Die gestresste Gesellschaft: Experten suchen nach Schutzfaktoren

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BERLIN. Was kann man tun, um sich vor Burnout oder gar Depressionen zu schützen? Seiner genetischen Veranlagung ist man zumindest nicht ganz hilflos ausgeliefert, sagen Forscher.

Der eine arbeitet 80-Stunden-Wochen Jahr für Jahr und fühlt sich bestens. Dem anderen geht im Teilzeitjob die Puste aus oder er rutscht aus der Arbeitslosigkeit in eine chronische Erschöpfung. Was macht manche Menschen anfälliger für Burnout, Stress oder auch Depressionen? Und was verschafft anderen mehr Widerstandskraft? Diesen Fragen geht unter anderem ein Forschungsprojekt zu Resilienz gegen Stress und Burnout der Daimler und Benz Stiftung nach – und es gibt erste Antworten, die in Berlin auf dem Kolloquium «Die gestresste Gesellschaft» diskutiert wurden.

«Die gute Nachricht ist: Wir wissen, dass uns unsere Gene nicht mehr fatalistisch beeinflussen», sagt Projektleiter Martin Reuter, Professor für Differentielle und Biologische Psychologie an der Universität Bonn. Demnach konnten die Forscher zunächst im Tierversuch, mittlerweile aber auch in einer großen Studie mit rund 1500 Probanden nachweisen, dass nicht nur im ererbten Genmaterial bestimmte Risikofaktoren für Depression und andere für Burnout enthalten sein können. Darüber hinaus verändern verschiedenste Umwelteinflüsse die Aktivität der Gene (Epigenetik) – und zwar in schützender wie in negativer Hinsicht.

Dieser Prozess, Methylierung genannt, verändert das Gen, so dass es gar nicht mehr oder nur noch schlecht abgelesen werden kann. Bestimmte Genprodukte, etwa vor Stress schützende Hormone, können dann nicht mehr produziert werden. Umgekehrt können äußere Umstände den Methylierungsprozess jedoch auch günstig beeinflussen – und die Widerstandskraft fördern. Diese Erkenntnis könne für individualisierte Medizin und Psychotherapie genutzt werden, hofft Reuter.

Stress kann ansteckend sein, ermittelten Tania Singer und Clemens Kirschbaum. Foto: topgold / flickr (CC BY 2.0)
Auf Stress reagiert jeder Mensch unterschiedlich. Foto: topgold / flickr (CC BY 2.0)

«Traditionell versteht man unter Resilienz die Fähigkeit eines Individuums, mit Widrigkeiten umzugehen und ein ‘normales Funktionieren’, also Wohlbefinden und Gesundheit, aufrechtzuerhalten», sagt Reuter. Das falle einigen leichter als anderen, aber die meisten könnten die täglichen Probleme bewältigen – «sie liegen quasi im Normbereich einer Gauß’schen Glockenkurve». Auf die Randbereiche dieser Kurve legte Reuters Team nun sein Augenmerk.

«BurnOut erinnert in seinen Symptomen wie Antriebsarmut oder Affektverflachung an eine Depression. Es handelt sich jedoch vielmehr um einen Zustand, der zur Depression führen kann», sagt Reuter. Diese Meinung ist allerdings unter Experten umstritten. So ist das Krankheitsbild Burnout auch bislang nicht offiziell anerkannt – und kann also nur unter anderer Diagnose therapiert und mit den Krankenkassen abgerechnet werden. «Wir müssen deutlich früher und gezielter behandeln. Heute erhalten nur zehn Prozent der Patienten eine adäquate Therapie», betonte Prof. Martin Keck vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München.

Für die Teilnehmer des Kolloquiums stand aber nicht nur die möglicherweise bald individuellere Therapierbarkeit, sondern auch die Prävention im Zentrum. «Wir können gesamtgesellschaftliche Probleme nicht allein auf das Gesundheitssystem als Reparaturbetrieb abschieben», sagte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens. Und Arbeitspsychologin Prof. Antje Ducki (Beuth Hochschule für Technik, Berlin) ergänzte, auch Unternehmen könnten hier einen großen Beitrag leisten, indem sie verschiedenste Maßnahmen einer «betrieblichen Mäßigungskultur» pflegten. Bislang gelte: «Kontinuität, Verlässlichkeit, Stille, Langsamkeit und Fokussierung werden zunehmend aus dem Arbeitsleben in die Führungskräfteseminare von Mönchsorden und in Burnout-Kliniken verschoben.» Andrea Barthélémy

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