Unis an die kurze Leine? Massive Kritik am geplanten Hochschulgesetz von Rot-Grün

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DÜSSELDORF. Es hagelt Kritik. Experten äußerten sich im Landtag zum geplanten neuen Hochschulgesetz – einem der umstrittensten Vorhaben der NRW-Regierung. Fast alle forderten Korrekturen. Die Zeit ist knapp.

Sehen sich an die Kandare genommen: die Hochschulen in NRW, hier: die Universität Münster; Foto: WWU Münster/Peter Grewer
Sehen sich an die Kandare genommen: die Hochschulen in NRW, hier: die Universität Münster; Foto: WWU Münster/Peter Grewer

Experten haben massive Kritik am geplanten neuen Hochschulgesetz geübt und deutliche Korrekturen verlangt. In einer Anhörung im Düsseldorfer Landtag sagten zahlreiche Sachverständige, die Autonomie der Hochschulen sei durch verstärkte Kontrollen und weitreichende «ministerielle Eingriffsmöglichkeiten» bedroht. Von «Wissenschaftsfeindlichkeit», «Entmündigung» und auch Verfassungswidrigkeit war die Rede.

Vertreter der Hochschulen forderten, auf das Instrument der Rahmenvorgaben zu verzichten. Das Wissenschaftsministerium könne den Hochschulen damit in zentralen Personal-, Verwaltungs- oder Wirtschaftsfragen verbindliche Vorschriften machen. Die Vorgaben wirkten wie Gesetze, das Parlament werde aber nicht entsprechend beteiligt, kritisierte die Vorsitzende der Uni-Rektorenkonferenz, Ursula Gather. «Gegen alle Sachargumente» solle den Hochschulen ihre Flexibilität genommen werden.

Die Planungs- und Steuerungsfähigkeit der Hochschulen sei in Gefahr, warnte die Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen. Der Gesetzentwurf sei vom «Geist des Misstrauens» geprägt, beklagte der Vorsitzende Martin Sternberg.

Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) hatte den Entwurf nach anhaltender Kritik im April in einer bereits geänderten Variante ins NRW-Parlament eingebracht. Das Gesetz soll schon zum Wintersemester 2014/15 in Kraft treten. Das neue Hochschulrecht gehört zu den umstrittensten Vorhaben der Landesregierung. Schulze hatte betont, die Politik habe bereits gute Anregungen in den Entwurf aufgenommen. Nicht verhandelbar sei aber «unsere Forderung nach mehr Transparenz». Man wolle wissen, «was mit dem Steuergeld an den Hochschulen passiert.»

Ablehnung kam in der Anhörung auch von den Uni-Hochschulräten. Die behauptete Hochschulautonomie sei ein «Etikettenschwindel», kritisierte die Vorsitzende Annette Fugmann-Heesing in einer schriftlichen Stellungnahme. Im Landtag bemängelte sie ein Übermaß an Vorgaben und Kontrollen. Das neue Hochschulrecht sei geradezu von «Kontrolllust geprägt», meinte Dieter Lenzen von der Hochschulrektorenkonferenz. Ein «leistungshemmendes Misstrauen» bemängelte der Deutsche Hochschulverband. Auch die Kunst- und Musikhochschulen forderten Nachbesserungen.

Die Landes-ASten als Studierendenvertretung lobten die Möglichkeit von Teilzeitstudiengängen. Einige Passagen zur geplanten Exmatrikulation sollten aber gestrichen werden, verlangte Sonja Lohf. Der Datenschutzbeauftragte Ulrich Lepper sieht Schwächen beim Umgang mit Daten von Hochschulabsolventen und Abbrechern. Sehr deutlich wurde der Kölner Rechtswissenschaftler Christian von Coelln: Der Entwurf enthalte eine Reihe von verfassungswidrigen Vorschriften. Mit «rigiden Vorgaben» sollten die Hochschulen «an die kurze Leine des Staates» genommen werden.

Die Industrie- und Handelskammer NRW blieb skeptisch bei den Transparenzregelungen für Drittmittel – also den auch aus der Wirtschaft eingeworbenen Mitteln für Forschungskooperationen. Zwar werde abgeschwächt nur noch eine Veröffentlichung erst nach Projektabschluss und ohne Details verlangt. Für viele Unternehmen sei das trotzdem ein Hinderungsgrund für Kooperationen. Der NRW-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Andreas Mayer-Lauber, nannte die Pläne zur Drittmittel-Transparenz dagegen richtig.

Positiv äußerte sich der Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie, Uwe Schneidewind: Die sehr hohen Autonomierechte seien im Entwurf gewahrt. Hochschulhandeln müsse sich an verbindlichen Rahmenbedingungen ausrichten.

Die Hans Böckler Stiftung nannte es zwar richtig, dass die Politik wieder stärkeren Einfluss auf die Akademikerschmieden nehmen wolle, forderte aber ebenfalls Änderungen. Ähnlich äußerte sich die Personalrätekonferenz der Hochschulen. Positiv bewerteten die Gleichstellungsbeauftragten den Entwurf im Hinblick auf mehr Frauen in Führungspositionen als Ziel. dpa

Zum Bericht: Hochschulen verschärfen Protest gegen Rot-Grün – Klagen drohen

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