HANNOVER. Der Niedersächsische Geschichtslehrerverband unterstützt „mit Nachdruck“ die vor Ort betriebenen Bemühungen, einen ehemaligen Festplatz der sogenannten „Reichserntedankfeste“ bei Emmerthal didaktisch zu erschließen und dort eine entsprechende Anlage zur Dokumentation der damaligen Inszenierungen zu errichten. Die wissenschaftlich fundierte Erschließung des Bückebergs als Ort der – heute weitgehend vergessenen – „Reichserntedankfeste“ bereichere die niedersächsische Erinnerungskultur um einen außergewöhnlichen Baustein, so heißt es in einer heute veröffentlichten Presseerklärung.
Das Besondere des Bückebergs sei seine Verweiskraft auf die Motive und Antriebskräfte der Mehrheitsbevölkerung, die zahlreichen Untaten des NS-Regimes geschehen zu lassen oder sich sogar aktiv daran zu beteiligen – aber auch auf das Ausmaß der Verführung, der die Deutschen ab 1933 erlagen, so stellt der Verbandsvorsitzende Johannes Heinßen fest. Das „Reichserntedankfest“ stehe für die manipulative Wirkung der NS-Ideologie auf viele Deutsche. Die am Bückeberg stattfindenden Aufmärsche und Versammlungen inszenierten die „Volksgemeinschaft“, das spezifisch nationalsozialistische Gesellschaftsmodell und -verständnis, das Anpassung honorierte, jede Form von Individualismus, Abweichung und Kritik hingegen mit Ausschluss bestrafte. Sie richteten sich speziell an die ländliche Bevölkerung und huldigten damit einem vordergründig bäuerlich-idyllischen, in Wahrheit jedoch totalitären Gesellschaftsideal.
Die von der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten geförderten Erinnerungs- und Dokumentationsorte bilden eine Topographie unterschiedlicher Tat-Orte im ganzen Land, erklärt der Historikerverband. „Sie ermöglichen ein differenziertes Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und legen darüber hinaus Zeugnis davon ab, dass das Land Niedersachsen und seine Bewohner es als Aufgabe und Verpflichtung angenommen haben, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus auf Dauer auseinanderzusetzen und sich der daraus erwachsenden Verantwortung zu stellen“, betont Heinßen.
Für den Geschichtsunterricht stellen Erinnerungsorte im lokalen und regionalen Umfeld der Schulen eine wichtige regionalhistorische Ergänzung der allgemeinen unterrichtlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen dar. Sie legen Zeugnis davon ab, dass der Nationalsozialismus in das Leben der Menschen vor Ort eingriff, dass die Auswirkungen seiner Herrschaft vor Ort erfahrbar waren und vor Ort verstanden werden können.
Es entspricht dem zeitgemäßen Umgang mit der NS-Vergangenheit, dass eine Dokumentationsstätte kein Ort vordergründiger Anklage und plakativer Botschaften ist, sondern ein Ort der wissenschaftlich abgesicherten Historisierung zum besseren Verständnis der Wirkungsweise des Nationalsozialismus und der in ihm – und anderen totalitären Ideologien – enthaltenen Gefahren.
Das zivilgesellschaftliche Engagement der Befürworter vor Ort setzt ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, in der die Aufklärungserfolge der vergangenen Jahrzehnte Gefahr laufen, in Frage gestellt zu werden. Es kommt darauf an, dass der Bücke-berg nicht Protagonisten einer falschen Erinnerungskultur überlassen wird, die den Anschluss an nicht mehr vertretbare deutsche Identitäten suchen. „Daher wäre es gerade aktuell ein wichtiges Zeichen, wenn eine Dokumentationsstätte am Bückeberg – endlich! – realisiert würde“, betont der Verbandsvorsitzende.
Hier geht es zu einer Dokumentation des sogenannten “Reichserntedankfests”.