Büro statt Taxi: Unis wollen ausländische Akademiker integrieren

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REGENSBURG/DUISBURG. Zuhause sind sie Ärzte, Architekten oder Ingenieure, in Deutschland fahren sie Taxi, putze oder kellnern. Ein Porjekt an zwei Universitäten soll das jetzt ändern und die Akademiker in den qualifizierten deutschen Arbeitsmarkt integrieren.

Sie sind hoch qualifiziert, arbeiten in Deutschland aber als Taxifahrer, Putzfrauen oder im Service in der Gastronomie. Zugewanderte Akademiker haben mit ihren Abschlüssen aus dem Heimatland selten eine Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Mit dem Pilotprojekt ProSalamander der Universitäten Regensburg und Duisburg-Essen sollen vom 15. Oktober an nun ausländische Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieure und Sprach- und Kulturwissenschaftler nachqualifiziert werden. Dafür hat die Stiftung Mercator aus Essen für die nächsten vier Jahre insgesamt 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, von denen vor allem die Stipendien finanziert werden.

Taxi fahren ist für viele ausländische Akademiker die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen. (Foto: Matti Blume/Wikimedia CC BY-SA 2.0)
Taxi fahren ist für viele ausländische Akademiker die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen. (Foto: Matti Blume/Wikimedia CC BY-SA 2.0)

«In Zeiten des Fachkräftemangels können wir uns eine solche Ressourcenverschwendung nicht leisten», sagt Prof. Rupert Hochholzer, Projektleiter in Regensburg. Im Vordergrund steht neben der fachlichen Ausbildung die sprachliche Kompetenz der Studenten. «Die Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiter ist ein Garant für den Erfolg eines Unternehmens», betont Hochholzer. Mit dem deutschen Abschluss und besseren Kenntnissen in mehreren Sprachen hätten die ausländischen Akademiker zwei Trümpfe mehr in der Hand.

Mangelnde Deutschkenntnisse sind die größte Hürde, betont Biljana Andjelkovic Pajkic, die in Belgrad Journalismus und Politikwissenschaft studiert hat. «Ich habe nicht einmal ein Praktikum bekommen, weil mein Deutsch nicht gut genug war.» Nun büffelt die 32-Jährige in den kommenden drei Semestern für den deutschen Abschluss und muss auch an den Wochenenden perfektes Deutsch lernen. Spätestens in einem halben Jahr muss sie die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang (DSH) bestehen. Die Unis helfen dabei mit speziellen Kursen.

So gehen Mitte Oktober in Regensburg 16 und in Duisburg/Essen 10 Stipendiaten an den Start. «Das Projekt hat auch einen integrativen Ansatz», erläutert Katharina Jacob, Projektleiterin der Uni Duisburg-Essen. Wenn diese Menschen in ihren erlernten Berufen arbeiten könnten, seien sie richtig in Deutschland angekommen. In diesem Herbst sollen auch im Ruhrgebiet alle 16 Plätze vergeben werden.

Die Förderung umfasst 800 Euro im Monat für maximal drei Semester. «Ohne Stipendium geht es in Deutschland nicht», erläutert die Projektmanagerin bei der Stiftung Mercator, Cornelia Schu. Oftmals jobbten die ausländischen Akademiker seit Jahren als geringfügig Beschäftigte oder erhielten staatliche Hilfen. «Sobald sie sich dann an der Uni einschreiben, fallen sie aus der Förderung heraus. So ist ein Studium nicht zu stemmen», betont Schu. Das Projekt solle aufzeigen, dass eine Nachqualifizierung in vergleichsweise kurzer Zeit machbar ist. «Anschließend muss dann die Politik über eine Systemänderung debattieren mit dem Ziel, Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung für die Zielgruppe zu eröffnen. Das kann auf Dauer keine Aufgabe für private Stiftungen bleiben.»

In Bayern sind die Teilnehmer des Projektes zudem von der Studiengebühr befreit. «Das Geld ist nur ein Bonus. Ich will endlich in dem Bereich arbeiten, den ich gelernt habe», sagt Anna Lindhorst, die vor zwei Jahren aus Russland nach Regensburg kam. Die 26-Jährige hat in ihrer Heimat einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften und ein Diplom im Finanz- und Kreditwesen. Gearbeitet hat sie zuletzt aber immer nur auf 400-Euro-Basis im Einzelhandel. «Ich habe mich so oft beworben. Es hieß aber immer: Wer nicht an der deutschen Uni ist, bekommt keinen Job.»

Voraussetzung für ein Stipendium ist ein abgeschlossenes Studium an anerkannten Universitäten im Ausland. «Außerdem mussten die Bewerber ein gewisses sprachliches Niveau erfüllen und uns von ihrer Motivation überzeugen», erläutert die Diplom-Pädagogin Joanna Sommer, die an der Uni Regensburg für die Auswahl der Kandidaten mitverantwortlich ist. Teilzeit- oder Fernstudium seien nicht möglich. «Außerdem wird kontrolliert, welche Kurse die Stipendiaten belegen und ob sie die Scheine machen.» Wer nicht streng durchstudiert, fliegt aus dem Programm.

Biljana Andjelkovic Pajkic und Anna Lindhorst wirken kurz vor Studienbeginn hochmotiviert. Während sich die gebürtige Serbin eine berufliche Zukunft bei einem Verlag erhofft, will die Russin aus dem fernen Sibirien bei einem internationalen Unternehmen landen. «Dort könnte ich neben meiner Fachkenntnis mit Deutsch und Russisch glänzen», sagt die 26-Jährige. Hauptsache keinen Aushilfsjob mehr. André Jahnke/dpa

(24.9.2012)

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