„Alles rotzt und hustet“: Grippewelle rollt durch Deutschlands Kitas und Schulen – Zahl der Fälle steigt noch mal kräftig

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BERLIN. War die Deutschlandkarte, mit der die „Arbeitsgemeinschaft Influenca“ des Robert-Koch-Instituts auf seiner Homepage das Ausmaß von grippeähnlichen Erkrankungen in Deutschland signalisiert, in der vergangenen Woche bereits überwiegend rot – so ist sie nun auf fast durchgängig rot und tiefrot gewechselt. Heißt: Die Influenza hat die Republik im Griff. Wie das bekannte „gallische Dorf“, das sich von Römern umzingelt sieht, gibt es nur noch im äußersten Südosten, im Dreiländereck zu Tschechien und Österreich, einen kleinen blauen Punkt mit „normaler Aktivität“. Ansonsten heißt es nahezu überall: „stark erhöht“. Nach Angaben der Mediziner könnte diese Grippe-Saison die schwerste seit zehn Jahren werden. Kindergärten und Schulen leiden besonders stark unter der Krankheitswelle.

Deutschland-Karte des Robert-Koch-Instistuts vom 27. Februar. Screenshot

„In der 8. Meldewoche (MW) wurden nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) bislang 35.284 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt. Damit sind 119.533 Fälle seit der 40. MW 2017 übermittelt worden (Datenstand 27.02.2018)“, so heißt es aktuell auf der Seite. Im Klartext: Fast ein Drittel der bekannten Grippefälle in diesem Winter sind nach dem 19. Februar  gemeldet worden – die Welle schwillt dramatisch an. Für die Schulen bedeutet das: Viele Klassenzimmer bleiben leer, Schüler und Lehrer liegen wegen Grippesymptomen flach.

Tag24 berichtet aus Sachsen von einem „Dramatischer Appell: Lasst eure kranken Kinder zu Hause!“. In Schulen und Kindertageseinrichtungen herrsche eine extrem hohe Ansteckungsgefahr. „Im Interesse der eigenen, aber auch anderer Kinder und unserer Mitarbeiter wünschen wir uns, dass die Eltern auch weiterhin verantwortungsvoll mit den Erkrankungen ihrer Kinder umgehen“, so erklärte eine Sprecherin des Dresdner Eigenbetriebes Kindertageseinrichtungen gegenüber der Redaktion. Beim Paritätischen Wohlfahrtsverband hieß es: „Fast alle Kitas betreuen heute auch Integrativ-Kinder.“ Und für manche von denen, zum Beispiel Stoffwechsel-Kranke, stelle die Grippe eine große Gefahr dar.

Auch Kita-Träger in Hessen zeigen sich alarmiert. „Kitas sind besonders anfällig für solche Erkältungswellen, da ein sehr enger Kontakt zwischen allen Beteiligten in der Einrichtung gepflegt wird. Da ist die Wahrscheinlichkeit der Weitergabe von Erkältungen um einiges höher als bei einem normalen Büroarbeitsplatz“, so zitiert der „HNA“ einen Verantwortlichen. Das Gesundheitsamt empfehle grundsätzlich, sich impfen zu lassen, so heißt es in dem Bericht. Eine Immunisierung gegen die aktuelle Grippewelle werde jetzt aber vermutlich nicht mehr erreicht. Als beste Vorbeugung gilt deshalb: Hände desinfizieren!

„Impfen kann sich noch lohnen“

„Kitas und Schulen, Altenheime und Arbeitgeber erleben derzeit den Ausnahmefall. Haus- und Kinderärzte haben alle Hände voll zu tun“, so berichtet die Frankfurter Neue Presse aus der Mainmetropole – und zitiert eine Kinderärztin: „Wir können meist nur die Symptome behandeln. Ich würde die Kinder gerne impfen, aber ich habe keine einzige Impfdosis mehr im Kühlschrank.“ Dazu komme: Der aktuelle Dreifach-Impfstoff sei  gegen das B-Virus (Typ „Phuket/Yamagata“), das derzeit grassiert, nicht stark wirksam. „Trotzdem liegt der Impfschutz noch immer bei 46 Prozent“, heißt es laut Bericht beim Frankfurter Gesundheitsamt, „und Impfen kann sich noch lohnen, auch wenn die Wirkung erst in zwei Wochen eintritt.“ Die Behörden rechnen durchaus damit, dass die Grippewelle noch einige Wochen andauern kann.

„Alles rotzt und hustet“, so zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ eine Kita-Leiterin aus dem bayerischen Baldham. Ein Träger aus Ebersberg mache sich die Wellen unter den Kindern personell zunutze, um die Löcher, die die Grippewelle in den Personalbestand reißt, zu stopfen: Wo Erzieherinnen wegen Krankheit fehlen, sprängen Erzieherinnen aus den Einrichtungen ein, in denen wiederum viele Kinder krank zuhause blieben. Bei den Schulen im Landkreis ist allerdings jetzt Schluss mit der Flexibilität: Die Vertretungsreserve ist ausgeschöpft – jetzt helfen nur noch Überstunden, um Unterrichtsausfall zu vermeiden.

Die GEW sieht die Ansteckungsgefahr in den Schulen durch mangelnde Hygiene verschärft. „Natürlich haben wir ein Hygieneproblem“, erklärte GEW-Sprecherin Ilka Hoffmann unlängst. Darunter litten nicht nur die Kinder: „Momentan ist gerade an kleineren Grundschulen wirklich Land unter, weil viele Lehrer krank sind.“ Veraltete Toiletten, siffige Tafelschwämme und kaum Zeit für Maßnahmen wie regelmäßiges Lüften sorgten dafür, dass sich Keime schnell verbreiten. Hoffmann: „An vielen Schulen sehen die sanitären Anlagen nicht so aus, dass die Kinder da gerne hingehen und sich die Hände waschen.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Diskussion zum Beitrag im Facebook-Auftritt von 4teachers. Screenshot

Krankheitswelle rollt über Deutschlands Schulen – GEW: “Wir haben ein Hygiene-Problem”

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Axel von Lintig
6 Jahre zuvor

Der zur Zeit angewandte dreifache Grippeimpfstoffe, schütz nicht gegen den zur Zeit grassierenden Grippeerreger.