Wissen: Irische Traveller sind schon seit 325 Jahren als ethnische Gruppe bekannt – mehrere Hundert sind in diesen Tagen in Nordrhein-Westfalen unterwegs

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DUBLIN. Schlecht ausgebildet, arbeitslos, arm: Viele Landfahrer aus Irland führen ein hartes Leben. Oft sind die Traveller nicht willkommen – nicht nur auf der Grünen Insel, sondern auch in etlichen Städten Nordrhein-Westfalens.

Irische Traveller - hier auf einem Foto von 1954 - werden auch abschätzig "Tinker" genannt. Foto: National Library of Ireland / Wikimedia Commons
Irische Traveller – hier auf einem Foto von 1954 – werden auch abschätzig „Tinker“ genannt. Foto: National Library of Ireland / Wikimedia Commons

Sie sind meist mit dem Wohnwagen unterwegs. Und wo sie campen, sorgen sie schnell für Aufsehen und Beschwerden von Anwohnern – zuletzt auch wieder in Nordrhein-Westfalen. Dabei folgen sie nur ihrer Tradition. Aber irische Traveller, die in diesem Sommer auch in den Niederlanden und in Bulgarien unterwegs sind, treffen vielerorts auf Vorurteile.

Das Ausmaß der Wanderbewegung sei geringer als es die Schlagzeilen vermuten lassen, betont ein Sprecher der irischen Traveller-Bewegung ITM in einem Gespräch in Dublin. «Einige Familien mögen zum Arbeiten ins Ausland reisen, etwa zum Teeren. Aber es gibt traditionell im Sommer keinen allgemeinen Exodus, sicherlich nicht aus Dublin.»

Diebstähle, Lärm, Sachbeschädigung, Müllberge nach illegalem Campen – so manches wird den Landfahrern auf ihren Reisen vorgeworfen, zuletzt auch in Neuss, Düsseldorf, Kevelaer und Hürth. In Iserlohn im Sauerland waren am Donnerstag rund 500 Traveller aufgetaucht, zogen in die Kneipen, sollen teilweise durch ihr aggressives Verhalten aufgefallen sein.

Überall vertrieben

Die Polizei nahm einen 20-Jährigen in Gewahrsam, der den Hitlergruß gezeigt haben soll. Sie ermittelt wegen Tankbetrugs und Diebstahls, führte in der Nacht großangelegte Kontrollen durch. Die Gruppe räumte wie von der Stadt gefordert Freitagmittag das Feld. Meist bekommen die Wildcamper die Erlaubnis der Städte, für eine Nacht zu bleiben, müssen dann aber am Folgetag wieder abreisen.

Mehrere Kommunen wehren sich bereits: Im hessischen Ginsheim-Gustavsburg kam es 2016 zum Streit mit Anwohnern. Jetzt blockierte die Stadt Rasenflächen vorsichtshalber mit Findlingen. In Menden wurde am Donnerstagabend ein Privatgelände geräumt, nachdem sich Traveller mit etwa 50 Wohnwagen dort niedergelassen hatten. Auch im Wallfahrtsort Kevelaer tauchten die Traveller vor rund zwei Wochen auf. Nichts Ungewöhnliches für die Stadt, denn die Iren kommen immer zu «Maria-Himmelfahrt» am 15. August. Mit Blick auf besondere Wallfahrtstage mit bis zu 15 000 Besuchern mussten die Iren gehen.

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So zog die Gruppe nach Neuss, Düsseldorf, Düren – angewachsen auf rund 140 Gespanne und rund 500 Menschen. Überall wurden sie vertrieben. Und überall wurden die Probleme mit Lärm, Müll und fehlenden sanitären Anlagen gemeldet – auch in Kevelaer. Trotzdem ist die Stadt auf eine mögliche Rückkehr einer kleineren Gruppe vorbereitet: «Toleranz steht uns gut zu Gesicht. Die Welt ist bunt und nicht alle sind so wie wir», sagt Bürgermeister Dominik Pichler (SPD).

«Viel Lärm um nichts», sagt auch der Betreiber eines Campingplatzes in Eppstein nahe Frankfurt. Rund 60 bis 100 Landfahrer seien im Frühling wie jedes Jahr rund zwei Monate auf seinem Platz gewesen. «Es ist wie immer harmlos verlaufen.» Nach Angaben von ITM gibt es in Irland rund 25.000 Traveller oder fast 4500 Traveller-Familien. Diese Minderheit führt traditionell ein Nomadenleben. Mitglieder der Gemeinde arbeiten üblicherweise als Klempner, Blechschmiede, Hufschmiede, Pferde- und Schrotthändler.

Schätzungen zufolge leben weitere 15.000 irische Traveller in Großbritannien. Rund 10.000 Traveller irischen Ursprungs sind in den USA ansässig. Die irische Traveller-Bewegung kümmert sich auch um die sozialen Probleme. Dazu gehören die schlechten Unterkünfte, die hohe Suizidrate, Diskriminierung und schlechte Bildungschancen. Die Lebenserwartung der Traveller ist deutlich geringer als die der Gesamtbevölkerung und die Suizidrate sechs Mal so hoch.

Forscher fanden kürzlich heraus, dass die Traveller schon um 1650 als separate Gruppe auftauchten. Wissenschaftler des Royal College of Surgeons in Dublin und der britischen Universität Edinburgh erklären genetische Unterschiede zwischen der Traveller-Gemeinde und der sesshaften Bevölkerung damit, dass die Landfahrer jahrhundertelang isoliert waren. Sie seien auch nicht, wie oft vermutet, mit den Roma verwandt.

Nach jahrelangen Kämpfen und Kampagnen erkannte das irische Parlament am 1. März dieses Jahres die Traveller erstmals als ethnische Minderheit an. Gemeinsam mit der Traveller-Gemeinde hat die irische Regierung einen neuen Inklusionsplan für Landfahrer und Roma ausgearbeitet. Traditionell waren die Männer die Versorger in Traveller-Familien. Mit dem Verschwinden alter Handwerke und Berufssparten beträgt die Arbeitslosigkeit in der Gemeinde heute mehr als 80 Prozent. Von Fiona Smith und Silvia Kusidlo, dpa

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