Der Lehrermangel in Deutschland bringt immer mehr Kultusministerien in die Bredouille. Neueste Blüte: Wegen der Bewerberflaute an Grund- und Mittelschulen in Bayern dürfen viele Pädagogen dort zunächst nicht mehr in Frühpension gehen. Entsprechende Anträge für Februar 2018 sollen nicht genehmigt werden, wie ein Sprecher des Kultusministeriums mitteilte. Auch in anderen Bundesländern macht sich langsam Verzweiflung breit: Berlin hat bereits angekündigt, neue Grundschullehrkräfte künftig nach A13 bezahlen zu wollen (bekommt dafür aber Ärger mit den altgedienten Kollegen). Hessen und Nordrhein-Westfalen haben Pensionäre angeschrieben, um sie für den Schuldienst zurückzugewinnen – offenbar mit wenig Erfolg. Der Anteil von Seiteneinsteigern, Menschen also ohne pädagogische Ausbildung, wächst bundesweit.
Dass in Bayern nun verstärkt Lehrkräfte aus anderen Schulformen (vor allem Gymnasialpädagogen) in die Grundschulen kommen sollen, sieht die GEW kritisch – angesichts der zwar angebotenen, aber aus ihrer Sicht unzureichenden Kurzqualifizierung für die Primarstufe. „Die Unterrichtsqualität kann sinken, weil die Kolleginnen und Kollegen, die sich einer Zweitqualifizierung aussetzen nicht vernünftig weitergebildet werden“, so teilt die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung mit. Und schiebt nach, um Missverständnisse zu vermeiden: „… und nicht weil Kolleginnen und Kollegen mit einem Schnitt von 3,5 eingestellt werden“ (was offenbar geschieht).
„Wie sollen in fünf Fortbildungsnachmittagen bzw. in zwei Basisveranstaltungen die Grundschulpädagogik, -didaktik und -methodik und die Grundlagen des Erstunterrichts auch nur einigermaßen sinnvoll vermittelt werden?“, fragt rhetorisch das Mitglied des Hauptpersonalrats, Ruth Brenner. „Bei einer Vollzeitunterrichtsverpflichtung frage ich mich zudem, wie Hospitationen möglich sein sollen.“
Die GEW fordert daher den bayerischen Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) „mit Nachdruck“ auf, „die unmöglichen Rahmenbedingungen der Zweitqualifizierungen (Grund-, Mittel- und Förderschule) zu verbessern.“ In von der GEW bereits auf den Weg gebrachten Petitionen an den Bayerischen Landtag fordert sie unter anderem eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung, damit eigene Seminare für Nachqualifizierer und eine sinnvolle Hospitation möglich sind. „Den jungen Kolleginnen und Kollegen muss hier eine Perspektive geboten werden“, so heißt es.
Um den Lehrermangel auf Dauer eindämmen zu können, muss laut GEW darüber hinaus eine besondere Maßnahme angegangen werden. „Eine langfristige Lösung zur Bekämpfung des Lehrerinnen- und Lehrermangels streben wir über die Ausbildung von Stufenlehrkräften an, die in mehreren Schularten einsetzbar wären – verbunden mit dem gleichen Eingangsgehalt A 13“, sagt Johannes Schiller, Hauptpersonalrat der GEW. (Nach Stufen, also faktisch als Gesamtschullehrer, sollten Lehrkräfte beispielsweise in Schleswig-Holstein ausgebildet werden; die CDU dort hatte allerdings vor ihrem Wahlsieg angekündigt, das Modell noch vor Einführung kippen zu wollen.) „Kurzfristig sollten der Lotsendienst und die externe Evaluation ausgesetzt werden“, meint Schiller. Damit wären mehrere hundert Stellen für den Unterricht an Grund-, Mittel- und Förderschulen frei.“ So könne das Kultusministerium darauf verzichten, den Kolleginnen und Kollegen „ihren wohlverdienten Ruhestand um ein halbes Jahr hinauszuzögern“. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
