MÜNCHEN. Der Traum vom Professorentitel kann leicht zum Alptraum werden: Manche Nachwuchswissenschaftler stehen mit Anfang 40 hoffnungslos überqualifiziert auf der Straße. In Bayern hat sich die SPD nun des Themas angenommen.
Die SPD will mit einer Serie von Anträgen im Landtag die Arbeitsbedingungen an Bayerns Hochschulen verbessern. Hochschulexpertin Isabell Zacharias kritisierte schlechte Bezahlung, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und sehr ungewisse Zukunftsaussichten für den akademischen Mittelbau – also Assistenten, Dozenten, und wissenschaftliche Mitarbeiter. «Darunter leidet die Güte der Lehre, wenn wir dort Menschen haben, die gestern nicht wissen, wovon sie übermorgen leben sollen», sagte die Münchner Landtagsabgeordnete.
Nur 20 Prozent der Wissenschaftler hätten Aussicht, jemals einen Ruf auf eine Professorenstelle zu erhalten – «80 Prozent sind höchst qualifiziert, aber auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar». Vor allem für Nachwuchswissenschaftlerinnen sei die Situation dramatisch.
Seit Jahrzehnten ein Thema an Hochschulen
Zacharias reagiert mit ihrer Initiative auf eine Situation, die an den deutschen Hochschulen bei den betroffenen Wissenschaftlern seit Jahrzehnten Thema ist. Geändert hat sich aber nie etwas Grundlegendes. «Der Mittelbau macht 60 bis 80 Prozent der Arbeit an den Hochschulen, wird aber sehr schlecht bezahlt und über Jahre mit Zeitverträgen beschäftigt», sagte die SPD-Politikerin. «Kettenverträge sind die Regel» – nach Zacharias’ Zahlen haben nur drei Prozent der Nachwuchskräfte unter 40 eine unbefristete Anstellung.
In Bayern waren 2011 laut Landesamt für Statistik im akademischen Mittelbau gut 23.300 Wissenschaftler beschäftigt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern seien die Karrierewege in der deutschen Wissenschaft sehr unsicher und wenig planbar, sagt Zacharias.
Mit Anfang 40 gerieten viele Wissenschaftler dann in eine biografische Sackgasse: Keine Professur an der Hochschule, und sehr schlechte Aussichten außerhalb, kritisiert Zacharias. «Es müsste unbedingt ein Programm organisiert werden, mit dem diese Wissenschaftler in den regulären Arbeitsmarkt vermittelt werden können.»
Viele Wissenschaftlerinnen bleiben kinderlos
Für Frauen sei die Lage besonders schlimm. «Etwa 80 Prozent der Wissenschaftlerinnen bleiben kinderlos, obwohl drei Viertel der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen sich Kinder wünschen», sagte Zacharias – auch das ist ein Dauerthema, die hohe Kinderlosigkeit von Akademikerinnen hatte vor Jahren schon die frühere Sozialministerin Christa Stewens (CSU) im Landtag angeprangert.
Konkret schlägt die SPD unter anderem vor, die Bedingungen für Juniorprofessoren zu verbessern und nach dem Muster englischsprachiger Hochschulen einen «Tenure-Track» (akademischen Laufbahnpfad) anzubieten, damit gute Wissenschaftler unbefristete Verträge erhalten können. Außerdem soll – ebenfalls nach angelsächsischem Vorbild – eine neue unbefristete Position für Dozenten unterhalb der Professur geschaffen werden – der «lecturer». Und die Staatsregierung soll mehr für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie an den Hochschulen tun. CARSTEN HOEFER, dpa
(10.4.2012)