„Drei Jahre müssen wir durchhalten“: Privatschul-Gründungen in Deutschland erfordern einen langen Atem – ein aktuelles Beispiel aus Frankfurt/Main

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FRANKFURT/MAIN. Wer in Deuschland eine Privatschule gründen will, braucht viel Engagement – und einen langen Atem. In Frankfurt geht nach den Sommerferien eine neue mehrsprachige Grundschule an den Start. Die Gründerin erwartet „eine Durststrecke“, wie sie selbst sagt. Denn staatliche Zuschüsse gibt es für sie erst nach drei Jahren.

Eine Privatschule muss sich nach außen darstellen - hier sind Logo und Claim der neuen Privatschule Fintosch. Screenshot
Eine Privatschule muss sich nach außen darstellen – hier sind Logo und Claim der neuen Privatschule Fintosch. Screenshot

Noch hat der Umbau der Räume im zweiten Stock des Gebäudes im Frankfurter Westend gar nicht begonnen. Doch Silvia Staab-Nickel ist sicher: «Am 14. August werden wir hier mit 20 Schülern starten.» Die gelernte Kinderpflegerin, die viele Jahre in den USA gelebt hat, mag das Risiko. Nach dem erfolgreichen Aufbau von zwei Kindergärten will sie jetzt auch eine private mehrsprachige Grundschule ins Leben rufen. Neben Deutsch sollen die Kinder dort zugleich auch in Englisch unterrichtet werden.

Die Gründung einer Privatschule – wenn sie staatlich anerkannt sein will – ist ein Hürdenlauf. Die Finanzierung muss gesichert sei, genauso wie die Räumlichkeiten. Auch die Schulleitung muss stehen. Jedes Jahr sind in Hessen drei bis vier Versuche erfolgreich, wie Kirsten Käss vom Verband der Privatschulen (VDP) in Hessen sagt.

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Der Bedarf an multilingualen Schulen ist vorhanden, gerade im Rhein-Main-Gebiet mit seiner immer größeren Internationalität. Das Konzept von Staab-Nickel ist jedoch einzigartig: Sie kann auf ihren eigenen Kindergarten aufbauen – im selben Gebäude. Dort sind im Erdgeschoss und im ersten Stock die Kleinkinder untergebracht. «Toddler» heißen diese auf Englisch. Davon leitet sich auch der Name Fintosch («Frankfurt International Toddler’s School») ab.

167 Kinder aus 17 Nationen betreut derzeit Fintosch. In der Einrichtung für Kinder, deren Eltern fast alle im Bankenviertel oder anderswo in Frankfurt arbeiten, geht es ziemlich entspannt und familiär zu. Bei den «Toddlern» wird Englisch gesprochen. Doch auch Kinder etwa aus China, die nur ihre Muttersprache kennen, werden aufgenommen werden. Naturgemäß können Kleinkinder schnell eine neue Sprache aufnehmen.

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Dies gilt allerdings nicht für die neue Grundschule. Dort muss Englisch oder Deutsch beherrscht werden. Andernfalls wären die Lehrer überfordert. Zwei davon werden künftig eine Klasse von maximal 20 Jungen und Mädchen unterrichten. Die Schule wird nach den Worten von Staab-Nickel zwischen 800 und 1000 Euro monatlich kosten, gestaffelt nach dem Einkommen der Eltern. Kinder können auch ganztägig – von 07.45 Uhr morgens bis abends um 19.00 Uhr – betreut werden.

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Fintosch darf auch auf Zuschüsse des Landes hoffen. Das Projekt wurde im Februar als sogenannte Ersatzschule vom Staatlichen Schulamt genehmigt. Damit fließen Zuschüsse für Personal- und Sachkosten an die Schule, allerdings erst drei Jahre nach Genehmigung. Bis dahin finanziert Staab-Nickel ihr Projekt über Bankkredite, wies sie sagt. «Diese Durststrecke müssen wir durchhalten.»

Auch danach erhält sie die Kosten für die Anlauffinanzierung nicht gleich zurückgezahlt. Die entgangenen Finanzhilfen erstattet das Land laut Gesetz der Privatschule in zehn gleichen Jahresraten. So lautet die Regelung im sogenannten Ersatzschulgesetz, das zuletzt 2013 novelliert wurde. «Das könnte man verbessern», sagt VDP-Geschäftsführerin Käss. Das Land müsse sich Privatschulen gegenüber offener zeigen.

Diese sind derzeit in Hessen beliebter denn je. Im gerade zu Ende gegangenen Schuljahr wurden an den privaten allgemeinbildenden Schulen in Hessen rund 46.000 Schüler unterrichtet – mit rund 7,3 Prozent aller Schüler war dies ein Höchststand. Der Anteil ist vor allem groß bei Förderschulen und Gymnasien. Zu den freien Schulen zählen neben Elterninitiativen sowie Waldorf- oder Montessori-Schulen auch die Schulen von katholischer und evangelischer Kirche.

Fintosch setzt im Unterricht auf individuelle Förderung. Die Kinder sollen auch viel gemeinsam Sport treiben. «Dann haben sie wieder den Kopf frei, um etwas zu lernen», sagt Schulleiter Frank van Poucke. Am Ende der Grundschule sollen die Schüler dann selbst entscheiden, ob sie ins deutsche Schulsystem wollen oder eine internationale Schule mit Sekundarstufe besuchen wollen. Davon gibt es in Frankfurt gleich mehrere – sie sind aber sehr teuer und können pro Jahr bis zu 20.000 Euro kosten. Von Thomas Maier, dpa

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anislim
6 Jahre zuvor

In Hessen haben die großzügigen Finanzhilfen nicht dazu geführt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen eingehalten werden.
Dies zeigt die Drs. 19/1632 http://starweb.hessen.de/cache/DRS/19/2/01632.pdf .

(Siehe dort die Antworten zu den Schulgeldern, Ermäßigungs-Regelungen, weiteren Elternbeiträgen und den Lehrergehältern.
S.a. Antwort S. 4 oben: „Die Höhe des Schulgeldes für den Pflichtschulbetrieb ist maßgeblich.“)

Zur Finanzhilfe für Ersatzschulen in Hessen siehe: https://bildungsklick.de/schule/meldung/beer-bringt-novellierung-des-ersatzschulfinanzierungsgesetzes-auf-den-weg/ .
Pressemitteilung v. 14.4.2013, Auszug: „….Die Ersatzschulen erhalten von den auf der neuen Datengrundlage ermittelten Schülerkosten der staatlichen Schulen für die allgemeinen Schulen nicht mehr wie bisher unterschiedliche Sätze von 75% oder 87,5%, sondern einheitlich 85%. Die Zuschussquote für die Förderschulen bleibt bei 90%, allerdings auf Basis einer durchweg höheren Kostengrundlage. …“.

Die steigende Nachfragen nach Privatschulen lässt sich bestimmt mit deren Wettbewerbsvorteilen erklären, z.B. dem Recht auf freie Schülerwahl und der Tatsache, dass diese mit ihren Einnahmen wesentlich mehr als den anzubietenden Pflichtschulbetrieb finanzieren können.

Die steigende Nachfrage nach Privatschulen/Ersatzschulen ist damit wohl eher eine Folge der festgestellten Missachtung des Grundgesetzes , die zu Lasten der staatlichen Schulen erfolgt.

(S.a. Studie v. 2016: „Das missachtete Verfassungsgebot – Wie das Sonderungsverbot nach Art. 7 IV 3 GG unterlaufen wird“ von Prof. Dr. Michael Wrase und Prof. Dr. Marcel Helbig, original erschienen in: NVwZ 2016 Heft 22, 1591 – 1598. )

http://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-bei-der-kontrolle-von-privatschulen-missachten-die-bundeslaender-das-grundgesetz-1.3254758 .