Macron muss auch die Bildung in Frankreich auf Vordermann bringen – eine Lehrerin wird ihm dabei helfen

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PARIS. Der neue französische Präsident Emmanuel Macron ist Hoffnungsträger auch für die Lehrkräfte in Frankreich, hat er doch im Wahlkampf eine Revolution (auch) in der Bildung versprochen. Tatsächlich ist in Sachen Schulpolitik durchaus Engagement von ihm zu erwarten: Seine Frau Brigitte war Lehrerin, und die soziale Kluft in Frankreich – eines der Kernprobleme, denen sich Macron stellen muss – lässt sich ohne Bildungsreformen nicht schließen. Entsprechend schlecht fielen unlängst die PISA-Ergebnisse aus.

Der jüngste Präsident, den Frankreich jemals hatte: Emmanuel Macron. Foto: Jeso Carneiro / flickr (CC BY-NC 2.0)
Der jüngste Präsident, den Frankreich jemals hatte: Emmanuel Macron. Foto: Jeso Carneiro / flickr (CC BY-NC 2.0)

„PISA spiegelt wider, was im Klassenzimmer passiert. Die Länder, die viel getan haben, sehen verbesserte Leistungen – und die Länder, wo wenig passiert, die sehen auch wenig Gutes“, sagte der deutsche OECD-Direktor Andreas Schleicher anlässlich der Präsentation der jüngsten PISA-Ergebnisse im Dezember. Schleicher (der sein Büro der Pariser Zentrale der Industrieländervereinigung hat) machte als Problemstaaten mal wieder seine Wahlheimat aus: Frankreich eben.

Im Schulsystem des westlichen Nachbarn klafft seit langem ein Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Im Land von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ beschwören Politiker die Schule oft als Motor für soziale Gerechtigkeit und Integration. Seit 1975 gibt es ein Gesamtschulmodell – alle Kinder gehen nach der Grundschule auf das Collège. Doch die PISA-Studien zeigen seit Jahren wachsende Ungleichheiten. Im breiten PISA-Mittelfeld ist Frankreich abgerutscht – von fast 500 auf zuletzt 495 Punkte im Schnitt.

Soziale Kluft

Wissenschaftler verweisen auf veraltete Lehrmethoden und die soziale Ghettobildung in wirtschaftlich abgehängten Vorstädten. Obwohl die Politik dort eigentlich mehr Geld bereitstellen will, ist die Unterrichtsqualität schlechter geworden, kritisiert ein unabhängiges Expertengremium. „In Bezug auf die soziale Kluft steht Frankreich deutlich schlechter da als Deutschland“, bestätigt auch PISA-Experte Schleicher. Bei der ersten PISA-Studie 2000 galt Deutschland noch als der Staat mit der weltweit höchsten sozialen Schieflage im Bildungssystem. Die Probleme Frankreichs lassen sich aktuell auch an der Jugendarbeitslosigkeit festmachen: In Frankreich finden 25 Prozent der jungen Menschen keine Beschäftigung, und weit überproportional sind davon die Migrantenkinder aus den Vorstädten betroffen.

Der große PISA-Verlierer: Die Studie ist für Frankreich mal wieder eine Klatsche (und der Sieger heißt erneut: Singapur)

Macron, der wie drei der letzten fünf Präsidenten Frankreichs die Elitehochschule ENA absolviert hat, hat die Probleme erkannt – immerhin. Er machte in seinem Wahlprogramm eine Bildungsreform zu einem seiner Kernthemen: Seine Bewegung „En Marche!“ („Vorwärts“), die künftig unter  dem Namen „La République en Marche“ firmiert, verspricht die Halbierung der Klassenstärke in Brennpunkt-Vierteln und eine bessere Bezahlung für Lehrer. Konkret vorgesehen ist ein 15 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm für Bildung, das auch die Berufsbildung und Weiterbildung für insbesondere wenig qualifizierte Arbeitnehmer umfassen soll. 4.000 zusätzliche Lehrkräfte sollen eingestellt werden, um damit vor allem die Grundschulen zu entlasten. Dazu kommen Maßnahmen, die die Chancen von jungen Migranten sofort verbessern sollen – etwa Geldprämien für Firmen, die in sozial schwachen Zonen junge Arbeitsnehmer vor Ort einstellen. Fast schon kurios mutet an, dass Macron sich auch für ein Handyverbot in Schulen einsetzt.

Brigitte und Emmanuel Macron am Wahlabend. Foto: Sherwood / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Brigitte und Emmanuel Macron am Wahlabend. Foto: Sherwood / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Letzteres könnte auf den Erfahrungen von Emmanuel Macrons Frau Brigitte basieren, die 2014 den Schuldienst quittierte, um ihren Mann bei seiner Arbeit als Wirtschaftsminister unterstützen zu können – nach gut 35 Jahren im Lehrer-Beruf. Brigitte Macron, die 25 Jahre älter ist als ihr Mann, war damals schon 60, und die Geschichte ihrer Liebe verzaubert das romantische Frankreich seit geraumer Zeit. Als Brigitte Auzière unterrichtete die damals noch mit einem Banker verheiratete (und später geschiedene) dreifache Mutter am Jesuitengymnasium in Amiens Latein und Französisch, als sie in der Theatergruppe der Schule auf einen hochbegabten Schüler stieß – Emmanuel Macron. Bei der gemeinsamen Arbeit an einem Theaterstück kamen sie sich näher. „Ich habe gespürt, dass ich dahinschmelze. Er auch. Also habe ich ihn gebeten, das letzte Schuljahr im Pariser Gymnasium Henri IV zu machen“, so erzählte sie der Klatsch-Zeitschrift „Paris Match“. Emmanuel wechselte tatsächlich die Schule – nicht ohne seiner späteren Frau zu versprechen:  „Sie werden mich nicht los. Ich werde zurückkommen und Sie heiraten.“ Die Trauung der beiden fand 2007 statt.

Als Première Dame dürfte Brigitte Macron selbstbewusst an der Seite ihres Mannes stehen. Macron kündigte bereits an: „Sie wird eine Rolle übernehmen und nicht versteckt werden, weil sie mein Leben teilt, weil mir ihre Meinung wichtig ist und weil das Präsidentenamt auch eine persönliche Dimension hat.“ An der Bildungspolitik lässt sich das bereits ablesen. Agentur für  Bildungsjournalismus

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Carsten60
3 Jahre zuvor

In drei Jahren gab’s hierzu keinen einzigen Kommentar, obwohl Frankreich doch im Vergleich zu Deutschland das gelobte Schulsystem hat: ungegliedert, Ganztagsschule, kein Gymnasium, keine Hauptschule. Längeres gemeinsames Lernen pur, ganz nach den Wünschen der GEW. Aber ein positiver Effekt ist nicht messbar.
Und in der Banlieue um Paris kämpfen Jugendgangs von 14-Jährigen auf brutale Weise, aber nicht gegen eine Unterdrückung oder gegen die böse Schule, sondern gegeneinander:
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-jugendliche-gewalt-101.html
Genauer kämpfen die aus der einen Vorstadt gegen die aus der anderen, einfach weil sie was gegeneinander haben. Bekanntlich sind sehr viele Migranten aus dem Maghreb dabei, was in dem Tagesschau-Artikel ängstlich vermieden wird zu sagen. Aber ist das Rassismus? Niemand nennt es so, wenn die einen auf die anderen einschlagen, es soll offenbar was anderes sein. Nur wenn die einen einheimische Deutsche oder Franzosen sind, dann spricht man von Rassismus. Wenn Marokkaner auf Algerier einprügeln oder umgekehrt, oder der eine Clan auf den anderen, nur weil sie „die anderen“ sind, dann ist das kein Rassismus, nein. Wir haben schon seltsame Begriffe.
Im Grundgesetz soll offenbar das Wort „Rasse“ durch „Rassismus“ oder so ähnlich ersetzt werden. Es wird spannend, was das genau heißen mag. Ob etwa die wechselseitige Ausgrenzung der einen Zuwanderer durch die anderen auch als „Rassismus“ gewertet und entsprechend geächtet wird? Dann würden einige Leute wohl umdenken müssen.Genauer kämpfen die aus der einen Vorstadt gegen die aus der anderen, einfach weil sie was gegeneinander haben. Bekanntlich sind sehr viele Migranten aus dem Maghreb dabei, was in dem Tagesschau-Artikel ängstlich vermieden wird zu sagen. Aber ist das Rassismus? Niemand nennt es so, wenn die einen auf die anderen einschlagen, es soll was anderes sein. Nur wenn die einen einheimische Deutsche oder Franzosen sind, dann spricht man von Rassismus. Wenn Marokkaner auf Algerier einprügeln oder umgekehrt, oder wenn der eine Clan auf den anderen einprügelt, nur weil das „die anderen“ sind, dann ist das kein Rassismus, nein. Wir haben schon seltsame Begriffe.
Die französische Schule hat es offenbar nicht geschafft, hier Zeichen zu setzen, der „Freiheit, Gleichzeit, Brüderlichkeit“ zum Trotz. Aber wenn die deutsche Schule das nicht schafft, dann wird gesagt, sie sei per se schon rassistisch, besonders wegen der Dreigliederung. Aber die Schule in China ist angeblich „sozial gerecht“, nur nicht für die Kinder der Uiguren, die in Umerziehungslagern einsitzen (was auch nicht „Rassismus“ genannt wird). Seltsame Maßstäbe haben wir.