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Studie zur Inklusion: Schwache Schüler profitieren, starke halten ihr Niveau

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SCHWERIN. Inklusion kann gelingen – offenbar ohne dass dafür massiv Geld ausgegeben werden muss. Dies ist jedenfalls das Ergebnis einer Studie, die die Schülerleistungen in einem Modellversuch auf Rügen mit denen herkömmlicher Grundschulen in Schwerin verglich. Fazit: Leistungsschwache Schüler profitierten vom gemeinsamen Unterricht, ohne dass starke Schüler benachteiligt würden. Die Untersuchung war die bundesweit erste ihrer Art.

In Grundschulen wird am häufigsten gemeinsam unterrichtet. Foto: BAG „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“

Der Schulversuch auf Rügen, Grundschüler mit und ohne Beeinträchtigungen gemeinsam zu unterrichten, verläuft nach einer Studie der Universität Rostock erfolgreich. Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsminister Matthias Brodkorb (SPD) zog das Fazit für das Schuljahr 2012/13: «Es gibt keine negativen Konsequenzen für das Leistungsniveau der Schüler insgesamt, aber positive für die Leistungsschwachen.»

An dem 2010 gestarteten Schulversuch zur Inklusion beteiligen sich nach Angaben von Prof. Bodo Hartke von der Uni Rostock alle zwölf Grundschulen auf Rügen. Die Ergebnisse der Schüler an den neuen Inklusionsschulen wurden mit denen Gleichaltriger aus Stralsund verglichen, die im herkömmlichen Schulsystem mit Grundschulen, Förderklassen, Sprachheilschulen oder Sonderschulen und -kursen unterrichtet werden.

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Verglichen wurden Leistungen in Mathematik, Lesen und Rechtschreiben. Außerdem ging es um Verhaltensauffälligkeiten – die emotionale soziale Entwicklung der Kinder – , um das Lernen und das Aufholen von Sprachentwicklungsstörungen. In die Studie waren auf Rügen bis zu 429 Kinder, in Stralsund 367 Schüler dritter Klassen einbezogen.

Im ersten Versuchsjahr, dem Schuljahr 2011/12, wurden Hartke zufolge die Erwartungen an das Inklusionsmodell wegen leicht geringerer Leistungen der Schüler auf Rügen nicht erfüllt – noch nicht. Die wissenschaftliche Auswertung aktueller Daten belege hingegen, dass die Inklusion auf Rügen gelinge. «Kinder mit Förderbedarf werden angemessen gefördert, zum Teil mehr als angemessen.“, sagte Hartke. Bei Kindern mit dem Förderschwerpunkt Lernen zeigten sich „deutliche Erfolge auf Rügen“ gegenüber Altersgenossen aus Stralsund, ebenso seien bei Kindern mit dem Förderschwerpunkt „emotional-soziale Entwicklung“ positive Effekte auf Rügen zu verzeichnen. Bei Schülern mit dem Förderschwerpunkt Sprache hätten sich gleichwertige Ergebnisse in den untersuchten Settings gezeigt.

Hartke betonte: „Wir können keine negativen Einflüsse auf andere Kinder verzeichnen.» Eine zusammenfassende Betrachtung der VERA-Daten Klasse 3 des Jahres 2013 zeige, dass die Leistungsstände der „regulären Drittklässler“ auf Rügen in Mathematik und Deutsch dem Landesdurchschnitt voll entsprächen.

Nach Hartkes Worten werden auf Rügen mittlerweile 1600 Schüler nach dem Inklusionsmodell unterrichtet. Laut Brodkorb gelingt das ohne zusätzliches Geld. Für die Fort- und Weiterbildung der Lehrer seien allerdings 400.000 Euro pro Jahr ausgegeben worden. Wie es mit dem Schulversuch weitergehen soll, wollte Brodkorb noch nicht sagen. Die Ergebnisse seien jetzt erst in den Fraktionen der im Landtag vertretenen Parteien vorgestellt worden. Auch die Eltern auf Rügen dürften nicht übergangen werden.

Der schulpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Butzki, wertete als besonders positiv, dass leistungsschwache Schüler auf Rügen bereits in zwei Schuljahren den Leistungsstand erreicht hätten, den Kinder in Diagnoseförderklassen erst nach drei Jahren erlangen. Jetzt müssten die Erfahrungen in ein Konzept des inklusiven Lernens für das gesamte Land einfließen. Der Vize-Chef der CDU-Landtagsfraktion, Torsten Renz, sagte: «Bei aller Freude über die guten Ergebnisse der Schüler mit besonderem Förderbedarf dürfen aber nicht alle anderen Schüler, auch die leistungsstarken, aus dem Blick verloren werden», mahnte er. In Mecklenburg-Vorpommern regiert eine rot-schwarze Koalition.

Auch die Opposition zeigte sich über die Studienergebnisse erfreut. Mit dem Weg des inklusiven Lernens könne die Förderung aller Schüler gelingen. «Erforderlich sind eine ausreichende Anzahl an Stunden und eine unterrichtsbegleitende personelle Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer», hieß es. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Ulrike Berger, sagte: «Die Untersuchung zeigt, dass eine inklusive Schule nicht nur Ausgrenzungen abbaut, sondern auch zu echten Leistungsverbesserungen führen kann.» Das stimme sie optimistisch, dass der Bildungsminister die notwendigen Voraussetzungen für die Weiterführung des Schulversuchs in der Orientierungsstufe, also in der 5. und 6. Klasse, schaffen werde. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu der Studie.

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