Hintergrund: Wie Baden-Württemberg auf rückläufige Schülerzahlen reagiert

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STUTTGART. Das baden-württembergische Kultusministerium hat die Novelle des Schulgesetzes zur Regionalen Schulentwicklung in den Landtag eingebracht. Damit reagiert Grün-Rot auf demografische und gesellschaftliche Veränderungen. Nicht gestaltend einzugreifen, wäre nach den Worten von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) verantwortungslos, zumal Kommunen, Eltern und Wirtschaft Planungssicherheit brauchten.

Auslöser: Sinkende Schülerzahlen und verändertes Schulwahlverhalten, das durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung verstärkt wird, machen einen Umbau der Schullandschaft notwendig. Im Land werden bis 2020 rund 150 000 Schüler weniger als heute die Schulbank drücken; Haupt- und Werkrealschulen werden zunehmend unbeliebter. Zu kleine Schulstandorte, die die Angebotsvielfalt und personelle Flexibilität nicht mehr gewährleisten, sollen vermieden werden. Dies dient auch dem effizienten Einsatz der Mittel. Allerdings sollen gerade im ländlichen Raum keine weiße Flecken entstehen.

Ziel: Ein regional ausgewogenes Bildungsangebot soll den Schülern alle Bildungsabschlüsse in zumutbarer Entfernung ermöglichen. Basis der Entwicklung ist das grün-rote Zwei-Säulen-Modell mit dem Gymnasium einerseits und der Gemeinschaftsschule andererseits. Auf Basis von Schülerströmen, Geburtenraten, Übergangsquoten auf die weiterführenden Schulen, Nahverkehrsanbindungen, Inklusionsbedarf sowie Nachfrage und Angebot an Ganztagsschulen sollen Schulverwaltung, Bürgermeister, Eltern-, Lehrer- und Hochschulvertreter gemeinsam planen.

Erfasste Schularten: Alle weiterführenden Schulen sind betroffen. Für berufliche Schulen gibt es spezielle Verfahren mit Einbezug der Wirtschaft ebenso für Sonderschulen mit ihren sehr kleinen Klassen und dem Schwerpunkt auf unterschiedlichen Behinderungen. Für die Grundschulen gilt weiterhin der Grundsatz: «Kurze Beine, kurze Wege».

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Anlass: Ein kommunaler Schulträger kann eine regionale Schulentwicklung beantragen, wenn er eine neue weiterführende Schule einrichten, eine bestehende Schule aufheben oder umwandeln möchte. Eine Gemeinde oder ein Landkreis, die selbst keine Schule haben, können auch einen Antrag auf Einrichtung einer Schule in einer Nachbargemeinde stellen, damit ihre Jugendlichen diese Schule besuchen können. Die Schulentwicklung wird überdies quasi automatisch in Gang gesetzt, wenn die Mindestschülerzahl unterschritten wird. Geschieht das in der Eingangsstufe in zwei hinter einander folgenden Jahren und die Schule ergreift keine eigene Maßnahme, muss die Schulverwaltung die Schule schließen. Ein Schulträger kann auch von sich aus die regionale Schulentwicklung anstoßen, um ein stabiles Angebot an Bildungsabschlüssen vor Ort zu sichern.

Antragstellung: Haupt-/Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen müssen Anträge über das staatliche Schulamt an das Regierungspräsidium stellen. Bei beruflichen Schulen und Gymnasien ist das Regierungspräsidium der unmittelbare Adressat.

Regionen: Der Schulträger benennt ein Gebiet für die regionale Schulentwicklung, auf das sich sein Antrag bezieht. Hierbei müssen die Belange der Schülerbeförderung einbezogen werden. Das Regierungspräsidium überprüft die benannte Region und legt gegebenenfalls eine davon abweichende räumliche Einheit fest. Bei schulorganisatorischen Veränderungen für allgemeinbildende Schulen sind Auswirkungen auf das berufliche Schulwesen mit einzubeziehen.

Mindestgrößen: Schulen sollten bei Neugründungen mindestens 40 Schüler in der Eingangsstufe haben – also zweizügig sein. Es reicht auch, wenn diese Zahl mittelfristig prognostiziert wird. Geschlossen werden bestehende Schulen, wenn sie in zwei aufeinanderfolgenden Jahren weniger als 16 Schüler in der Eingangsklasse haben. Davon wird nur dann abgesehen, wenn ein entsprechender Bildungsabschluss nicht in zumutbarer Erreichbarkeit von einer anderen öffentlichen Schule angeboten wird. 2012/13 hatten 125 der 862 Haupt- und Werkrealschulen keine Anmeldungen für die Eingangsklassen, 224 weniger als die Mindestschülerzahl von 16. Neue Gymnasien müssen in der Eingangsklasse 60 Schüler nachweisen. Für die Einrichtung einer Oberstufe muss eine Gemeinschaftsschule mindestens 60 Schüler für dieses Angebot nachweisen. dpa

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