Experte: Probleme bei der Bildungsreform schaden besonders der SPD

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STUTTGART. Baden-Württembergs Schulminister Stoch stehen mit dem neuen Schuljahr eine Menge Hausaufgaben ins Haus. Gewinnen kann er dabei nicht viel, stellt der Politikwissenschaftler Oskar Gabriel fest. Welches sind die wichtigsten Baustellen?

Schwierigkeiten bei den Bildungsreformen werden nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Oscar Gabriel vor allem der SPD schaden. Die SPD habe mit Andreas Stoch den Kultusminister inne. Schwerer wiege aber, dass sich die SPD als Juniorpartner in der grün-roten Koalition ohnehin nur begrenzt profilieren könne. «Sie leidet aus erster Sicht darunter, wenn die Regierung kritisiert wird», sagte Gabriel.

Unter Druck: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Staatskanzlei Baden-Württemberg
Muss viele Baustellen angehen und gleichzeitig sparen: Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Foto: Staatskanzlei Baden-Württemberg

Bildungspolitik könne Regierungen stürzen, sagte Gabriel. Er verwies auf das Scheitern der schwarz-grünen Koalition 2011 in Hamburg. Nach seinem Eindruck reagieren Wähler auf bildungspolitische Experimente – insbesondere auf Strukturreformen – ablehnend, sagte Gabriel.

Gabriel zweifelte daran, dass man mit Strukturreformen das Bildungssystem qualitativ verbessern kann. Nötig sei mehr Geld. Das deutsche Bildungssystem sei seit Jahrzehnten unterfinanziert. «Jeder weiß das, und keiner tut etwas dagegen.»

Fragen und Antworten zur Schulentwicklung im Südwesten:

Welche Folgen kann die regionale Schulentwicklung haben?

349 Haupt- und Werkrealschulen konnten schon 2012/13 nicht genug Schüler für ihre Eingangsklassen zusammenbekommen. Für sie könnte die einzige Rettung in der Gemeinschaftsschule liegen. Deshalb schätzt die Lehrergewerkschaft GEW, dass im Herbst mehrere Hundert Schulträger Anträge auf Einrichtung dieser Schulart stellen. Manch Bürgermeister wird vor missliebigen Entscheidungen stehen, denn mit Schulen verschwinden wichtige Standortfaktoren.

Was geschieht mit den Lehrern der bedrohten Schulen?

Die betroffenen 13 000 Lehrer von Haupt- und Werkrealschulen stehen derweil vor einer ungewissen Zukunft. Die GEW verlangt, dass Kultusminister Andreas Stoch (SPD) mit betroffenen Schulleitern und Kollegien dringend in den Dialog tritt. «Bislang herrscht da noch Funkstille», klagt GEW-Landeschefin Doro Moritz.

Welche Einsparungen sind im kommenden Schuljahr geplant?

2013/14 ist das erste von sieben Jahren, in denen schrittweise die Zahl der Lehrerstellen um insgesamt 11 600 verringert wird. Zunächst sollen 1000, 2014/15 dann 1200 Stellen wegfallen. Durch 14 Prozent weniger Entlastung für außerunterrichtliche Arbeiten erwirtschaftet Stoch 236 Stellen. Der Wegfall der Koordinierungsstunden für die Hausaufgabenbetreuung am Gymnasium bringt 64. Und der Schülerschwund an Haupt- und Werkrealschulen erlaubt 2013/14 wohl auch Streichungen. Wie Stoch den Rotstift ansetzt, ohne die Unterrichtsversorgung zu verschlechtern, will er an diesem Mittwoch erklären.

Wie sehen das die Lehrerverbände?

Sie glauben nicht daran, dass Stoch diesen Widerspruch auflöst. Zuviel stehe noch auf der Agenda. «Wir vermissen Konzepte für den Ausbau der Ganztagsschulen und die Inklusion behinderter Schüler», meint die GEW. Mit der Integration behinderter Schüler würden vor allem die Grundschulen alleingelassen. Man könne damit nicht warten, bis Geld vom Bund dafür komme. «Wenn beispielsweise die Lehrerreserve in dieser Legislaturperiode auf 2,5 Prozent ausgebaut oder die Inklusionsquote bis 2016 auf 50 Prozent erhöht werden sollen, dürfte keine einzige Stelle gestrichen werden», mahnt Moritz.

Wie sieht es mit der Unterrichtsversorgung 2013/14 aus?

Minister Stoch habe auf die starken Rückgänge der Schülerzahlen an Haupt- und Werkrealschulen reagiert und Stellen übertragen, heißt es im Ministerium. Bei allen Schularten zeichne sich daher «eine ausreichende oder bessere Versorgung» ab. Auch der Lehrerverband VBE glaubt an eine gute Versorgung, im Ergänzungsbereich jedoch herrsche Kahlschlag. «Da wo sich Kinder und Lehrer abseits von der Notengebung begegnen können, bei Theater, Sport oder Musik, ist nichts mehr möglich», klagt Verbandvize Michael Gomolzig. Eine Profilbildung sei so nicht mehr möglich. Von «Kahlschlag» könne keine Rede sein, heißt es im Ministerium. Musik und Theater seien weiter möglich. Über die pädagogischen Assistenten kämen der Ergänzungsstunden auch Grund-, Haupt- und Werkrealschulen zugute. Auch die GEW hatte moniert, dass die Grundschulen blank dastünden, weil sie anders als andere Schularten keine Poolstunden erhielten.

Wie viele Lehrer kommen neu an die Schulen?

Im Schuljahr 2013/14 werden trotz der Streichungen 4550 Pädagogen neu an die Südwest-Schulen kommen – ebenso viele wie im Vorjahr. Dabei handelt sich aber nicht um zusätzliche Kräfte, sondern nur um Ersatz für freiwerdende Stellen, etwa nach Pensionierungen.

Wie geht es mit den Ganztagsschulen weiter?

Im neuen Schuljahr gehen 95 weitere Ganztagsschulen an den Start, so dass über 1000 Schulen im Land ein solches Angebot haben. Die Kommunen verlangen dringend, die Angebote im Schulgesetz zu verankern, damit wichtige Fragen endlich geklärt werden – etwa nach dem Kostenträger für die Aufsicht beim Mittagessen. (news4teachers mit Material der dpa)

Zum Bericht: Baden-Württemberg: Nicht mal mehr Geld für Schülertheater?

Zum Bericht: Schulentwicklung im Südwesten – Bürgermeister müssen «Illusionen begraben»

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