100 Tage Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen: Was die Regierung verspricht – und was der VBE-Chef dazu meint

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DÜSSELDORF. Der VBE hat die ersten 100 Tage der schwarz-gelben Landesregierung von Nordrhein-Westfalen bilanziert – und der Verband sieht Licht und Schatten in der Schulpolitik: „Wir begrüßen, dass die Landesregierung bildungspolitisch entscheidende Themen wie Inklusion, Umsetzung von G9, Behebung des Lehrermangels und Unterrichtsausfall direkt auf die Tagesordnung gesetzt hat“, erklärtes VBE-Chef Udo Beckmann. Die geplante verschärfte Erfassung des Unterrichtsausfalls hingegen werde mit Blick auf den bestehenden Lehrermangel eine Maßnahme ohne Wirkung bleiben und diene allenfalls zur Beruhigung der Öffentlichkeit. Aktuelle Maßnahmen zum Lehrermangel, wie Seiteneinstieg, seien zudem nur Notlösungen.

Im Fokus der Kameras: VBE-Chef Udo Beckmann. Foto: VBE

Vor diesem Hintergrund seien, so Beckmann, eine zeitnahe Ausweitung der Studienkapazitäten und eine gleiche Besoldung aller Lehrkräfte unabdingbar. Letzteres hat Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) in dieser Woche in Aussicht gestellt, ohne allerdings einen konkreten Zeitpunkt dafür zu benennen. Ohne gerechte Besoldung werde die geplante Einstellungsoffensive keinen Erfolg haben, meint Beckmann. Eine Angleichung hingegen würde aus Sicht des VBE nicht nur helfen, mehr Menschen für das Lehramt Grundschule zu begeistern, sondern sich auch auf die aktuelle Maßnahme des Schulministeriums auswirken, die vorsieht, Sek II-Lehrkräfte zeitlich befristet mit Stellengarantie an die Grundschulen zu locken. „Statt nach zwei Jahren zu wechseln, würden einige Lehrerinnen und Lehrer durch eine Anpassung der Besoldung vielleicht an der Grundschule verbleiben“, erklärt der VBE-Landes- und Bundesvorsitzende.

„A13 für alle“ rückt näher: Gebauer kündigt Reform der Lehrerbesoldung an – GEW und VBE fordern konkreten Zeitplan

Für die Umsetzung von Inklusion braucht NRW mehr Fachpersonal. „Wir begrüßen den Erlass zum Erhalt der Förderschulen, da hierdurch Eltern eine Wahlfreiheit ermöglicht wird. Das Parallelsystem von Regel- und Förderschule braucht allerdings ausreichend Personal, um die gleiche Qualität an sonderpädagogischer Förderung gewährleisten zu können. Wir fordern für inklusive Lerngruppen an Regelschulen eine Doppelbesetzung sowie Unterstützung durch multiprofessionelle Teams“, so Beckmann.

Baustelle G9

Die Umsetzung von G9 führt laut VBE zu mehr Klassen und damit zu größerem Bedarf an Lehrkräften. Beckmann: „Es müssen zeitnah Antworten gefunden werden, wie G9 personell geleistet werden kann. Wir begrüßen, dass die Landesregierung hierzu Gespräche mit den Gewerkschaften führt und an der geplanten Umsetzung zum Schuljahr 2019/2020 festhält, damit ist die Landesregierung auf einem guten Weg, die Fehler bei der Einführung von G8 nicht zu wiederholen. Die aktuellen schulpolitischen Baustellen sind eng verknüpft mit der Herausforderung der Lehrerversorgung. Es bedarf einer vorausschauenden Personalplanung, die immer wiederkehrenden Wechsel von Zeiten des Lehrermangels und Lehrerüberhangs vermeidet. Aber es sind ja erst 100 Tage vergangen, bleiben noch 1725 Tage, um Antworten auf die offenen Fragen zu finden.“ N4t

 

Hintergrund: Was Gebauer verspricht

DÜSSELDORF. Kleinere Klassen, modernste Schulgebäude, beste Technik, gerechter bezahlte Lehrer – die neue nordrhein-westfälische Landesregierung verspricht viel. In dieser Woche stellte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) im Fachausschuss des Düsseldorfer Landtags bildungspolitische Schwerpunkte für die Wahlperiode vor. Zentrale Ankündigungen aus ihrem Redetext:

DIGITALISIERUNG: «Die Wirklichkeit an den Schulen ist viel zu oft noch analog», kritisierte Gebauer. «Bis 2021 wollen wir in Kooperation mit den Kommunen alle Schulen an ein leistungsfähiges Gigabit-Netz angeschlossen haben.»

GEBÄUDE: «Die Schule soll eines der modernsten und das digitalste Gebäude der Stadt sein», betonte Gebauer. «Schülerinnen und Schüler brauchen eine Lernumgebung, die sauber und angenehm ist, die pädagogischen Anforderungen entspricht und die es ermöglicht, mit der neuesten Technologie zu lernen und zu lehren.»

KOMMUNEN: Die Kommunen sollen «für das gewaltige Investitionsvolumen» zusätzliche Unterstützung erhalten. Die bereits um rund neun Millionen auf 609 Millionen Euro erhöhte Schul- und Bildungspauschale für kleinere Städte und Gemeinden werde «in weiteren Schritten substanziell angehoben und dauerhaft dynamisiert».

INKLUSION: Über 40 Prozent der behinderten Schüler lernen in NRW bereits an allgemeinen Schulen. Da immer mehr Kindern ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung attestiert werde, sei die absolute Zahl der Schüler an Förderschulen aber nicht zurückgegangen, stellte Gebauer fest. Dieser Bedarf dürfe nicht länger künstlich gedeckelt werden. «Künftig werden wir statt des Tempos die Qualität in den Mittelpunkt rücken und uns am individuellen Bedarf orientieren.» Inklusiver Unterricht soll auf Schwerpunktschulen mit multiprofessionellen Teams konzentriert werden.

BESOLDUNG: Seit 2009 durchlaufen in NRW Lehreramtsanwärter aller Schulformen eine gleich lange Ausbildung. Daraus müssten auch besoldungsrechtliche Konsequenzen gezogen werden, kündigte die Ministerin an. «Und wir wollen die Gerechtigkeitslücke bei der Konrektorenbesoldung an Grund- und Hauptschulen umgehend schließen.»

TURBO-ABI: NRW stellt zum Schuljahr 2019/20 von acht auf neun Jahre Gymnasium bis zum Abitur um. Anfang 2018 soll dazu ein Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht werden. Bis zur Weihnachtspause erhalten die Verbände Gelegenheit zur Stellungnahme. Begleitend zum Entwurf für das neue Schulgesetz sollen Eckpunkte für fachliche Änderungen veröffentlicht werden, etwa zur Wochenstundenzahl oder zum Beginn der zweiten Fremdsprache.

INTEGRATION: In allen Bezirken des Landes sollen beginnend mit den Herbstferien Intensiv-Trainings zur Sprachförderung für neue Migranten eingeführt werden.

LEHRER: Die Lehrerfortbildung wird auf Qualität und Alltagstauglichkeit abgeklopft werden. Ergebnisse der Bestandsaufnahme sollen in der ersten Hälfte 2018 vorgelegt werden. Bewerberüberhänge an Schulen der Sekundarstufe II in bestimmten Fächern sollen genutzt werden, um fehlende Lehrkräfte an anderen Schulformen auszugleichen. dpa

 

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