Zahl der Angriffe auf Lehrer hat stark zugenommen (in NRW jedenfalls) – rächt sich nun, dass Gewalt gegen Lehrer von Strafverschärfung ausgenommen wurde?

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DÜSSELDORF. Die Zahl der körperlichen Angriffe auf Lehrer nimmt zu (in Nordrhein-Westfalen jedenfalls). Im ersten Halbjahr 2017 gab es landesweit 231 Übergriffe auf Lehrkräfte, im Durchschnitt 46 pro Monat. Das entspricht laut einem Bericht der „Rheinischen Post“ einer Zunahme von mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum: Im gesamten Jahr 2016 seien 381 Übergriffe auf Lehrer in NRW dokumentiert worden. Dies geht aus der Antwort des Landesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der AfD hervor. Dabei könnte es sich um einen bundesweiten Trend handeln – aus Mecklenburg-Vorpommern wurde unlängst eine ähnliche Steigerung gemeldet. Rächt sich nun, dass Lehrer bei der jüngst erfolgten Strafverschärfung für Angriffe auf öffentlich Bedienstete ausgenommen wurden?

Immer öfter sind Lehrer offenbar Angriffen ausgesetzt. Foto: gagilas /flickr (CC BY-SA 2.0)
Immer öfter sind Lehrer offenbar Angriffen ausgesetzt. Foto: gagilas /flickr (CC BY-SA 2.0)

Allerdings: Auch Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeiter sind danach in Nordrhein-Westfalen in wachsendem Umfang Gewalt ausgesetzt, obwohl den Tätern seit Anfang des Jahres höhere Strafen drohen – wenngleich mit geringeren Steigerungsraten als bei Lehrern. Das Innenministerium in Düsseldorf sieht in der Gewalt gegen Staatsbedienstete einen kurzfristig kaum zu ändernden Trend. „Die Respektlosigkeit gegenüber und der Autoritätsverlust von Amtsträgern im Allgemeinen und der Polizei, Feuerwehr und Einsatzkräften im Rettungsdienst im Besonderen ist ein gesellschaftliches Problem, welches die Landesregierung nicht allein und die  betroffenen Bereiche nur begrenzt lösen können“, so heißt es. „Ursachen und Bedingungen zu erkennen und positiv zu ändern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nur in einem langfristigen Prozess nachhaltig erreichbar.“

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VBE: Mehr Schutz für ale Amtsträger

Dennoch tue die Landesregierung „weiterhin alles dafür“, um „diese Gewalt und die zunehmende Respektlosigkeit gegen Amtsträger zu verhindern. Angriffe auf diejenigen, die uns schützen und dienen, sind völlig inakzeptabel.“ Ob das auch für den Bund gilt, ist  allerdings umstritten. Unlängst wurden höhere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Retter und Feuerwehrleute beschlossen – Lehrer blieben außen vor. „Ein Gesetz, das explizit nur den verbesserten Schutz von Polizeikräften, Feuerwehrleuten und Rettungsdiensten fordert, verkennt die Realität in den Schulen und sendet ein falsches Signal in die Gesellschaft. Der Dienstherr, also die Bundes- und Landesregierungen, ist für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst gleichermaßen verantwortlich. Ein verbesserter strafrechtlicher Schutz bei Gewaltvorfällen muss daher auch für alle Amtsträger gelten“, so kritisierte seinerzeit VBE-Vorsitzender Udo Beckmann.

Beleidigungen, Tritte, Schläge, Cybermobbing – und eine Pistole am Kopf! So sieht Gewalt gegen Lehrkräfte aus: Betroffene berichten

Die nordrhein-westfälische Landesregierung bezweifelt indes, ob härtere Strafen tatsächlich helfen. „Ein respektvoller Umgang  miteinander ist die Voraussetzung für den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Weder z. B. polizeiliche Maßnahmen noch das Strafrecht  können die  Ursachen  für  kriminelles (soziale und  individuelle Defizite) oder aggressives und respektloses Verhalten beheben“, so heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

 

Hintergund: Die VBE-Umfrage zu Gewalt

Drohen, mobben, beleidigen – jeder vierte Lehrer ist schon einmal Opfer psychischer Gewalt von Schülern gewesen. Das geht aus einer repräsentativen Forsa-Umfrage hervor, die der Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) vor knapp einem Jahr vorstellte.

Demnach ist fast ein Viertel (23 Prozent) der befragten Lehrer bereits Ziel von Diffamierungen, Belästigungen und Drohungen gewesen – Aggressoren waren hauptsächlich Schüler, aber auch Eltern. Sechs von 100 Lehrern sind der Umfrage zufolge sogar schon einmal körperlich von Schülern angegriffen worden. Hochgerechnet seien damit mehr als 45.000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen aller Formen bereits Opfer von tätlicher Gewalt geworden. Zu den körperlichen Angriffen gehörten etwa Fausthiebe, Tritte, An-den-Haaren-Ziehen oder das Bewerfen mit Gegenständen.

Auch Cybermobbing wird offenbar ein immer größeres Phänomenen. 77 Prozent der Befragten sehen eine Zunahme von Formen des Mobbings über das Internet. Fast jede dritte befragte Lehrkraft gab an, dass es Fälle an der Schule gab. Allerdings gaben nur zwei Prozent der Lehrkräfte an, selbst betroffen gewesen zu sein.

Gewalt gegen Lehrkräfte sei „kein Einzelfall“, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann. „Viel zu oft wird das Problem kleingeredet.“ Er forderte Gegenmaßnahmen. „Außer professionellen Kampfsportlern ist mir keine Personengruppe bekannt, zu deren Job es gehört, sich psychisch und physisch angreifen zu lassen“, sagte Beckmann.

 

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sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: „Zahl der Angriffe auf Lehrer hat stark zugenommen (in NRW jedenfalls) – rächt sich nun, dass Gewalt gegen Lehrer von Strafverschärfung ausgenommen wurde?“

Nein. Jedenfalls nicht direkt. Solche Angriffe sind doch meistens spontan und erfolgen im Affekt (ohne langes Nachdenken und Abwägen), so wie im sonstigen Alltag auch. Da hätte es nicht geholfen, schon gar nicht kurzfristig, wenn die Strafen verschärft werden würden.

Dennoch bin ich dafür, weil es eine Signalwirkung haben kann und auf Dauer Wirkung zeigen kann. Ansonsten rächt sich hier eher die sogenannte „Kuschelpädagogik“, die vielfach auch zu (gewollter / geduldeter) Respektlosigkeit und (gewollter / geduldeter) Machtlosigkeit der Lehrer dagegen geführt hat.

Jede Art von Disziplinierung wird ja schon als Gängelung empfunden und muss zehnfach gerechtfertigt und abgewogen werden, um Bestand zu haben. So manches scheitert einfach an der praktischen Umsetzbarkeit bzw. dem enormen Aufwand.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

… wobei der Aufwand mit der Qualität des Helikopterführerscheins zunimmt.

Es zeigt sich aber auch, dass angenehme Schülerschaft unangenehmere Eltern haben kann und umgekehrt, d.h. angenehme Schüler haben evtl. unkooperative Helikoptereltern, bei unangenehmen Schülern interessieren sich die Eltern evtl. nicht die Bohne für das, was ihr Kind an der Schule so lernt und anstellt.