Dramatischer Lehrermangel an Berliner Schulen – Quereinsteiger und Lehrer im Pensionsalter sollen das Loch stopfen

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BERLIN. Fachkräfte sind deutschlandweit in vielen Branchen rar, das trifft auch die Schulen. In Berlin spitzt sich die Lage zu, denn so dramatisch wie in diesem Jahr war der Lehrermangel hier noch nie.

Das Land versucht, die Löcher zu stopfen.                                                                    Foto: Maik Meid / flickr / CC BY 2.0

Der Lehrermangel an Berliner Schulen nimmt immer dramatischere Züge an: Zum neuen Schuljahr könnten so viele Stellen unbesetzt bleiben wie noch nie. Aktuell sind von 3.000 freien Lehrerstellen erst 1.750 besetzt, wie Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Montag mitteilte. Es fehlen noch 1.250 Lehrer.

«Wir werden im Sommer ein Gap haben», sagte Scheeres. Wie groß dieses „Gap“ zu Schuljahresbeginn schließlich sein wird, ist offen. Da zu wenige Lehramtsstudenten von den Hochschulen kommen und eine Aufstockung der Ausbildungskapazitäten erst in zwei Jahren oder später wirkt, setzt das Land stark auf Quereinsteiger.

Für sogenannte Mangelfächer wurden laut Scheeres unter 2.000 Bewerbern 1.000 Quereinsteiger zu Bewerbungsgesprächen eingeladen. Die Verfahren laufen noch, etwa 80 Prozent der Eingeladenen kamen auch wirklich zum Termin. Als Mangelfächer gelten Musik, Sport, naturwissenschaftliche und sonderpädagogische Fächer sowie an Grundschulen Deutsch und Englisch. Zudem wollen 160 Lehrer, die eigentlich in Pension gegen könnten, weiterarbeiten.

«Der Unterricht ist nicht gefährdet», betonte Scheeres mit Blick auf die sogenannte Stundentafel, die eingehalten werde. Das gelte auch, wenn am Ende nicht alle freien Stellen besetzt werden könnten. «Wir haben viele zusätzliche Ressourcen», sagte sie. So seien Angebote für zusätzliche Sprachförderung, Integration, Inklusion oder Berufsorientierung an den Schulen in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut worden. Dort gebe es rund 4000 Vollzeitstellen.

Gleichwohl verwies die Senatorin auf diverse Projekte und Programme des Landes, um die Lehrer-Lücke möglichst überschaubar zu halten oder zu schließen. Sie zielen neben Lehrern kurz vor der Pension etwa auf Studenten in lehramtsbezogenen Masterstudiengängen ab, denen unter dem Motto «Unterrichten statt Kellnern» Halbjahres- oder Jahresverträge an Schulen geboten werden. Zudem ist ein Stipendium für Studenten geplant, die keinen lehramtsbezogenen Bachelor haben und in den sogenannten Quereinstiegsmaster wechseln wollen.

Bildungspolitische Katastrophe

Ebenfalls neu: Schulen sollen ab dem neuen Schuljahr die Möglichkeit bekommen, Sprachlernassistenten für die Sprachförderung einzustellen. Dafür können Lehrerstellen umgewidmet werden. Voraussetzung ist ein Bachelorabschluss und nicht wie bei Lehrern ein Masterabschluss.

Geprüft wird in der Bildungsverwaltung auch, abgeordnete Lehrer an Hochschulen, Museen oder Projekten zurück an die Schulen zu holen. Zumindest von den Hoch- und Europaschulen soll es laut Scheeres im neuen Schuljahr zunächst aber keine Rückrufe geben. In der Kultusministerkonferenz will Berlin diskutieren, künftig auch Ein- Fach-Lehrer für das Lehramt zuzulassen. Bisher müssen Lehrer zwei Fächer unterrichten.

Der Fachkräftemangel bei Lehrern sei bundesweit ein Problem, sagte Scheeres. Berlin stehe in Konkurrenz mit den anderen Ländern. Wünschenswert wäre aus ihrer Sicht abgestimmtes Vorgehen, etwa eine gemeinsame Werbekampagne. Aber daran habe nicht jedes Land Interesse.

Die AfD-Fraktion sprach im Hinblick auf die Situation in Berlin von einer «hausgemachten Misere». «Die wachsende Schülerzahl war lange absehbar. Doch wieder einmal wird erst reagiert, wenn der Notstand eingetreten ist», kritisierte der AfD-Bildungspolitiker Franz Kerker. «Wenn Berlin im Herbst nicht alle Lehrerstellen besetzen kann, ist der Rücktritt von Senatorin Scheeres fällig.»

Der FDP-Bildungsexperte Paul Fresdorf sagte: «Wir steuern in Berlin auf eine bildungspolitische Katastrophe hin. Es muss schnell und entschieden gehandelt werden, sonst ist diese Abwärtsspirale nicht mehr aufzuhalten.» Der Lehrerberuf müsse attraktiver gemacht werden. Aktuell gibt es in Berlin rund 30.000 Vollzeit-Lehrerstellen. dpa

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18 Kommentare
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ABC
5 Jahre zuvor

Überall wird mehr oder weniger wird auf eine bildungspolitische Katastrophe hingesteuert. Berlin macht nur den Anfang.
Warnende Stimmen gibt es seit Jahren, ebenso die immer gleichen verbale Reflexe wie „Wir brauchen mehr Geld, mehr Lehrer, mehr Wertschätzung für Lehrer, mehr Bildungsgerechtigkeit, weniger Ausgrenzung“ usw.
Wir haben eine Reform nach der anderen bekommen, vor allem im Namen von mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit und mit jeder ging’s weiter bergab. Die gerechteste aller Welten scheint darin zu bestehen, dass es allen gleich dreckig geht und die Bildungsarmut gleich verteilt ist.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  ABC

richtig, weil nivellierung auf unterstem Niveau die einfachste Art ist, die gewünschte Gleichstellungspolutik umzusetzen. Die Nachwirkungen davon interessiert die Politiker nicht, weil deren Pensionen dann schon sicher sind.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Das letzte Hemd hat keine Taschen.
Regalwände gibt es dort auch nicht.

sofawolf
5 Jahre zuvor

Warum ist der Lehrermangel in Berlin nach wie vor am höchsten (Ist der denn dort am höchsten?)? Sie bekommen dort schon seit mehreren Jahren bei Neueinstellung sofort Erfahrungsstufe 5 (hat das nichts gebracht? das macht doch mehrere hundert Euro aus?!) und nun bekommen sie dort auch A 13. Erfahrungsstufe 5 und A 13 machen dann rund 5300,- Euro aus.

Warum reizen die monetären Anreize nicht genug? Oder ist die Wirkung erst in ein paar Jahren zu erwarten? Oder liegt der Lehrermangel doch nicht nur am Geld?

Berlin ist „Boomtown“ und die ganze Welt findet es cool?!?

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Kurzfristig muss dann wohl doch die Stundentafel gekürzt werden. Dann hat man eben nur einmal Musik, Kunst, Sport pro Woche. Vielleicht auch weniger Englisch? Es fällt doch eh alles aufgrund des Lehrermangels + Krankschreibungen infolge Überlastung aus.

Will man nun die Belastungen (Stichwort: Stundensoll, Teilzeit, Frühpensionierung) erhöhen, damit dann infolge erhöhtem Krankenstand infolge Belastungen die Stunden doch ausfallen müssen?

Ist das nicht absurd?

geli
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Lehrergehälter machen eben nicht alles. Wer will denn schon an eine Berliner Schule unterrichten, wo von Regierungsseite zwar „Bildungsgerechtigkeit“ und „Chancengleichheit“ besonders hoch geschrieben werden, die Zustände für Lehrer und Schüler oft aber so verheerend sind, dass Lehrkräfte lieber abwinken, wenn es um Berlin geht.

ysnp
5 Jahre zuvor
Antwortet  geli

Eben. Wie wär’s, wenn man einmal etwas an den Zuständen macht? Ich schließe da auch ein, dass es nicht mehr empfehlenswert ist, in bestimmte Viertel von Berlin zu gehen, wie man zumindest liest oder im Fernsehen sieht. Was sehr schade ist.
Von der Ferne her habe ich das Gefühl, dass man keine richtigen Konzepte findet, um nachhaltig etwas zu ändern.
In New York konnte man jahrzehntelang nicht nach Harlem gehen. Jetzt ist es wieder möglich, weil sich eben einmal ein Bürgermeister konsequent der Sache angenommen hat.

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Eben. In New York City wurde hart durchgegriffen. Ich kann mir das allerdings bei einer SPD-geführten Regierung kaum vorstellen, weil die sich dann insbesondere mit arabisch-nordafrikanischen Gruppen anlegen müssten. Die kaputt gesparte Polizei und die Feuerwehr sind dazu derzeit nicht in der Lage. Außerdem weiß ich nicht, ob die Polizisten mit arabisch-nordafrikanischer Herkunft bei ihren „Landsleuten“ auch hart genug durchgreifen würden.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Wieso A13 ? Ich denke, Berlin verbeamtet nicht mehr? Wer vorher schon Beamter war, kann sich versetzen lassen, aber die anderen Quereinsteiger werden Angestellte „mit vergleichbarer Vergütung“. Vergleichbar ist aber nur das Brutto.
„Gap“ heißt einfach „Lücke“, dachte ich immer. wie die Wohnungslücke, die Rentenlücke usw.

Max
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Netto bleibt in Berlin in vielen Fällen sogar für Berufseinsteiger weniger übrig als in westlichen Bundesländern, die verbeamten. Im Laufe des Berufslebens steigt der Abstand logischerweise immer weiter, genau wie die Mieten für Neuvermietungen in Berlin. Noch dazu kommt die oft höhere Unterrichtsverpflichtung. Wegen des tollen Gehalts kommt also sicherlich niemand nach Berlin.

sofawolf
5 Jahre zuvor

Zitat: „«Wir werden im Sommer ein Gap haben», sagte Scheeres. Wie groß dieses “Gap” zu Schuljahresbeginn schließlich sein wird, ist offen.“

Was ist ein „Gap“? Und wäre weniger verstanden worden, wenn man es (gleich) auf Deutsch gesagt hätte?

Pälzer
5 Jahre zuvor

Hat sie wirklich „gap“ gesagt ???

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Seht doch dort. Was ist das denn überhaupt? Soll das „Loch“ bedeuten? (siehe Kontext) Oder „Engpass“?

Pälzer
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

was immer es ist, es ist trendy.

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

🙂

OMG
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Also ich verwende das jetzt immer. Hört sich cool an. Die Bedeutung ist da doch zweitrangig

dickebank
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Vermutlich soll es selbst gebaute Fallgrube heißen.

Die Mitglieder der KMK hätten öfter mit der Tube in London fahren sollen. Dort wären sie dann freundlich auf das „gap“, das sie erwartet, hingewiesen worden (Please mind the gap!“)

Am besten aufgestellt müsse bezüglich des Gaps das Bundesland Hessen sein. da waren im Raum Fulda schon immer US-Amerikaner stationiert, um das „Fulda Gap“ zu verteidigen.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

Wenn es nach der GEW ginge, dann sollten die Quereinsteiger vorzugsweise Psychologie studiert haben:
https://www.tagesschau.de/inland/schulen-lehrermangel-103.html
Psychologen als Alleskönner, das kennen wir schon von der sogenannten „Bildungswissenschaft“, die von Psychologen dominiert wird.