Angela Merkel zu Besuch im Haltener Gymnasium: Gemeinsame Trauer nach der Germanwings-Katastrophe beeindruckt die Kanzlerin

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HALTERN. Nirgendwo hinterließ die Germanwings-Tragödie eine so große Lücke wie in Haltern. Um ihre 18 Todesopfer trauern Stadt und Schule gemeinsam. Der Zusammenhalt beeindruckt auch Bundeskanzlerin Merkel, die gekommen ist, um Mitgefühl zu zeigen.

Die Menschen in Haltern versuchen ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Sceenshot von der Facebook-Seite "We love Haltern".
Die Menschen in Haltern versuchen ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Sceenshot von der Facebook-Seite „We love Haltern“.

Auf der Schulhoftreppe in Haltern am See, wo an diesem Dienstag die Kanzlerin steht und zu den Schülern spricht, brannte vor knapp sieben Monaten ein Lichtermeer. Tausende Kerzen flackerten für 16 Mitschüler und 2 Lehrerinnen, die auch an diesem Tag so schmerzlich fehlen.

Sie starben an Bord der Germanwings-Maschine von Flug 4U9525, die der Copilot nach Ansicht der Ermittler absichtlich auf Crashkurs brachte. Angela Merkel ist gekommen, um die kleine Stadt am Rande des Münsterlandes wissen zu lassen, dass ihre Trauer nicht vergessen ist. «Behaltet die, die nicht mehr mit euch sind, in ganz, ganz guter Erinnerung», sagt die Kanzlerin vor Hunderten von Schülern, die sich auf dem Schulhof versammelt haben. Merkel spricht frei, wirkt nachdenklich.

Das Lichtermeer ist inzwischen verschwunden, der Schock einer stillen Trauer gewichen. Das Joseph-König-Gymnasium ist nicht mehr der gelähmte Ort, der die Schule Tage nach der Tragödie war. Auf dem Schulhof lärmen junge Leute in den Pausen wie anderswo auch und liegen sich nicht mehr schluchzend in den Armen. Doch die Trauer bleibt – vor allem für all jene, die Kinder, Kollegen oder enge Freunde verloren, wie Schülersprecherin und Direktor sagen.

Das gesamte Kollegium arbeite täglich daran, den Spagat zu schaffen zwischen der eigenen Trauer und der Alltagsbewältigung, sagt Schulleiter Ulrich Wessel. «Es gelingt uns jeden Tag ein bisschen besser, das Gedenken an unsere Verstorbenen so wach zu halten, dass die Erinnerung ganz verständlich zum Alltag dazugehört», sagt der Direktor.

Auf dem Schulhof brennt seit den Sommerferien neben einer stählernen Gedenktafel jeden Tag eine Kerze – geschützt hinter einer Scheibe. In einen Trauerraum können sich die Schüler zurückziehen. Für die besonders betroffenen Schüler der heutigen Jahrgangsstufe 11 soll es im Frühjahr die Möglichkeit geben, zur Absturzstelle zu fahren.

Diese vorbildliche Form der Trauerarbeit sei es auch, die sie besonders beeindruckt habe, lobt Angela Merkel auf dem Schulhof. «Das, was ich mitnehme, ist, dass ich das Gefühl habe, dass Sie versuchen, hier gemeinsam damit fertig zu werden.» Vielleicht könne man mit dieser so schmerzenden Warum-Frage sowie nur so fertig werden: gemeinschaftlich.

Eineinhalb Stunden lang hat sie hinter verschlossenen Türen Schüler der Jahrgangsstufe getroffen, aus deren Mitte die 16 Schüler gerissen wurden. Auch mit den Eltern der Verstorbenen kam sie zusammen. Einhellig berichten Teilnehmer im Anschluss von einem sehr gefühlvollen Auftreten der Politikerin. «Ihr Besuch war sehr würdig und sehr wertschätzend», lobt die stellvertretende Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens, Sylvia Löhrmann (Grüne).

Als die Kanzlerin Abschied nimmt und winkend den Weg durch das Spalier von Schülern zurück zum Auto geht, klatschen sie. «Es war einfach sehr schön, dass sie an uns denkt», sagt die 16-jährige Schülersprecherin Johanna König später.  Florentine Dame und Carsten Linnhoff, dpa

Zum Bericht: „An unserer Schule wird nichts mehr so sein, wie es vorher war“: Eine Stadt trauert

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