Kongress: Kampf gegen Politikverdrossenheit beginnt in der Schule

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ROSTOCK. In Mecklenburg-Vorpommern gaben bei der Bundestagswahl nur zwei von drei Wahlberechtigten ihre Stimme ab, das könnte ein Zeichen von Politikverdrossenheit sein. Die Chance zur direkten Mitbestimmung könnte die Menschen dazu aktivieren, sich mehr zu beteiligen.

Die Mitbestimmung bei wichtigen Entscheidungen der Gesellschaft kann nach Ansicht des Direktors der Landeszentrale für politische Bildung, Jochen Schmidt, ein Weg aus der zunehmenden Politikverdrossenheit sein. Dies sollte schon in der Schule beginnen, wenn beispielsweise die Schülerversammlung über die Gestaltung des Schulhofes entscheiden kann. «Da können die Schüler die Erfahrungen von ihrer eigenen Wirksamkeit machen», sagte Schmidt beim 6. Jahreskongress zur politischen Bildung Mecklenburg-Vorpommern in Rostock mit rund 200 Teilnehmern.

«Wir müssen uns prinzipiell überlegen, wie die politische Ordnung an bestimmten Stellen der Gesellschaft weiterentwickelt werden kann.» Dabei könnten Befragungen von Bürgern abgeleitet vom Schweizer Modell eine Möglichkeit sein, sie seien allerdings kein Allheilmittel. Um den Menschen das Interesse an Politik zu vermitteln, seien vielmehr niederschwellige Angebote notwendig. Dazu zählten beispielsweise die Demokratie-Busse im ländlichen Raum, um mit den Menschen über Politik ins Gespräch zu kommen, sagte Schmidt.

Der Freiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eith betonte, dass es in Deutschland eine hohe Demokratiezufriedenheit gebe. Diese lasse es nicht zu, von einer allgemeinen Politikverdrossenheit zu sprechen. Bedenklich sei jedoch das Auseinanderdriften von Reich und Arm. «Wir haben ein zunehmendes Abkoppeln unterer sozialer Gruppen und Schichten.» Die Menschen zeichneten sich durch Ohnmachtsgefühle, Unkenntnis, Distanz oder auch Überforderung aus.

Etwa ein Drittel der Bevölkerung mit unterdurchschnittlichen Bildungsabschlüsse sei davon betroffen – und entferne sich so aus dem politischen Prozess. «Sie sind ein Reservoir für Populisten jeglicher politischer Couleur in Krisenzeiten», sagte Eith. Die Hälfte der Bevölkerung beobachte den politischen Prozess zwar interessiert, sehe aber nicht die Notwendigkeit, permanent politisch aktiv zu sein. «Sie erwarten effektive Problemlösungen.»

Die Rostocker Politikwissenschaftlerin Gudrun Heinrich betonte, dass Menschen, die sich von der Politik abgewendet haben, mit vielen verschiedenen Angeboten zurückgeholt werden müssten. Dazu gehörten kulturelle Veranstaltungen, auch von Vereinen wie der Feuerwehr. Themen müssten eher im Lokalen zu finden sein. «Politik muss ein Thema im Alltag sein, das auch Spaß macht.» dpa

 

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