Sonderpädagogen fordern: Gute Bildungschancen auch für Kinder in schwierigen Lebenslagen

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WÜRZBURG. Rund 200 Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen aus Praxis und Forschung sind an der Universität Würzburg zum Bundesfachkongress des Verbands Sonderpädagogik (vds) zusammengekommen, um aktuelle Herausforderungen des Förderschwerpunkts Lernen zu diskutieren. Im Zentrum stand die Forderung nach bundesweit einheitlichen Bedingungen für gute Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen in sozial benachteiligten Lebenslagen.

Alleinerziehende Mütter und ihre Kinder sind häufig von Armut betroffen. Foto: Natasha Chub-Afanasyeva / flickr (CC BY 2.0)
90 Prozent der Kinder im Förderschwerpunkt Lernen sind von Armut betroffen. Foto:
Natasha Chub-Afanasyeva / flickr (CC BY 2.0)

Bei der Betrachtung der Situation in den einzelnen Bundesländern zeigt sich: Rahmenbedingungen, Zielsetzungen und Hilfen für eine inklusive Schulentwicklung unterscheiden sich regional stark – trotz gleicher Problem- und Lebenslagen der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Bereich Lernen. Dies arbeitete Christine Einhellinger vom Lehrstuhl Sonderpädagogik der Universität Würzburg in ihrem Hauptvortrag heraus. Der vds als Veranstalter des Kongresses, der erstmals in Kooperation mit dem Grundschulverband stattfand, problematisiert diese Entwicklung. „Wir sehen uns in der Pflicht, bei allen Bemühungen um die Entwicklung einer inklusiven Schule an allen Lernorten gerade die Schülerinnen und Schüler aus benachteiligenden Lebensverhältnissen in den Blick zu nehmen und zur Schaffung möglichst guter Bildungschancen in allen – auch in schwierigen – Lebenslagen beizutragen“, so betonte Angela Ehlers, Bundesvorsitzende des Verbands.

Prof. Gotthilf G. Hiller, emeritierter Professor für den Förderschwerpunkt Lernen, betonte in seinem Vortrag den hohen Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung und Schulerfolg. Immerhin: Über 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler dieses Förderschwerpunkts wachsen in Armutsverhältnissen und/oder als bildungsfern stigmatisierten Elternhäusern auf. Dies impliziert, so heute gängiger Tenor in der Sonderpädagogik, dass es sich verbietet, Beeinträchtigungen des Lernens als ein rein medizinisch-psychologisches Phänomen zu begreifen, dem mit mechanistischen Vorstellungen von Förderung begegnet werden könnte.

In insgesamt 24 Seminaren und Workshops setzten sich die rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer intensiv damit auseinander, wie unter diesen Voraussetzungen Lernprozesse unterstützt, Konzepte zur Organisations- und Unterrichtsentwicklung erarbeitet sowie auf gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen eingewirkt werden kann.

Ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen wird diagnostiziert, wenn Kinder und Jugendliche mit umfassenden Beeinträchtigungen des schulischen Lernens mit den Mitteln der allgemeinen Pädagogik allein nicht mehr hinreichend unterstützt werden können. Schülerinnen und Schüler mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf in diesem Förderschwerpunkt besuchen entweder die allgemeine Schule (Grundschule und weiterführende Schulen), wo sie individuelle Förderung erhalten und nach einem individuell zugeschnittenen Lehrplan unterrichtet werden oder eine entsprechende Förderschule.

Diskutiert wird seit langem insbesondere der Zusammenhang zwischen sozialer Benachteiligung beziehungsweise prekären Lebenslagen und sonderpädagogischem Förderbedarf. Über 90% der Schülerinnen und Schüler dieses Förderschwerpunkts wachsen in Armutsverhältnissen und/oder als bildungsfern stigmatisierten Elternhäusern auf.  Der Förderschwerpunkt Lernen umfasst innerhalb der sonderpädagogischen Förderbedarfe die größte Schülergruppe. Ressourcensteuerung sowie schulrechtliche Ausgestaltung dieses Förderschwerpunkts divergieren zwischen den Bundesländern stark. News4teachers

Der Verband Sonderpädagogik

Die Arbeit des Verbands Sonderpädagogik e. V. (vds) beinhaltet alle Aspekte der pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen. Die Mitglieder des vds stehen zum großen Teil in der praktischen Arbeit für behinderte oder benachteiligte Kinder und Jugendliche. Der Verband Sonderpädagogik e. V. bietet über seine eigene Bildungsakademie ein umfangreiches Fortbildungsangebot an und veranstaltet jährlich mehrere bundesweite Fachkongresse. Zudem gibt er monatlich mit der Zeitschrift für Heilpädagogik eines der wichtigsten sonderpädagogischen Fachorgane im deutschsprachigen Raum heraus. Der Verband ist föderal organisiert und besteht aus 16 eigenständigen Landesverbänden, die sich im Bundesverband zusammenschließen.

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