„Schüler wissen zu wenig über andere Religionen“ – ein Interview mit Bernadette Schwarz-Boenneke von der Quandt-Stiftung

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BAD HOMBURG. Schüler wissen häufig zu wenig über andere Religionen, meint die Quandt-Stiftung. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Thematik könne aber sogar das Schulklima verbessern. Bernadette Schwarz-Boenneke von der Quandt-Stiftung berichtet im Interview, worauf es ankommt, um an den Schulen möglichst großen Respekt füreinander zu erreichen.

Die Herbert Quandt-Stiftung setzt sich seit fast zehn Jahren mit dem Schulwettbewerb «Trialog der Kulturen» für eine bessere Verständigung von Juden, Christen und Muslimen ein. Hintergrund dafür war eine Untersuchung von Lehrplänen, Unterrichtsmaterialien und Kenntnissen der Schüler in acht europäischen Ländern. Das Ergebnis: Das Wissen über andere Kulturen und Religionen war gering und der Bezug im Unterricht meist historisch und auf Konflikte orientiert.

News4teachers.de: Nimmt das Verständnis der Schüler für andere Religionen aus Ihrer Sicht zu? Oder werden Unkenntnis, Abwertung und Diskriminierung stärker?

Schwarz-Boenneke: Die Einführung des islamischen Religionsunterrichts in Hessen und anderen Bundesländern ist ein wichtiger Schritt. Die Gesellschaft muss den Dialog zwischen Religionen und Kulturen dennoch fortwährend führen und sich tagtäglich über den gemeinsamen Konsens verständigen. Unserer Ansicht nach ist dies nicht allein die Aufgabe des Religions- oder Ethikunterrichts. Uns geht es darum, in allen Fächern andere Perspektiven einzunehmen und den Themen-Kanon zu überdenken. Zugleich machen Schulen in unserem Wettbewerb die Erfahrung, wie befruchtend und hilfreich es sein kann, sich Wissen von externen Partnern zu holen.

News4teachers.de: Wie schätzen Sie den Nachholbedarf an interreligiöser Bildung ein? Wissen Jugendliche zu wenig übereinander?

Schwarz-Boenneke:  Jugendliche wissen häufig zu wenig übereinander, aber zumeist auch ebenso wenig über sich selbst. Deshalb ist es wichtig, dass sich Schüler zunächst mit der eigenen Identität beschäftigen, wenn sie die des anderen kennenlernen und verstehen wollen. Kommt das Eigene zu kurz oder werden Unterschiede zu schnell verwischt, kann man in keinen konstruktiven Dialog treten. Schüler sollten kulturelle und religiöse Traditionen und Phänomene erkennen und darüber in einen konstruktiven Dialog treten können. Sie sollten die eigenen Identität reflektieren und Menschen anderer kultureller und religiöser Prägungen mit Respekt, Interesse und Wertschätzung begegnen können.

Die katholischen Bischöfe beunruhigt die schwindende Bedeutung des Christentums in Deutschland. Foto: iwaswired Don Dearing / Flickr (CC-BY-SA-2.0
Wenn die Religionsanhänger sich besser kennen lernen, verbessere das das Klima an der Schule. Foto: iwaswired Don Dearing / Flickr (CC-BY-SA-2.0

News4teachers.de: Wie lässt sich das Schulklima verbessern, wenn es Konflikte zwischen Schülern unterschiedlicher Religionen und Kulturen gibt?

Schwarz-Boenneke:  An den Schulen, die sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen, beobachten wir eine deutliche Verbesserung des Schulklimas. Unablässig dafür ist aber das Wissen um die anderen Religionen und die Begegnung zwischen den Menschen. Wechselseitiger Respekt und Wertschätzung sind nicht von heute auf morgen zu erreichen.

News4teachers.de: Haben Sie Tipps für die Schulen?

Schwarz-Boenneke: Reine Wissensvermittlung reicht genauso wenig aus wie sich nur auf den Unterricht zu beschränken. Wir empfehlen daher, in allen Fächern interreligiöse und -kulturelle Inhalte einzubeziehen und zu versuchen, öfter mal die Perspektive zu wechseln. Das kann bedeuten, dass man seinen Lektüre-Kanon im Deutschunterricht überdenkt, im Musikunterricht stärker andere Traditionen und die Hörerfahrungen von Schülern mit Migrationsgeschichte einbindet und im Geschichtsunterricht Darstellungen nichtdeutscher Schulbücher hinzuzieht. Das heißt aber auch, projektorientiert zu arbeiten und aus der Schule rauszugehen. Ira Schaible/dpa

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Knut M.
10 Jahre zuvor

Erwachsene wissen auch wenig über andere Religionen. Na und? In was sollen die Schüler denn noch alles unterrichtet, aufgeklärt und vorbereitet werden? Darf nicht auch einiges auf anderem Wege wie z.B. persönlichem Interesse oder persönlicher Notwendigkeit in späteren Jahren gelernt werden? Ich habe den Verdacht, dass es zunehmend um Unterricht in politisch gewolltem Wissen und politisch korrekter Gesinnung geht. Eine Art Gehirnwäsche, krass gesagt. Für ihr eigenes Leben und Fortkommen brauchen die Schüler in der Regel anderes als das, was ihnen an immer Neuem übergestülpt werden soll.