BERLIN. In diesem Jahr gab es wieder viel Fluktuation an den Spitzen der Schulministerien. Anlass genug, um sie alle mal vorzustellen: die Politiker, die Deutschlands Schulen regieren. Teil zwei unserer auf vier Folgen angelegten Serie.
Der Forsche: Ekkehard Klug (FDP)
Wenn Schleswig-Holsteins Bildungsminister Ekkehard Klug (55) in Fahrt ist, teilt er schon mal gerne aus. Ob an Elternverbände, die zurückgehende Bildungsaufwendungen beklagen („Derartige Behauptungen gehen völlig an der Realität vorbei“), an 1.800 Lehrer, die er wegen Beteiligung an einer Streikaktion disziplinarisch belangen lässt, oder an Lehrergewerkschaften, die sich gegen Spionage-Software in Schulcomputern wehren („Viel Lärm um nichts“) – Klug handelt nach der Devise: Angriff ist die beste Verteidigung. Mitunter allerdings versteigt sich der Historiker, der über das „Fürstentum Tvér (1247 – 1485) – Aufstieg, Selbstbehauptung und Niedergang“ promoviert hat, in abenteuerliche Thesen: So anlässlich des 50. Jahrestages des Kinderschutzbundes, bei dem er Kinderschutz zur Privatsache erklärte und „in die Verantwortung jedes Einzelnen“ delegierte. Staatliche Verantwortung? Dazu fiel dem Liberalen, der seit fast 20 Jahren im schleswig-holsteinischen Landtag sitzt, wenig ein. Wenig übrigens auch zum aktuellen Zustand seiner Partei. Von Journalisten dazu befragt, grummelte er nur: „Ein Schlamassel allererster Güte. Betrüblich.“ – Und zog von dannen.
Der Kulturinteressierte: Stephan Dorgerloh (SPD)
Stephan Dorgerloh (45) war als Prälat Beauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland für die Lutherdekade, eine Veranstaltungsreihe, die auf das Jubiläum des 500. Jahrestags des Thesenanschlags von Martin Luther im Jahr 2017 zielt. Seit April ist er nun Kultusminister von Sachsen-Anhalt – und kümmert sich weiter trefflich um die Kultur: Als Chef der Stiftung Preußische Schlösser organisiert er eine Ausstellung zu Friedrich dem Großen, dessen Todestag sich im nächsten Jahr zum 300. Mal jährt. Dann würdigt er das 100-jährige Bestehen eines Kinos im Städten Burg. Er lässt ein Programm gegen Rechtsextremismus entwickeln, das vor allem auf Familien und Senioren zielt. Schule, sein Kerngeschäft, kommt allerdings in seinem bisherigen Amtsverständnis kaum vor: Allenfalls bei der Ausgabe von Zeugnissen von Absolventen des Vorbereitungsdienstes für den Lehrerberuf scheint der Theologe mal in Kontakt mit pädagogischen Themen zu kommen. Das dürfte sich im kommenden Jahr ändern: Dorgerloh ist turnusgemäß zum Vize-Präsident der Kultusministerkonferenz gewählt worden.
Die Umstrittene: Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD)
Irgendwie scheint die Chemie nicht zu stimmen. Dass eine frischgebackene Kultusministerin eines grün-roten Kabinetts im konservativ geprägten Baden-Württemberg mit dem konservativen Philologenverband fremdelt, mag ja noch angehen. Dass Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) aber innerhalb von kürzester Zeit die GEW – trotz der politischen Nähe – auf die Palme bringt, und den VBE gleich mit, ist schon bemerkenswert. Warminski-Leitheußer (48) leidet bei ihrer Performance natürlich unter den Sparbeschlüssen des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), die sich Lehrern und anderen Landesbeamten schlecht verkaufen lassen. Aber auch der Ton macht die Musik. Unlängst lud Warminski-Leitheußer, die aus dem Ruhrgebiet stammt, die Lehrerverbände zu einem Versöhnungstreffen ein – über die Presse, was bei den Adressaten der Einladung schon mal nicht so gut angekommen sein dürfte. Dann teilte die Juristin nach dem Treffen mit, die Proteste ihrer Gesprächspartner seien „nicht nachvollziehbar“. Freunde macht man sich so nicht.
Die Powerfrau: Martina Münch (SPD)
Ihre Vita erinnert an die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU): Martina Münch (49) ist ebenfalls Ärztin, ebenfalls Mutter von sieben Kindern, ebenfalls Tochter eines Politikers (der ehemalige Niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht hier, der baden-württembergische SPD-Landtagsabgeordnete Helmut Münch dort) – und eben Ministerin, genauer: Seit 2009 Wissenschaftsministerin, seit Anfang 2011 Bildungsministerin von Brandenburg. Vielleicht ist es der berufliche und familiäre Hintergrund, der von der Leyen wie Münch vom Gros der Berufspolitiker abhebt. Münch jedenfalls hat keine Scheu, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen. Wie unlängst bei einem Schulbesuch in Birkenwerder. Landauf, landab erlebe sie eine nicht so gute Stimmung unter Lehrern, sagte Münch mit Blick auf die angestrebte Inklusion. Schon jetzt werde die Situation als schwierig empfunden. Schon jetzt fühlten sich viele Lehrer überlastet. – Wohltuend ehrlich.
Der Pragmatiker: Ties Rabe (SPD)
Seine wichtigste Aufgabe dürfte es sein: Ruhe reinbringen. Nach dem Volksentscheid gegen die Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs Jahre, der zwar zunächst der SPD nutzte (weil er Schwarz-Grün in Hamburg beendete), die Bildungspolitik in der Hansestadt aber auf Jahre prägen wird (und zwar nicht im Sinne einer ebenfalls auf längeres gemeinsames Lernen ausgerichteten SPD), soll der zum Hamburger Bildungssenator berufene Gymnasiallehrer Ties Rabe (51) – Fächer: Religion, Deutsch und Geschichte – wieder Vertrauen bei der Elternschaft aufbauen. Statt also Strukturfragen aufzuwerfen und große Ziele zu formulieren, geht es Rabe um demonstrativen Pragmatismus. So auch bei seinem Vorstoß, an den Schulen kostenlose Nachhilfe anzubieten und dafür überwiegend Honorarkräfte einzusetzen. Rabe ist gerade turnusgemäß zum neuen Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz gewählt worden. Auch hier formuliert er pragmatische Ziele: Einen neuen Vorstoß zur Angleichung der Bildungsstandards will er unternehmen sowie den Übergang von der Schule in den Beruf in den Fokus rücken.
Zum ersten Teil unserer Serie: “Die Politiker, die Deutschlands Schulen regieren”