DÜSSELDORF. Gedichte bezaubern, etwa durch ihr Reimschema, ihren Rhythmus und ihren Inhalt – manchmal selbst dann, wenn sie düstere Gesellschaftskritik verpacken. Kunstvoll gelingt dies Alex Simm, Dichter, Autor und Lehrer aus Baden-Württemberg, in seinem jüngst veröffentlichten Gedichtband „Vom einsamen Emoeinhorn Erna, das wie alle sein wollte“.
Der Titel klingt harmlos, eher belustigend und wiegt damit die Leserschaft zunächst in wohliger Sicherheit, sich auf leichte Lesekost freuen zu können. Doch diese Erwartung weicht sehr schnell der Realität – und zwar der harten. Dieser bedient sich Alex Simm nämlich umfassend. Ballade für Ballade greift er gesellschaftliche Fehlentwicklungen auf: Schönheitswahn, Ausgrenzung, Ausbeutung von Mensch und Tier, Fremdenhass, maßloses Wachstumsstreben und Umweltzerstörung. Simm legt seinen Finger tief in die Wunden der Gesellschaft und streut dabei auch noch Salz hinein. Wären die Gedichte nicht so schön geschrieben, wären sie zum Heulen.
Die perfekte Verpackung
Mit wenigen Worten vermittelt Simm eindrücklich die jeweilige Atmosphäre und versetzt Leserin wie Leser gekonnt in die einzelnen Situationen: Das ist mal ein Abend an einem friedlichen See, mal der kalte Alltag in einem Schlachtbetrieb. Dabei hat der Autor mit der Ballade den perfekten Rahmen gefunden, um seine Kritik zu vermitteln. In Kombination mit seinem lockeren Schreibstil und den ungewöhnlichen Hauptcharakteren, wie die fleischfressende Pflanze Ilse, die sich vegan ernähren will, gelingt es ihm, die erdrückenden Themen unterhaltsam aufzubereiten und gleichzeitig zum Nachdenken anzuregen. Dabei scheut sich Alex Simm auch nicht davor, ab und zu ganz direkt Fehlverhalten anzuprangern, wie in der Ballade „Vom Sündenbock Lennox, der anderster als die anderen war“:
„Es lebt sich einfach viel entspannter,
wenn man ein klares Feindbild hat.
Man fasst gern erst nach fremden Nasen,
bevor man an die eig’ne packt.“
Glücklicherweise verweilt Simm nicht auf der beschreibenden, kritisierenden Ebene. Immer wieder zeigt er auf, dass Handlungsoptionen bestehen und dass ein jeder die Gesellschaft ändern kann, ganz egal wie klein der eigene Beitrag erscheinen mag. Und so endet der Gedichtband unerwartet hoffnungsfroh, denn:
„Manchmal kommt es aber anders,
als man selber grade denkt.
Einmal darf das Glück gewinnen.
Klappe zu und Happy End.“
Anna Hückelheim, Agentur für Bildungsjournalismus
Autor: Alex Simm
Satyr Verlag, 104 Seiten, 11 Euro
Die eigenen Balladen im Unterricht: Slam-Poet und Lehrer Alex Simm im Interview