Bayerns Philologen kippen um: Sie wollen jetzt doch zurück zu G9

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MÜNCHEN. Ärger für Seehofer: Eigentlich hatten Bayerns Gymnasiallehrer zähneknirschend ihren Frieden gemacht mit dem achtjährigen Gymnasium. Doch zehn Jahre nach der für die Schulen höchst überraschenden Ankündigung durch den früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber begehrt der bayerische Philologenverband erneut auf. Bei der Hauptversammlung in Amberg gab es so viel Unmut über das G8, dass der Verband die Rückkehr zum G9 fordert.

Muss er sich bald mit einem Volksbegehren gegen G8 herumschlagen? Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Foto:  Henning Schlottmann / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Muss er sich bald mit einem Volksbegehren gegen G8 herumschlagen? Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Foto: Henning Schlottmann / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Für Kultusminister Ludwig Spaenle ist das ebenso unerfreulich wie für Ministerpräsident Horst Seehofer (beide CSU). Denn Seehofer hat bereits verkündet, dass es in den nächsten Jahren keine Bildungsreformen mehr in Bayern geben solle.

Spaenle war es in der vergangenen Wahlperiode gelungen, den Ärger über die CSU-Bildungspolitik so weit zu dämpfen, dass das Thema Schule keine große Rolle im Landtagswahlkampf spielte. Nun macht der Philologenverband ein Fass auf, das die CSU erfolgreich geschlossen wähnte. Dementsprechend verschnupft reagierte Spaenle: Für «strukturelle Lösungen» – also eine Verlängerung der Gymnasialzeit – sieht er keinen Bedarf. «Der pädagogische Mehrwert ist überschaubar.»

Für die CSU rächen sich nun vor allem zwei Dinge, wobei die Partei für einen der beiden Punkte nichts kann: Grund für die Einführung des G8 in Deutschland waren nicht pädagogische Überlegungen, sondern der sehr späte Berufseinstieg deutscher Akademiker. Wegen der Wehrpflicht und langer Studienzeiten traten vor zehn Jahren viele junge Männer ihre erste Stelle erst mit Ende 20 oder Anfang 30 an, während die Uniabsolventen in den USA oder Großbritannien in der Regel mit 23 ihre akademische Ausbildung beendeten.

Inzwischen aber ist die Wehrpflicht abgeschafft, die Studienzeiten sind auch in Deutschland verkürzt. Vielen Gymnasiallehrern ebenso wie ihrem Verbandspräsidenten Max Schmidt ist aufgefallen, dass damit auch die ursprüngliche Rechtfertigung des G8 hinfällig ist.

Es rächt sich aber auch ein hausgemachter Fehler der CSU: Stoiber hatte im Landtagswahlkampf 2003 eine Verkürzung der Gymnasialzeit ausgeschlossen und dann kurz nach der Landtagswahl eine Kehrtwende hingelegt. Und weil die CSU immer und grundsätzlich vorne sein will, musste Bayern dann die schnellste G8-Einführung aller Bundesländer hinlegen. Der Philologenverband fühlte sich düpiert.

Weil der Lehrplan nicht entsprechend gekürzt wurde, häuften sich die Klagen der Eltern über die Belastung der Kinder und Jugendlichen. Den Anfangsärger über die verkorkste Einführung haben sämtliche Kultusminister der vergangenen zehn Jahre nie überwinden können.

Nun will der Philologenverband ein eigenes G9-Konzept vorlegen. «Gymnasiale Bildung braucht Zeit und wir möchten für die Zukunft sicherstellen, dass bayerische Abiturienten keine Vorsemester oder Hochschuleingangsprüfungen für ein Studium benötigen», erklärte Schmidt.

Damit gießt der Philologenverband Wasser auf die Mühlen der Opposition, obwohl der Verband in der Bildungspolitik der CSU eigentlich viel näher steht als SPD, Grünen und Freien Wählern. Insbesondere Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger reagierte hocherfreut: Die jetzige Diskussion sei ein «Super-GAU» für die CSU, sagte er der Zeitungsgruppe «Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung».

Dabei ist Eigeninteresse im Spiel: Die Freien Wähler sammeln seit Monaten Stimmen für ein Volksbegehren, mit dem ein Parallelbetrieb von G8 und G9 in Bayern eingeführt werden soll. Die Unterschriftensammlung dümpelte bisher ohne allzu großen öffentlichen Widerhall vor sich hin, nun haben die Gymnasiallehrer dem Thema G8 neue Aufmerksamkeit beschert. Und auch Grüne und SPD reagierten schadenfroh: Die Forderung des Philologenverbands sei eine «echte Watschn» für Spaenle, kritisierte etwa die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Simone Strohmayr. dpa

Zum Bericht: Gegen G8: Freie Wähler starten Volksbegehren in Bayern

 

 

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