HANNOVER. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wirft der Bundeswehr vor, in Schulen einseitig über Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu berichten.
Hintergrund ist, dass acht Bundesländer Kooperationsverträge mit der Bundeswehr geschlossen haben, die ihren Mitarbeitern einfachen Zugang zu den Schulen erlaubt. Dabei handelt es sich um die Bundesländer Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen und Bayern. Lehrer müssen die eigens für die politische Bildung ausgebildeten Offiziere zwar immer noch anfordern, das Angebot der Bundeswehr werde aber sogar teilweise in den Amtsblättern der Ministerien angekündigt.
Schulen haben den Auftrag, zu Frieden, Nachhaltigkeit und Respekt zu erziehen. Diesem Auftrag würden die Armeeangehörigen nicht nachkommen, da sie beispielsweise kaum über zivile Opfer, Soldatentraumata oder Menschenrechte sprechen würden. Als Ausgleich und um ein Alternativangebot zu machen, unterstützt die GEW die Stiftung Friedensbewegung, die Unterrichtsmaterialen für die Lösung internationaler Konflikte aus ihrer Sicht anbietet.
Gespräch zwischen Stiftung Friedensbewegung und Jugendoffizier
Jenny Becker, verantwortlich für den Bereich Schulen bei der Stiftung Friedensbewegung und Martin Meurs, Jugendoffizier aus Hannover trafen sich heute (16.2.2012) auf Einladung der News4teachers-Redaktion auf der Didacta-Messe, um ihre Ansichten auszutauschen.
Meurs wies den Vorwurf der GEW zurück, dass Jugendoffiziere nicht ausgewogen unterrichten würden. „Wir sprechen auch über Tod und Verwundung mit den Schülern“, sagte er. Er halte die Arbeit der Stiftung Friedensbewegung, von der er heute zum ersten Mal gehört habe, für sinnvoll und eine gute Ergänzung. Wenn es aber darum ginge, die Bundeswehr aus den Schulen zu vertreiben, käme auch die Stiftung Friedensbewegung dem Neutralitätsauftrag nicht nach. Die Jugendoffiziere der Bundeswehr seien schließlich vom Bundestag beauftragt worden. Becker stellte das nicht in Frage, betonte aber die Notwendigkeit des Alternativangebots. „Das Problem sind die Schulen und die Eltern, die nicht engagiert sind, und die deshalb ausgewogenen Unterricht nicht gewährleisten“, sagte sie. Das sei gefährlich, denn extremistischen Strömungen von rechts könne so nicht begegnet werden. Ein vergleichbares Angebot wie die Bundeswehr aufzubauen, sei der Stiftung Friedensbewegung aber nicht möglich. Dafür mangele es an Mitteln, finanziell und personell. Bei der Stiftung Friedensbewegung etwa ist Becker alleine für den Schulbereich verantwortlich.
Die Arbeit der Jugendoffiziere ist politische Bildung zur Sicherheitspolitik. 2009 waren Jugendoffiziere 5600 mal an Schulen vor mehr als 150 000 Schülern im Einsatz. 2010 stiegen die Zahlen leicht an. Diese hohen Zahlen überraschten und alarmierten die Friedensbewegung, sagte Peter Becker, Gründer der Stiftung Friedensbewegung.
Durch die schulische Arbeit verbessert die Armee ihr Image. Indem die Jugendoffiziere Kontakte zu den Schülern aufbauen, sorgten sie für Nachwuchs, warf Jenny Becker Meurs während des Gesprächs auf der Didacta-Messe vor. „Es kommt vor, dass ein Jugendoffizier gemeinsam mit einem Karriereberater in eine Schule geht. Das geschieht aber nur auf Wunsch der Lehrer“, räumte der Offizier ein. Die Veranstaltungen zur Berufsorientierung sind eigentlich von den Veranstaltungen zur politischen Bildung zu trennnen. Die Berufsorientierung der Bundeswehr ist in der Vergangenheit häufig Gegenstand von Kritik gewesen. Wie etwa Ende Mai 2011 beim Tag der offenen Tür in der Bundeswehrkaserne in Bad Reichenhall. Kinder und Jugendliche durften dort, nach GEW-Informationen, über ein Zielfernrohr auf eine nachgebaute Stadt in Miniaturformat schießen. Auf dem Mini-Ortsschild habe Klein-Mitrovica gestanden. Makaber, denn in der Gemeinde Mitrovica, die im Kosovo liegt, verübten deutsche Soldaten zur Zeit des Nationalsozialismus Greueltaten. Ein Bundeswehrsprecher gab anschließend zu, dass der Name der Ortschaft geschmacklos gewählt sei. Übungen mit Schülern und Waffen seien den Jugendoffizieren außerdem ausdrücklich untersagt, betonte die Bundeswehr gegenüber der GEW.
Bundeswehr: Verhältnisse mit der deutschen Brille betrachtet
Im Laufe des Gesprächs fanden die beiden Kontrahenten, wie zu erwarten gewesen war, Reibungspunkte aber auch Übereinstimmungen. Deutlich wurde das während des Schlagabtausches zum Afghanistaneinsatz. Becker kritisierte den Einsatz in Afghanistan als zu militärlastig, “Uniformen wecken Aggressionen”, und plädierte für stärkere Unterstützung von zivilen Strukturen, wie Frauengruppen oder traditionellen Stämmen. Meurs betonte, dass, nachdem Stabilität hergestellt sei, sich die Bundeswehr nach und nach zurückziehe und die Leitung von Feldlagern oder etwa der Polizeiausbildung Zivilisten übergebe. Für Becker ist das zu spät: „Die extremistischen Strömungen sind dort gewachsen, weil der Westen den Menschen dort etwas übergestülpt hat.“
Meurs räumte auch Fehler beim Afghanistan-Einsatz ein. Im Nachhinein sei die Annahme, dass sich Demokratie quasi automatisch von der Hauptstadt Kabul ausbreite, ein Fehler gewesen. Man habe die Verhältnisse mit der deutschen Brille betrachtet. Deshalb würden die Soldaten heute alle interkulturell geschult, bevor sie in den Einsatz gingen. Das findet Becker unzureichend. „Die meisten können die Sprache nicht, wie sollen sie da auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen können?“, fragt sie.
Beide waren von dem Gespräch überrascht und haben zum ersten Mal mit der jeweils anderen Seite gesprochen. „Ich fände es gut, wenn wir zusammenarbeiten könnten, um den Schulen ein ausgewogenes, pluralistisches Angebot machen zu können“, sagte Becker. NINA BRAUN
Weitere Informationen:
Die junge Community der Stiftung Friedensbewegung
Jugendoffiziere der Bundeswehr
(16.2.2012)
