorermittlungsverfahren der Behörde und der Streit brodelt öffentlich weiter. Denn die Bezirksregierung erklärte öffentlich, dass die erhobenen Vorwürfe – Mobbing gegen eine Schülerin der 5. Klasse und Verletzung der Aufsichtspflicht – durch die Schulaufsicht als gravierend eingestuft würden. Da bisher widersprüchliche Rückmeldungen der Beteiligten vorliegen würden, werde sie disziplinarische Vorermittlungen einleiten. Falls sich die Vorwürfe bestätigen sollten, seien disziplinarische Konsequenzen nicht ausgeschlossen. Um eine Entscheidung hierüber auf einer gesicherten Basis vollziehen zu können, sei jedoch zunächst eine präzise Sachverhaltsermittlung unabdingbar. „Sollte sich das Verhalten der Lehrerin bestätigen, wäre dies pädagogisch nicht akzeptabel und bedarf einer intensiven Nachbereitung“, sagte Regierungspräsident Gerd Bollermann. Kinder dürften nicht gemobbt werden, und der sensible Umgang mit ihnen müsse an erster Stelle stehen.

Lehrerverband fordert Rücktritt des Regierungspräsidenten

Besonders die letztgenannte Aussage brachte den Lehrerverband „lehrer nrw“ auf die Palme. „Wie im Zusammenhang mit der sogenannten ‚Hamster-Affäre‘ eine Lehrkaft an den Pranger gestellt wird, ist ungeheuerlich“, sagte Brigitte Balbach, Vorsitzende von „lehrer nrw“. Die Bezirksregierung räume zwar ein, dass widersprüchliche Darstellungen seitens der Beteiligten vorlägen, gebe aber gleichzeitig Pressemitteilungen heraus, die die Mobbing-Vorwürfe noch befeuern würden. Der Regierungspräsident wolle sich damit offenbar öffentlich profilieren. Dabei habe er eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Lehrkräften, die er im vorliegenden Fall eklatant verletzt habe, erklärte Balbach. Sie forderte deshalb seinen Rücktritt. Angesichts der öffentlichen Debatte meldete sich daraufhin auch die GEW auf „Der Westen“ zu Wort. Die Lehrerin habe ein faires und ergebnisoffenes Verfahren verdient. Das vorschnelle Handeln des Regierungspräsidenten mache das jetzt schwierig, befürchtet die Gewerkschaft. NINA BRAUN

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