Trotz des Lehrermangels halten manche Bundesländer an der Praxis fest, Lehrer mit befristeten Verträgen in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. «Es zeichnet sich wieder deutlich ab», sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe mit Blick auf die Sommerferien 2018. Eine Umfrage unter den Kultusministerien der Länder ergab, dass vor allem Vertretungslehrer im Angestelltenverhältnis betroffen sind. Die Länder sparen dadurch Millionen ein.
In Baden-Württemberg sind es nach Angaben eines Sprechers des Kultusministeriums 3.300 Lehrer, deren Arbeitsvertrag spätestens mit dem Beginn der diesjährigen Sommerferien endet. Ein Beschäftigung und Bezahlung dieser Vertretungslehrer auch in den Sommerferien würde das Land nach seinen Worten 12,5 Millionen Euro kosten.
Bundesweit meldeten sich nach einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit in den Sommerferien 2017 rund 4.900 Lehrkräfte arbeitslos. Der Bericht vermerkt, «dass die Zahl arbeitsloser Lehrkräfte regelmäßig in den Sommerferien stark ansteigt. Nach den Sommerferien geht die Arbeitslosenzahl wieder zurück.» Die tatsächliche Zahl der betroffenen Lehrer dürfte aber höher liegen. Nicht alle meldeten sich arbeitslos, erläuterte Tepe.
Tepe kritisierte den Kurs der Länder. Vor allem zeige sich, «dass die südwestlichen Bundesländer wieder in den Sommerferien nicht zahlen, in jedem Fall nicht Baden-Württemberg, auch Rheinland-Pfalz nicht». Für die Gewerkschafterin, die selbst viele Jahre im Klassenzimmer stand, ist die Sommerarbeitslosigkeit ein Unding: «Also das Schlimme ist, dass es wirklich dann für die Kollegen und Kolleginnen im Einzelfall eine totale Unsicherheit ist.»
Verschiebbare Manövriermasse
Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, forderte 50.000 neue Planstellen. «Ich halte es für skandalös, dass sich trotz Lehrermangel und massivem Unterrichtsausfall viele Bundesländer weigern, befristete Verträge in dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse umzuwandeln», sagte er der «Bild»-Zeitung». «Junge motivierte Lehrkräfte werden damit als beliebig verschiebbare Manövriermasse missbraucht.»
Die Bundesagentur für Arbeit registrierte in den vergangenen Sommerferien die meisten Arbeitslosmeldungen von Lehrkräften in Baden-Württemberg (rund 1.680), Bayern (860) und Niedersachsen (470). Auch im relativ kleinen Hamburg (260) sei das Phänomen besonders erkennbar gewesen.
Ein Sprecher des Kultusministeriums in Baden-Württemberg betonte, dass die befristete Beschäftigung dort mit drei Prozent aller Lehrer die große Ausnahme sei. Es handele sich um Vertretungslehrer, die bei längeren Krankheiten oder Ausfällen durch Mutterschutz und Elternzeit einsprängen. Die meisten Kultusministerien äußerten sich ähnlich. Wie viele Lehrer dieses Jahr betroffen sind, war aber vielerorts noch nicht klar.
In Mecklenburg-Vorpommern läuft zum Ende des Schuljahres für 171 Lehrer an öffentlichen Schulen die befristete Anstellung aus. Wer im nächsten Schuljahr wieder beschäftigt wird, bekommt das Sommerferien-Gehalt nachbezahlt. Wer dieses Glück hat, war kurz vor Beginn der Ferien aber noch offen.
Kein Aufreger-Thema?
In Rheinland-Pfalz ändert sich demnächst etwas: Das Land will ab 2019 alle Vertretungslehrer über die Sommerferien bezahlen. Rund 1.000 Lehrer könnten davon profitieren. Die Mehrausgaben betragen laut Bildungsministerium rund 2,5 Millionen Euro.
Insgesamt war die Sommerarbeitslosigkeit von Lehrern nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr geringer als in den drei Jahren zuvor. In Saarland sind nach Kultusministeriumsangaben dieses Jahr nur 38 Lehrer betroffen. In Nordrhein-Westfalen, Hessen und auch in Sachsen-Anhalt ist die Sommerarbeitslosigkeit von Lehrern eher kein Aufreger-Thema.
Auch die GEW-Vorsitzende Tepe sieht einen Rückgang, hält aber an der Kritik fest: «Das macht unseren Beruf nicht attraktiv. Also wir sind ja eher in der Situation, dass wir einen drastischen Mangel an Fachkräften bekommen werden. Man muss den Beruf attraktiv gestalten und nicht sagen: Wir brauchen Euch in den Sommerferien nicht.»
Auch Referendare stehen laut Tepe in einigen Bundesländern in den Sommerferien zu Tausenden ohne Gehalt da. Nach GEW-Angaben haben die Nachwuchslehrer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil sie als Beamte auf Widerruf während des Vorbereitungsdienstes nicht in der Arbeitslosenversicherung versichert seien. dpa
STUTTGART. Die Jungen Philologen Baden-Württemberg kritisieren “aufs Schärfste” die “unsägliche” Praxis der baden-württembergischen Landesregierung, hunderte befristet beschäftigte junge Lehrkräfte pünktlich zum Schuljahresende in die Arbeitslosigkeit zu entlassen.
„Egal welcher Couleur die jeweilige Landesregierung war und ist, alle haben in der Opposition diese Praxis kritisiert und dann als Regierung anders gehandelt und alles beim Alten gelassen“, so Jörg Sobora, der Vorsitzende der Jungen Philologen Baden-Württemberg. Hätten in der Vergangenheit noch Haushaltsengpässe als Entschuldigung für diese mangelnde Wertschätzung dienen können, halten die Jungen Philologen die Beibehaltung dieser Praxis mittlerweile für einen Skandal erster Klasse: „In Zeiten überquellender Steuereinnahmen ist es niemandem zu vermitteln, dass eines der reichsten Bundesländer bei dieser Praxis bundesweit vorn liegt. Die Schätzungen darüber, was die Weiterbeschäftigung der befristet beschäftigten Lehrkräfte über die Sommerferien kosten würde, gehen auseinander. Dieser Betrag wäre aber zu schultern, wenn man wollte“, sagt der Vorsitzende.
Die Jungen Philologen halten es für “entwürdigend, wenn junge, motivierte Lehrkräfte am Ende des Schuljahres jedes Jahr aufs Neue das Gefühl vermittelt bekommen, nur Lückenbüßer und eigentlich nicht gewollt zu sein”. Sobora: “Die grün-schwarze Landesregierung sollte sich ein Beispiel am Bundesland Rheinland-Pfalz nehmen, das vor kurzem beschlossen hat, Vertretungslehrkräften, die ab einem bestimmten Datum im Jahr beim Land beschäftigt sind, die Sommerferien zu bezahlen. Baden-Württemberg kann es sich nicht leisten, bestens ausgebildete Lehrkräfte in andere Bundesländer oder gar andere Berufe abwandern zu lassen.“