Studie belegt: Angehende Lehrer sind sozial kompetenter als ihr Ruf

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MÜNSTER. Ein verbreitetes Vorurteil lautet, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer nur bedingt für den Beruf geeignet seien, weil ihnen soziale Kompetenzen abgingen. Ein Münsteraner Erziehungswissenschaftler hat das Klischee jetzt wiederlegt.

Menschenscheu? Von wegen: Lehramtsanwärter weisen deutlich mehr soziale Kompetenzen auf als Studenten anderer Fakultäten. Foto: susieq3c / Flickr (CC BY 2.0)
Menschenscheu? Von wegen: Lehramtsanwärter weisen deutlich mehr soziale Kompetenzen auf als Studenten anderer Fakultäten. Foto: susieq3c / Flickr (CC BY 2.0)

Lange Ferien, ein hohes Maß an sozialer Sicherheit, viel Freizeit – das sind Motive, die denjenigen häufig unterstellt werden, die auf den Lehrerberuf zusteuern. Von Berufung, gar von einer besonderen Begabung zur pädagogischen Arbeit ist selten die Rede. So geistert das Bild menschenscheuer und in sich gekehrter Beamtenanwärter durch die Welt, wenn von angehenden Lehrern die Rede ist.

Die Defizite in den sozialen Kompetenzen würden auch durch die Ausbildung an den Universitäten nicht aufgefangen, so dass Lehramtsstudierende in der Praxis heillos überfordert seien, heißt es dann. „Wenn die Lehrerausbildung Studierende angemessen auf ihre zukünftigen Anforderungen vorbereiten möchte, gehört demnach die Förderung solch sozial-interaktiver bzw. sozialerzieherischer Fähigkeiten zur Aufgabe des Lehramtsstudiums. Diese an und für sich logische Schlussfolgerung findet sich jedoch nicht unbedingt in der Lehrerausbildung wieder. Vor allem die mangelnde Theorie-Praxis-Verknüpfung kann als Hauptkritikpunkt des derzeitigen Lehrerstudiums ins Felde geführt werden“, so heißt es etwa beim Institut für padagogische Psychologie der TU Braunschweig.

Der Erziehungswissenschaftler Dr. Martin Rothland wollte wissen, ob an solchen Vorurteilen etwas dran ist. Dazu befragte er knapp 1000 Lehramtsstudierende verschiedener Universitäten sowie zum Vergleich Studierende der Rechtswissenschaft und der Medizin. „Bisherige Studien bezogen sich nur auf Lehramtsstudierende. Die Frage, ob angehende Lehrkräfte gerade im Bereich der sozialen Kompetenzen typische Defizite aufweisen, lässt sich aber nur im Vergleich mit anderen Studierendengruppen beantworten“, so erklärt der Wissenschaftler.

Er befragte die Studierenden zu ihrer Selbsteinschätzung in den Bereichen Kooperationsfähigkeit, soziale Verantwortung, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktfähigkeit und situationsgerechtes Auftreten. Ergebnis: Die künftigen Lehrer weisen sehr ausgeprägte soziale Fähig- und Fertigkeiten auf. Dies widerlege die gängigen Vorurteile der lehramtstypischen Defizite, meint Rothland. Die Lehramtsstudierenden seien im Vergleich zu Medizin- und Jurastudenten weitaus kooperativer.

Persönliche Schwächen sähen vor allem die Studentinnen bei der Empfindlichkeit gegenüber sozialer Frustration, gefolgt von der Entwicklung der Selbstbehauptung und Konfrontationskompetenz. Bei der Ausbildung ihrer sozialen Kompetenzen würde das Studium  allerdings helfen. „Der Grad des wahrgenommenen Kompetenzzuwachses ist nicht besonders hoch, aber die Studierenden sehen durchaus, dass ihre sozialen und kommunikativen Fähigkeiten durch das Studium zunehmen“, sagt Rothland. „Es stellt sich allerdings die Frage: Wird das systematisch vermittelt, oder ist die Weiterentwicklung sozialer Kompetenz eher ein Nebenprodukt der Arbeit in Seminaren oder der Kooperation in studentischen Arbeitsgruppen?“

So ist für den Erziehungswissenschaftler klar, dass es in der ersten Phase der Lehrerbildung noch Entwicklungsbedarf in puncto sozialer Kompetenz gibt. „Im Studium der Rechtswissenschaften sowie der Humanmedizin“, betont Rothland, „erscheint dieser Entwicklungsbedarf allerdings wesentlich höher.“ NINA BRAUN

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