„Schüler nicht gestresster“: Experten mehrheitlich für G8

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MÜNCHEN. Das verkürzte Abitur steht bundesweit in der Kritik. Auch in Bayern diskutieren die Politiker über die Rückkehr zu G9. Bei einer Anhörung im Landtag sprachen sich allerdings die meisten Experten dagegen aus, das neunjährige Abitur wieder zum Standard zu machen. Das G9 sei nicht beser als das G8, so das Hauptargument.

Bei einer Landtagsanhörung zur Zukunft des bayerischen Gymnasiums hat sich ein klares Bild ergeben: für die Beibehaltung des derzeitigen achtjährigen Gymnasiums. Lediglich der Bayerische Philologenverband und der Landeschülerrat sprachen sich bei dem Expertentreffen dafür aus, eine neunjährige Gymnasialzeit wieder zur Grundlage zu machen – mit Zusatzoption, das G9 auch in acht Jahren absolvieren zu können.

Eingang eines Gymnasiums (Ausschnitt)
G9 sei nicht besser als G8 befanden die meisten Experten. Foto: bbroianigo / pixelio.de

Sechs der geladenen dreizehn Lehrer und Wissenschaftler plädierten im Grundsatz für die Beibehaltung des achtjährigen Gymnasiums – unter anderem mit dem Argument, dass G8-Schüler nach den bisherigen Untersuchungen weder leistungsschwächer noch gestresster oder ängstlicher seien als G9-Schüler. Drei hielten ein Parallelangebot von acht- und neunjähriger Gymnasialzeit für sinnvoll, zwei vertraten keine klare Position pro oder kontra.

Geladen waren Schulleiter und Ministerialbeamte aus mehreren Bundesländern, Wissenschaftler, Elternvertreter und Wirtschaft. Das Hauptargument der G8-Befürworter: Dass G9 sei nicht besser. «Alles, was an Daten vorliegt, weist darauf hin, dass wir keine Unterschiede sehen», sagte der Bildungsforscher Manfred Prenzel.

Das gilt auch für die verbreiteten Sorgen, G8-Schüler seien so gestresst oder ängstlich seien, dass sie weder Zeit noch Muße für außerschulische Aktivitäten hätten: «Sie gehen gleichermaßen in den Sportverein, gehen gleichermaßen musikalischen Angeboten nach», sagte die Bochumer Wissenschaftlerin Grit im Brahm. Eine Wiedereinführung des G9 könne aber zu einer Öffnung der Gymnasien für Kinder von Nichtakademikern, sozial schwächeren und Einwandererfamilien führen.

Die Ulmer Wissenschaftlerin Katrin Hille argumentierte, weder G8 noch G9 passten für alle Schüler, so wie nicht eine Schuhgröße auf alle Füße passe. Stattdessen plädierte sie für die Individualisierung des Unterrichts: «Warum macht ihr nicht Schuhe, die jedem passen?»

Die Landeselternvereinigung der Gymnasien ist für das G8: «Wir sind der Ansicht, dass die Rückkehr zum G9 der falsche Weg wäre», sagte der stellvertretende Vorsitzende Rainer Kleybolte. Die Direktorenvereinigung der bayerischen Gymnasien ist ebenfalls gegen eine Rückkehr zum G9: «Wenn wir eine faktenbezogene Bilanz des G8 ziehen, sieht die gar nicht so schlecht aus», sagte der Vizevorsitzende Dieter Brückner unter Verweis auf die Statistiken, dass heute mehr Kinder aufs Gymnasium gehen als vor zehn Jahren, aber ein geringerer Prozentsatz sitzenbleibt. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft ist ebenfalls für die Beibehaltung des G8.
Für das G9 warben der Philologenverband und der Landeschülerrat. «Wir plädieren vehement dafür, das Gymnasium auf eine neunjährige Basis zu stellen», sagte bpv-Vizechef Michael Schwägerl. Landesschülersprecher Julian Fick kritisierte, am G8 gebe es keine «nachhaltige Lernkultur». «Ich habe selbst gerade Abitur gemacht und finde es erschreckend, wie wenig an Allgemeinwissen hängen geblieben ist.»

Der hessische Schulleiter Helmut Sämann aus Fulda erklärte, er sei ursprünglich ein Befürworter des G9 gewesen. Die Erfahrungen mit dem G8 seien an seiner Schule aber «ganz gut». Sämann plädierte dafür, die Lehrpläne zu «entfrachten». Eine Kürzung des Stoffs werde auch nicht zu einem Qualitätsverlust führen. «Der Glaube, all das, was an deutschen Gymnasien gelehrt wird, sei sinnvoll, ist ein Kinderglaube.» (dpa)

zum Bericht: Bayerns Schüler wollen zurück zu G9
zum Bericht: Wie G8 die Spaltung der deutschen Schullandschaft vertieft

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